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Börse Frankfurt-News: Gute Nachrichten von der Staatsquote (Hüfners Kommentar)

Veröffentlicht am 31.05.2012, 15:36
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 31. Mai 2012. Deutschland steht bei der Staatsquote im internationalen Vergleich heute so gut da wie schon lange nicht mehr. Entscheidend dafür waren die Reformen im Zusammenhang mit der Agenda 2010. Das erklärt unter anderem, dass sich Deutschland nach der Krise konjunkturell besser als andere geschlagen hat.

Vor kurzem stieß ich in einer Diplomarbeit zweier Schweizer Studenten auf Zahlen, die mich aufhorchen ließen. Danach gehört Deutschland heute nicht mehr zu den Staaten mit einer besonders hohen Staatsquote, wie das jahrelang der Fall gewesen war. Es ist von einer Reihe von anderen Industriestaaten überholt wor­den. In der EU liegt es mit 45,6 Prozent deutlich unter dem Durch­schnitt der anderen von 49,2 Prozent.

Das ist eine gute Nachricht. Die Staatsquote misst die Gesamtausgaben des Staates in Prozent des Bruttoin­landsprodukts. Sie gibt an, welcher Anteil der gesamt­wirtschaftlichen Leistung eines Landes durch die Ta­schen des Staates läuft und wie viel bei den Privaten bleibt. Je niedriger die Quote, umso größer der Freiraum der privaten Aktivitäten. Normalerweise nimmt man an, dass es dann auch mehr Wachstum und Beschäftigung gibt.

Denn wenn die Staatsausgaben niedriger sind, dann ist in der Regel auch die Steuerbelastung geringer. Es wird vermutlich weniger Staatsschulden geben. Die Unter­nehmen müssen am Kapitalmarkt nicht mit dem Staat konkurrieren. Wettbewerb, Innovationskraft und Dyna­mik der Volkswirtschaft sind größer. Lange Zeit gab es die Daumenregel, dass eine Marktwirtschaft nur dann richtig funktioniert, wenn die Staatsquote unter 50 Prozent liegt. Wenn sie darüber steigt, fängt die Staatswirtschaft an.

Inzwischen ist die Mehrheit der Industriestaaten nahe an dieser Grenze oder hat sie sogar überschritten. Das ist nicht nur eine Folge der Finanzkrisen seit Ende des letz­ten Jahrzehnts. Hier wirkt sich vielmehr das alte 'Gesetz der wachsenden Staatsausgaben' aus, das der Ökonom Adolph Wagner bereits im 19. Jahrhundert beobachtet hat. Selbst in den USA, traditionell ein Hort des Kapita­lismus und der Freiheit, liegt die Staatsquote mittlerweile über 41 Prozent. In Großbritannien beträgt sie - trotz Margaret Thatcher - zuletzt knapp 50 Prozent.

Die Grafik zeigt die Entwicklung der Staatsquote ausge­wählter Länder seit dem Jahr 2000. Der Trend nach oben ist eindeutig. In den USA stieg die Staatsquote seit 2000 um 7,3 Punkte. In Großbritannien ging sie sogar um 12,7 Punkte hoch. Es gibt nur zwei Ausnahmen. Die eine ist Deutschland, die andere Österreich (freilich auf höherem Niveau). In beiden Ländern hat sich die Lage absolut gesehen zwar nicht verbessert. Die Staatsquote ist in etwa gleich geblieben. Sie ist aber relativ zu den anderen günstiger geworden. Das ist mit ein Grund, weshalb das Wachstum hierzulande im internationalen Vergleich besser geworden ist, absolut gesehen aber natürlich nach wie vor unbefriedigend ist (2012: +1 Prozent).

us der Grafik ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Staatsquote im Zeitablauf erheblich geschwankt hat. Zwei Phasen sind bemerkenswert. Zum einen die Jahre 2004 bis 2007. Damals hat sich die Staatsquote in Deutschland um insgesamt fast 5 Prozentpunkte verrin­gert. Das hing im Wesentlichen mit den Reformen der 'Agenda 2010' zusammen, mit denen vor allem die Sozialausgaben eingedämmt wurden und der Arbeits­markt modernisiert wurde. Auch in Österreich ging die Staatsquote in dieser Zeit zurück. In den meisten ande­ren Staaten hat sich die Situation in dieser Zeit nicht oder kaum verändert. Hier liegt der Grund für die relative Verbesserung Deutschlands im internationalen Ver­gleich. Man sieht, in welch langen Zeiträumen man in der Wirtschaftspolitik denken muss.

In den Jahren 2009 bis 2011 ist die Staatsquote in allen wichtigen Staaten zunächst stark angestiegen, dann aber wieder zurückgeführt worden. Das hing mit der Fi­nanzkrise zusammen. Zunächst weiteten die Regierun­gen ihre Ausgaben aus, um die Rezession zu bekämp­fen. Als sich die Wirtschaften dann im Jahr 2010 erhol­ten, zogen sich die Staaten wieder zurück (Italien etwas weniger als andere). Deutschland und Österreich waren hier weder besser noch schlechter als die anderen.

Bemerkenswert ist freilich: Auch 2011, als die Wirtschaft im zweiten Jahr wieder normal lief, hatten die Staatsquo­ten noch nicht das alte Niveau von vor der Krise erreicht. Das zeigt die Krux aller keynesianischen Politik. Die Re­gierungen gehen davon aus, dass es reicht, im Auf­schwung die Wachstumsprogramme wieder zurückzu­führen. Das ist aber nicht der Fall. Durch die Interven­tio­nen sind Schulden entstanden, die die Zinslast nach oben bringen. Wenn eine keynesianische Politik im Zeitablauf wirklich schulden- und staatsausgabenneutral sein soll, dann müssen im Aufschwung nicht nur die Wachstumsprogramme zurückgeführt werden. Es müs­sen auch Überschüsse erzielt werden, mit denen die Schulden getilgt werden. Sonst geht der Trend wach­sender Staatsausgabenquoten weiter. Auch Deutsch­land hat hier seine Hausaufgaben nicht ge­macht. Auch hier drohen wieder höhere Staatsquoten.

Für den Anleger

Die international bessere Position Deutschlands bei den Staatsquoten ist ein gutes Zeichen für den deutschen Aktienmarkt. Es lohnt sich hier zu investieren. Freilich sollte man die Staatsquote auch nicht überschätzen. Sie ist nur ein Indikator neben anderen. Zudem hat sich die deutsche Situation nicht absolut verbessert, sondern nur relativ. Zudem können die Erfolge schnell wieder ver­spielt werden.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

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© 31. Mai 2012 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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