Investing.com - Die Protokolle zur letzten Fed-Sitzung von Anfang Mai brachten nicht viel Neues an der Zinsfront. Während sich die einen Sorgen um die Auswirkungen der rückläufigen Kreditvergabe machen, sind die anderen der Meinung, dass weitere Zinserhöhungen notwendig sind, um die immer noch hohe Inflation unter Kontrolle zu bringen.
Die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA deuten derweil auf eine weiterhin robuste Wirtschaftsleistung hin. Festmachen lässt sich das einerseits an den nach oben revidierten BIP-Zahlen für das erste Quartal und der geringer als erwartet ausgefallenen Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe. Zum anderen hat aber auch der Composite PMI, der die Stimmung der Einkaufsmanager in der Industrie und im Dienstleistungssektor misst, zuletzt positiv überrascht. Alles in allem hält sich die US-Wirtschaft trotz des kontinuierlichen Stroms negativer Kommentare von Ökonomen stabil.
Eine robuste Wirtschaft heißt aber auch, dass sich die Fed nicht einfach zurücklehnen und hoffen kann, dass die Inflation nachhaltig sinkt. Dieser Eindruck setzt sich wohl auch allmählich an den Märkten durch, die nach der Einpreisung der ersten Zinssenkungen im Juli nun eine vollständige Kehrtwende vollzogen haben. Dazu dürften auch Redebeiträge einzelner Fed-Mitglieder beigetragen haben, die sich in den vergangenen Tagen zu den zinspolitischen Aussichten geäußert haben. So erklärte der Leiter der St. Louis Fed, James Bullard, dass er mit zwei weiteren Zinserhöhungen rechne. Das derzeit nicht stimmberechtigte Fed-Mitglied gehörte zu den ersten, die kurz vor Beginn des Zinserhöhungszyklus der Fed aggressive Zinsschritte forderten. Seit März letzten Jahres hat die US-Notenbank den Leitzins um satte 500 Basispunkte auf inzwischen 5,00 bis 5,25 Prozent angehoben - und wenn man den aktuellen Markterwartungen Glauben schenken darf, ist das Ende der Fahnenstange, wie Mitte Mai ursprünglich prognostiziert, noch nicht erreicht.
Zwar rechnet die Mehrheit der Marktteilnehmer (58 Prozent) immer noch damit, dass die Fed im Juni eine Zinspause einlegt, doch liegt die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinserhöhung um 25 Basispunkte im nächsten Monat inzwischen bei 41,2 Prozent, wie aus dem FedWatch-Tool der CME hervorgeht. Letzte Woche hatte der Markt einem solchen Szenario lediglich eine Chance von rund 10 Prozent eingeräumt.
Für Juli haben sich die Wahrscheinlichkeiten sogar so weit verändert, dass der Markt nun eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte auf 5,25 bis 5,50 Prozent prognostiziert. Nach aktuellen Marktprognosen dürfte im September dann eine Zinspause folgen, bevor ab November mit der ersten Zinssenkung zu rechnen ist.
Deutsche Bank-Analyst Jim Reid kommentiert: "Das ist eine große Veränderung gegenüber der Situation nach der letzten Fed-Sitzung zu Beginn des Monats, als der Konsens darin bestand, dass die Fed keine weiteren Zinserhöhungen mehr vornehmen würde und dass der nächste Schritt eher eine Zinssenkung als eine Zinserhöhung sein würde."
Die Helaba rechnet angesichts der nach wie vor hohen US-Inflation, die gemessen am Verbraucherpreisindex derzeit bei 4,9 Prozent liegt, erst ab 2024 mit Zinssenkungen durch die Fed.