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Börse Frankfurt-News: 'Wirtschaft an der Kapazitätsgrenze' (Hüfners Kommentar)

Veröffentlicht am 12.03.2014, 18:12
Aktualisiert 12.03.2014, 18:30

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 12. März. 'Volkswirte müssen ab und zu auch Themen aufgreifen, die nicht in jeder Munde sind und die auf den ersten Blick abwegig erscheinen. Hier ein Thema, über das im Augenblick niemand spricht: Die Knappheit an Kapazitäten.'

Eigentlich müssten wir zufrieden sein. In diesem Jahr wird die deutsche Wirtschaft preisbereinigt um rund 2 Prozent wachsen. Im nächsten Jahr werden es nach den meis­ten Schätzungen noch mehr sein. Eine solche Phase ordentlichen Wachstums haben wir schon lange nicht mehr gehabt. Die BIP-Zunahme liegt deutlich über den langfristigen Expansionsmöglichkeiten der Volkswirt­schaft.

So weit so gut. Wenn da nicht ein Problem wäre. Die Kapazitäten der Unternehmen werden nämlich kaum ausreichen, um den realen Output in diesem Maß auf Dauer zu steigern. Das Produktionspotenzial erhöht sich nach den Berechnungen sowohl der Bundesbank und anderer derzeit um etwas mehr als 1 Prozent pro Jahr. Die Unterauslastung der Kapazitäten, auf die man noch zu­rückgreifen kann, beträgt lediglich 1 Prozent.

Das heißt: Bei einem Wachstum von 2 Prozent werden die Ka­pazitäten spätestens Ende dieses Jahres voll ausgelastet sein. Im nächsten Jahr wird es dann Engpässe ge­ben. Sollte sich das Wachstum in den darauf folgenden Jahren weiterhin so dynamisch entwickeln, dann wird die Produktionslücke immer größer. Nach den Berech­nungen der Wirtschaftsforschungsinstitute wird sie 2016 fast 2 Prozent erreichen. (siehe Grafik).

Deutschland steht mit diesem Problem im Euroraum weitgehend allein da. EZB-Präsident Draghi hatte in der letzten Woche darauf hingewiesen, dass die Euroländer insgesamt über ausreichend Kapazitätsspielräume ver­fügen, um auch stärkeres Wachstum ohne Schwierig­keiten zu bewältigen.

Wie kommt es zu dem Engpass in Deutschland? Zum einen hängt es natürlich damit zusammen, dass das Wachstum in Kerneuropa in den letzten Jahren wesent­lich höher war als im Euroland insgesamt. Hinzu kommt die geringe Investitionstätigkeit in Deutschland in den vergangenen Jahren. Sie hat dazu geführt, dass nur wenig neue Kapazitäten entstanden sind. Die Unternehmen zögerten angesichts der Unsicherheiten in der Welt und der Risiken beim Euro mit Erweiterungen ihres Maschi­nenparks. Und wenn es Erweiterungen gab, dann viel­fach im Ausland und nicht im Inland.

Nun soll man es mit den Kapazitätsengpässen nicht übertreiben. Unmittelbar gibt es keine schwereren Aus­wirkungen. Bei der heutigen Flexibilität der Produktions­prozesse kann die Wirtschaft eine Weile auch oberhalb der Kapazitätsgrenze operieren. Stärkere Auswirkungen ergeben sich erst, wenn die Situation über längere Zeit anhält.

Dann aber ergeben sich drei Effekte.

Das Positive: Wenn die Nachfrage die Produktionsmög­lichkeiten übersteigt und es so aussieht, dass das auch länger so bleibt, haben die Unternehmen einen Anreiz, ihre Inves­titionen zu erhöhen. Das schafft zusätzliche Nachfrage und kurbelt auf diese Weise die Konjunktur an. Freilich dauert es eine gewisse Zeit, bis die neuen Kapazitäten an den Markt kommen und erhöhte Liefe­rungen ermöglichen.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht positiv ist auch, dass die Importe steigen und dass damit der Leistungsbilanzüberschuss abgebaut werden kann. Er belief sich 2013 auf über 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist eine Menge Holz. Bei vermehrten Einfuhren erhalten die Nachbarländer in der Europäischen Währungsunion zu­sätzliche Wachstumsimpulse. Zudem kann man der Kri­tik der europäischen Kommission in Brüssel an den ho­hen deutschen Überschüssen begegnen.

Das Negative: Es entsteht Preisdruck nach oben. Wenn die Nachfrage größer ist als die Angebotsmöglichkeiten, können Unternehmen ihre Kosten besser auf die Abneh­mer überwälzen. Das allgemeine Preisniveau steigt. Das war auch in der Vergangenheit immer so. Bei der Pro­duktionslücke 2000 und 2001 ging die Geldentwertung in der Bundesrepublik von 0,6 Prozent zuerst auf 1,4 Prozent und dann auf 2,0 Prozent nach oben. Bei der Produktionslücke 2007/2008 erhöhte sich die Preissteigerung von 1,5 Prozent auf 2,3 Prozent und 2,6 Prozent.

Man soll das nicht dramatisieren. Das sind keine exorbi­tanten Steigerungen. Zudem werden sie dadurch ge­dämpft, dass die Preise in Europa - die für die Geldpoli­tik entscheidend sind - nicht so stark zunehmen, weil es in den anderen Ländern noch keine Kapazitätsengpässe gibt. Schließlich werden in den nächsten Jahren noch preisdämpfende Effekte von der Entwicklung der Öl- und Gaspreise ausgehen. Was aber auf die Dauer schon ins Gewicht fällt ist die Tatsache, dass sich die deutsche Wettbewerbsfähigkeit relativ verringert, wenn die Preise hierzulande stärker steigen als anderswo.

Für den Anleger

Die Auswirkungen der Produktionslücke halten sich der­zeit noch in Grenzen. Der Aufschwung beginnt gerade und im Augenblick gibt es noch keine größeren Engpäs­se. Das kann sich jedoch ändern. Für mich ist es ein weiteres Argument, weshalb Anleger die derzeitige Dis­kussion über Deflation nicht zu ernst nehmen sollten. Sie sollten sich im Gegenteil darauf vorbereiten, dass sich die Geldpolitik nicht nur in den USA und in Großbri­tannien sondern auch im Euroraum normalisieren wird. Die Zinsen werden moderat ansteigen und die Liquidität wird auf das zurückgeführt, was für die wirtschaftliche Expansion auch wirklich gebraucht wird. Es war gut, dass die EZB in der letzten Woche keine weiteren Lo­ckerungsmaßnahmen beschlossen hat.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

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von Martin Hüfner, Assenagon

© 12. März 2014

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem 'Europa - Die Macht von Morgen' (2006), 'Comeback für Deutschland' (2007), 'Achtung: Geld in Gefahr' (2008) und 'Rettet den Euro!' (2011)

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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