BERLIN/DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Der Triumph in Nordrhein-Westfalen beflügelt rot-grüne Hoffnungen auf einen Machtwechsel im Bund 2013. CDU-Wahlverlierer Norbert Röttgen kommt auch in der Union unter Druck
- Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel will ihn aber als Umweltminister behalten. Aus der FDP gab es am Montag vereinzelt Rufe nach neuen Koalitionsoptionen jenseits der Union. Zugleich rückt Schwarz-Gelb im Bund aber angesichts der Bedrohung durch SPD und Grüne zusammen. In Nordrhein-Westfalen wollen SPD und Grüne rasch über eine Koalition verhandeln.
Fast alle Parteien stehen nach der Landtagswahl vor schwierigen Personaldebatten: Bei der SPD dürfte Wahlsiegerin Hannelore Kraft eine Rolle in der Kanzlerkandidaten-Debatte spielen. In der FDP kann Parteichef Philipp Rösler nach den Erfolgen in Düsseldorf und Kiel zwar vorläufig aufatmen - ob er seine Partei in den Wahlkampf 2013 führen wird, ist aber offen. Bei der Linkspartei signalisierte Oskar Lafontaine nach der Wahlpleite vom Sonntag erstmals öffentlich die Bereitschaft, für den Bundesvorsitz zu kandidieren. Er erhielt dafür Unterstützung vom bisherigen Parteichef Klaus Ernst.
Bei der Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland sicherten sich SPD und Grüne eine klare Mehrheit, nachdem es bisher nur für eine Minderheitsregierung gereicht hatte. Die CDU stürzte auf ein Rekordtief im Land. Die bundesweit schwächelnde FDP blieb gestärkt im Landtag. Die Linke scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. Der Piratenpartei gelang der Sprung ins vierte Landesparlament.
Das vorläufige amtliche Endergebnis: SPD 39,1 Prozent, CDU 26,3, Grüne 11,3, FDP 8,6, Piratenpartei 7,8, Linke 2,5 Prozent (5,6). Die Wahlbeteiligung lag mit 59,6 Prozent auf dem Niveau von 2010 (59,3). Mit Überhangmandaten ergibt das folgende Sitzverteilung: SPD 99, CDU 67, Grüne 29, FDP 22 und Piraten 20. Rot-Grün hat damit eine Mehrheit von 128 Sitzen gegen 109 der Opposition.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht das politische Klima in Deutschland verändert. Union und FDP hätten nun elf Wahlen verloren, sagte er. Dies zeige, dass sich die politischen Strömungen änderten. SPD und Grüne würden künftig wie in NRW auf die Themen Bildung, Arbeit, Energiewende und Kommunen setzen. 'Ob es dann in eineinhalb Jahren reicht, werden wir sehen.'
Gabriel und SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier hielten am Fahrplan für die Kanzlerkandidatenkür mit einer Entscheidung spätestens Anfang 2013 fest. Gabriel rechnet nicht mit einer Kandidatur Krafts: 'Wer sie kennt, weiß, dass sie das nicht machen wird. Trotzdem ist sie mit so einem Ergebnis eine unglaublich wichtige Spitzenpolitikerin, auch für alles, was in Berlin passiert.' Krafts größtes Pfund sei die Glaubwürdigkeit. Sie habe gesagt, sie bleibe in Nordrhein-Westfalen.
Kraft selbst sagte, Verlässlichkeit müsse zum Markenzeichen für die ganze SPD werden. Ihre Partei habe vor allem deshalb gewonnen, weil sie ihre Versprechungen eingelöst habe. Diese Haltung müsse sich die ganze SPD stärker zu eigen machen.
Die Grünen wollen aus dem NRW-Wahlerfolg an der Seite der SPD eine Initialzündung für Rot-Grün im Bund machen. 'Was in Nordrhein- Westfalen möglich ist, dass es zu Zweierkonstellationen kommt, zu rot-grünen Bündnissen - warum soll das nicht auch im Bund möglich sein', fragte Parteichefin Claudia Roth.
Führende CDU-Politiker erwarten trotz des Debakels in NRW keine Auswirkungen auf den bundespolitischen Kurs der Partei. 'Wir dürfen uns auf Bundesebene nicht beirren lassen und müssen die Politik machen, die im Interesse des Landes richtig ist', sagte der Parlamentarische Geschäftsführer im Bundestag, Peter Altmaier.
CSU-Chef Horst Seehofer sorgte mit Kritik an Röttgen für Ärger in der CDU. In der 'Bild'-Zeitung hatte er indirekt Röttgens Eignung als Bundesumweltminister infrage gestellt. 'Die Menschen wollen endlich Antworten hören, wie es mit der Energiewende weitergehen soll, und sie wollen sehen, dass wir aufs Tempo drücken. Ich hoffe, dass der Bundesumweltminister mit dieser Herausforderung anders umgeht als mit dem Wahlkampf in NRW.'
Die Kanzlerin ließ über Regierungssprecher Steffen Seibert erklären: 'Norbert Röttgen ist Umweltminister und hat als solcher wichtige Aufgaben zu erfüllen. Daran hat sich nach der Wahl nichts geändert.' Eine Sprecherin sagte über Röttgen am Morgen nach der Wahl: 'Er war wie immer hellwach und sieht den künftigen Aufgaben als Umweltminister mit großer Zuversicht und großem Engagement entgegen.'
FDP-Wahlsieger Christian Lindner wies bundespolitische Ambitionen erneut zurück. Auf die Frage, ob er die volle Wahlperiode von fünf Jahren in Düsseldorf bleiben werde, antwortete der 33-Jährige: 'So ist das eben in der Demokratie.' Welche Konsequenzen die FDP für die Bundespolitik ziehen könne, 'muss man mit etwas Distanz betrachten'.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sieht Schwarz-Gelb im Bund nicht geschwächt. Union und FDP hätten beste Voraussetzungen, 2013 das bürgerliche Lager wieder zum Erfolg zu führen. Die Lehre aus NRW sei, dass es nichts bringe, 'nach links zu hüpfen'. FDP-Vize und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte dagegen: 'Die FDP muss sehen, dass sie sich mehrere Optionen erarbeitet.' Rösler selbst verspricht sich vom Erfolg seiner Partei in NRW positiven Schub. Die Wahl sei ein 'ermutigendes Signal'.
Industrie-Präsident Hans-Peter Keitel warnte die SPD, ihr Sieg in NRW sei 'kein Freibrief für höhere Schulden'. Die CDU müsse ernsthaft überdenken, mit welchen Themen und Personen sie ihre Stammwähler gerade auch in der Wirtschaft wieder besser erreichen könne./bk/DP/zb
- Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel will ihn aber als Umweltminister behalten. Aus der FDP gab es am Montag vereinzelt Rufe nach neuen Koalitionsoptionen jenseits der Union. Zugleich rückt Schwarz-Gelb im Bund aber angesichts der Bedrohung durch SPD und Grüne zusammen. In Nordrhein-Westfalen wollen SPD und Grüne rasch über eine Koalition verhandeln.
Fast alle Parteien stehen nach der Landtagswahl vor schwierigen Personaldebatten: Bei der SPD dürfte Wahlsiegerin Hannelore Kraft eine Rolle in der Kanzlerkandidaten-Debatte spielen. In der FDP kann Parteichef Philipp Rösler nach den Erfolgen in Düsseldorf und Kiel zwar vorläufig aufatmen - ob er seine Partei in den Wahlkampf 2013 führen wird, ist aber offen. Bei der Linkspartei signalisierte Oskar Lafontaine nach der Wahlpleite vom Sonntag erstmals öffentlich die Bereitschaft, für den Bundesvorsitz zu kandidieren. Er erhielt dafür Unterstützung vom bisherigen Parteichef Klaus Ernst.
Bei der Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland sicherten sich SPD und Grüne eine klare Mehrheit, nachdem es bisher nur für eine Minderheitsregierung gereicht hatte. Die CDU stürzte auf ein Rekordtief im Land. Die bundesweit schwächelnde FDP blieb gestärkt im Landtag. Die Linke scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. Der Piratenpartei gelang der Sprung ins vierte Landesparlament.
Das vorläufige amtliche Endergebnis: SPD 39,1 Prozent, CDU 26,3, Grüne 11,3, FDP 8,6, Piratenpartei 7,8, Linke 2,5 Prozent (5,6). Die Wahlbeteiligung lag mit 59,6 Prozent auf dem Niveau von 2010 (59,3). Mit Überhangmandaten ergibt das folgende Sitzverteilung: SPD 99, CDU 67, Grüne 29, FDP 22 und Piraten 20. Rot-Grün hat damit eine Mehrheit von 128 Sitzen gegen 109 der Opposition.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht das politische Klima in Deutschland verändert. Union und FDP hätten nun elf Wahlen verloren, sagte er. Dies zeige, dass sich die politischen Strömungen änderten. SPD und Grüne würden künftig wie in NRW auf die Themen Bildung, Arbeit, Energiewende und Kommunen setzen. 'Ob es dann in eineinhalb Jahren reicht, werden wir sehen.'
Gabriel und SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier hielten am Fahrplan für die Kanzlerkandidatenkür mit einer Entscheidung spätestens Anfang 2013 fest. Gabriel rechnet nicht mit einer Kandidatur Krafts: 'Wer sie kennt, weiß, dass sie das nicht machen wird. Trotzdem ist sie mit so einem Ergebnis eine unglaublich wichtige Spitzenpolitikerin, auch für alles, was in Berlin passiert.' Krafts größtes Pfund sei die Glaubwürdigkeit. Sie habe gesagt, sie bleibe in Nordrhein-Westfalen.
Kraft selbst sagte, Verlässlichkeit müsse zum Markenzeichen für die ganze SPD werden. Ihre Partei habe vor allem deshalb gewonnen, weil sie ihre Versprechungen eingelöst habe. Diese Haltung müsse sich die ganze SPD stärker zu eigen machen.
Die Grünen wollen aus dem NRW-Wahlerfolg an der Seite der SPD eine Initialzündung für Rot-Grün im Bund machen. 'Was in Nordrhein- Westfalen möglich ist, dass es zu Zweierkonstellationen kommt, zu rot-grünen Bündnissen - warum soll das nicht auch im Bund möglich sein', fragte Parteichefin Claudia Roth.
Führende CDU-Politiker erwarten trotz des Debakels in NRW keine Auswirkungen auf den bundespolitischen Kurs der Partei. 'Wir dürfen uns auf Bundesebene nicht beirren lassen und müssen die Politik machen, die im Interesse des Landes richtig ist', sagte der Parlamentarische Geschäftsführer im Bundestag, Peter Altmaier.
CSU-Chef Horst Seehofer sorgte mit Kritik an Röttgen für Ärger in der CDU. In der 'Bild'-Zeitung hatte er indirekt Röttgens Eignung als Bundesumweltminister infrage gestellt. 'Die Menschen wollen endlich Antworten hören, wie es mit der Energiewende weitergehen soll, und sie wollen sehen, dass wir aufs Tempo drücken. Ich hoffe, dass der Bundesumweltminister mit dieser Herausforderung anders umgeht als mit dem Wahlkampf in NRW.'
Die Kanzlerin ließ über Regierungssprecher Steffen Seibert erklären: 'Norbert Röttgen ist Umweltminister und hat als solcher wichtige Aufgaben zu erfüllen. Daran hat sich nach der Wahl nichts geändert.' Eine Sprecherin sagte über Röttgen am Morgen nach der Wahl: 'Er war wie immer hellwach und sieht den künftigen Aufgaben als Umweltminister mit großer Zuversicht und großem Engagement entgegen.'
FDP-Wahlsieger Christian Lindner wies bundespolitische Ambitionen erneut zurück. Auf die Frage, ob er die volle Wahlperiode von fünf Jahren in Düsseldorf bleiben werde, antwortete der 33-Jährige: 'So ist das eben in der Demokratie.' Welche Konsequenzen die FDP für die Bundespolitik ziehen könne, 'muss man mit etwas Distanz betrachten'.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sieht Schwarz-Gelb im Bund nicht geschwächt. Union und FDP hätten beste Voraussetzungen, 2013 das bürgerliche Lager wieder zum Erfolg zu führen. Die Lehre aus NRW sei, dass es nichts bringe, 'nach links zu hüpfen'. FDP-Vize und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte dagegen: 'Die FDP muss sehen, dass sie sich mehrere Optionen erarbeitet.' Rösler selbst verspricht sich vom Erfolg seiner Partei in NRW positiven Schub. Die Wahl sei ein 'ermutigendes Signal'.
Industrie-Präsident Hans-Peter Keitel warnte die SPD, ihr Sieg in NRW sei 'kein Freibrief für höhere Schulden'. Die CDU müsse ernsthaft überdenken, mit welchen Themen und Personen sie ihre Stammwähler gerade auch in der Wirtschaft wieder besser erreichen könne./bk/DP/zb