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Börse Frankfurt-News: 'Krise: vom halbleeren zum halbvollen Glas' (Kommentar)

Veröffentlicht am 16.10.2012, 15:08
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 16. Oktober 2012. Die Stimmung an den Finanzmärkten weltweit ist besser geworden - trotz einer Korrektur der Wachstumsprognose der westlichen Industrieländer. Martin Hüfner betrachtet die Perspektiven der übrigen Welt.

Die wichtigste Botschaft, die ich von der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank vorherige Woche in Tokio mitgenommen habe: Die Stim­mung auf den Weltfinanzmärkten ist nicht nur vereinzelt, sondern insgesamt deutlich besser geworden. Im sechs­ten Jahr der Finanzkrise ist das Glas ist nicht mehr halb­leer, sondern halbvoll. Die Gründe dafür liegen zum ei­nen in der Besserung in Europa (das wussten wir), zum anderen in der Erholung des amerikanischen Häuser­markts. Banken verdienen dort wieder Geld mit Hypo­theken.

Natürlich kann es noch zu Rückschlägen kommen. Die Banken in den Industrieländern brauchen Kapital und müssen ihre Bilanzsummen zurückfahren (Institute in den Schwellenländern strotzen dagegen vor Kraft). Das Wirtschaftswachstum ist schwach. Die niedrigen Zinsen und die hohe Liquidität auf den Märkten belasten Ban­ken, Versicherungen und Asset Manager. Die Staatsver­schuldung muss reduziert werden. Aber diese Gefahren sind bekannt. Politik und Märkte haben sich vorbereitet. Sie wissen, was auf dem Spiel steht. Ein US-amerikanischer Chefvolkswirt sagte: Die Lehman-Pleite war für die Welt­finanzmärkte ein gemütlicher Sommerspaziergang im Vergleich mit dem, was bei einem Zusammenbruch des Euros drohen würde. So etwas will jeder verhindern.

Auch zu Einzelthemen gab es interessante Aspekte. Zur Konjunktur: Es gibt keine Rezessionsstimmung, auch wenn der IWF seine Prognosen für 2013 nach unten re­vidiert hat. Expansive und restriktive Faktoren halten sich die Waage. Was die Konjunktur stützt, sind lager­zyklische Bewegungen, die Geldpolitik sowie zusätzliche Investitionsprogramme in China. Dagegen steht die re­striktive Fiskalpolitik. Wenn sich die Lage in Europa wirk­lich schon im nächsten Jahr stabilisieren sollte, kämen von dort positive Konjunkturimpulse.

USA: Was für mich in dieser Dimension neu war (und

ich auch nicht einschätzen kann): Amerikaner berichten, dass ihr Land vor einem Energie-Boom in den nächsten Jahren steht. Dank neuer Fördertechniken (unter ande­rem Fracking) werden die Öl- und Gaspreise in dem Land deutlich sinken. Das könnte ein neuer Push für die US-Wirtschaft sein und sie unabhängiger von Importen machen. Auch die Weltenergiemärkte müssen neu be­wertet werden.

Das dominierende Thema in den USA ist freilich nach wie vor der 'Fiscal Cliff', das heißt die Tatsache, dass nach gegenwärtiger Gesetzeslage die Steuern am Jah­resende erhöht und die Ausgaben gesenkt werden müs­sen. Jeder rechnet damit, dass es dazu nicht kommen wird, sondern dass die Politiker am Ende doch einen Kompromiss finden.

China: Die Änderungen in dem Land gehen weit über das hinaus, was am Anfang vermutet wurde. Das Modell des exportgetriebenen Wachstums steht nicht nur auf der Kippe. Auch der Wechselkurs ist inzwischen nicht mehr überbewertet. Seit einem Jahr hat die chine­sische Zentralbank per Saldo nicht mehr an den Devi­senmärk­ten interveniert und keine weiteren Reserven akkumu­liert. Das Reich der Mitte bekommt per Saldo auch keine Kapitalzuflüsse aus dem Ausland mehr, die helfen können, inländische Investitionen zu finanzieren. Wenn es die Kapitalverkehrskontrollen aufheben sollte - was auf die Dauer Voraussetzung dafür ist, dass der Renminbi eine internationale Reservewährung wird - dann ist zu be­fürchten, dass es netto zu Kapitalexporten kommt.

Das ändert die Angebots-/Nachfrageverhältnisse auf den Weltkapitalmärkten. Peking wird in Zukunft nicht mehr der 'reiche Onkel' aus dem Fernen Osten sein, der bei Kapitalknappheit einspringt.

Asean-Länder in Südostasien: Hier ist die Welt noch in Ordnung. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum ist hoch mit 5,5 Prozent und wird durch die Abschwächung in China nicht beeinträchtigt. Die Philippinen mausern sich zu einem Star der Region.

Das europäische Modell: Jeder denkt beim Thema Asien nur an hohe Wachstumsraten und wirtschaftliche Dyna­mik. In dieser Hinsicht sehen die Europäer (auch die Amerikaner) alt aus. Ganz anders in politischer Hinsicht. Asien ist in seiner Region noch weit von einer stabilen Friedensordnung entfernt. Die Spannungen haben in diesem Jahr eher noch zugenommen. Siehe zuletzt die erbitterten Auseinandersetzungen zwischen China und Japan über einige unbedeutende Inseln im chinesischen Meer (die mich ein bisschen an deutsch-französische Konflikte im 19. Jahrhundert erinnern, nur dass hier viel größere Länder betroffen sind; es ist aber genauso ernst und es steht genauso viel Nationalbewusstsein dahin­ter). Manch einer beneidet die Europäer wegen der er­reichten politischen Stabilität.

Japan war für manchen ein Aha-Erlebnis: Eigentlich wollte niemand dorthin. Tokio ist teuer und liegt weit weg von den westlichen Finanzzentren. Niedriges Wachs­tum, Deflation und hohe Staatsverschuldung sind nichts, wonach man sich sehnt. Das Überraschende jedoch: Es sieht in Tokio gar nicht nach dem berühmten 'verlorenen Jahrzehnt' aus. Die Geschäfte sind voll, es wird gebaut, die Menschen arbeiten, sind freundlich und hilfsbereit. Das Pro-Kopf-Einkommen ist hoch. Die Schlussfolge­rung: Ein Land kann auch mit wenig Wachstum leben. Wachstum macht Strukturwandel und Anpassung an neue Gegebenheiten zwar leichter (deshalb tut sich Ja­pan damit außerordentlich schwer). Es macht die Menschen aber nicht glücklicher. Die hohe Selbstmordrate in dem Land hat weniger wirtschaftliche als religiöse und kulturelle Gründe.

Für den Anleger

Die bessere Stimmung auf den Finanzmärkten - zusam­men mit der hohen Liquidität - hilft den Aktienmärkten. Freilich sollte man vorsichtig bleiben, solange die An­haltspunkte für ein Ende der Krise noch so vage sind. Interessant ist, dass bisher niemand den Mut hat, über die Anlagewelt nach der Krise zu reden. Wenn die Stim­mung nicht täuscht, dann liegt es nahe, dass Europa ein neuer Attraktionspunkt der Weltwirtschaft werden könn­te. Pimco hat angekündigt, in europäische Anleihen zu investieren. China hat dagegen zu viele Probleme. Süd­ostasien hat zu kleine Märkte. Amerika muss nach den Präsidentschaftswahlen neu bewertet werden (vielleicht auch im Hinblick auf die Energiemärkte).

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

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© 16. Oktober 2012 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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