DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Unternehmen, die an ihrem Russland-Geschäft festhalten, stehen in Deutschland nach Einschätzung von Marketing-Experten unter einem extremen Rechtfertigungsdruck. "Ein Unternehmen muss heute schon eine sehr gute Argumentation haben, wenn es den russischen Markt weiter beliefern will, sonst droht ihm ein nachhaltiger Imageschaden", sagte der Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist nicht einfach zu begründen, warum man weiterhin Geschäfte in einem Land macht, dass einen Krieg angefangen hat."
Auch der Markenexperte Karsten Kilian von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg sieht das ähnlich. "Unternehmen, die in Russland bleiben, stehen unter einem gewaltigen Rechtfertigungsdruck. Sie argumentieren oft damit, dass auch die russische Bevölkerung versorgt werden muss, aber angesichts der Not in der Ukraine ist das keine einfache Position."
Das Thema Rückzug aus Russland sei für die Unternehmen ein zweischneidiges Schwert, sagte Kilian. Denn es gebe für beide Entscheidungen - gehen oder bleiben - gute Gründe. Wichtig sei dabei, wie bedeutend der russische Markt für das Unternehmen seit, ob nur Ware geliefert werde oder man in Russland eigene Produktionsstätten besitze und was aus den Mitarbeitern werde. "Letztlich muss jedes Unternehmen für sich über einen Rückzug entscheiden und die Kritik im Zweifelsfall aushalten. Wer das schafft, hat vielleicht einen Startvorteil auf dem russischen Markt, falls sich die Situation irgendwann wieder normalisieren sollte", sagte Kilian.
Besonders groß ist der Druck, alle Verbindungen zu Russland zu kappen, nach Einschätzung von Christiane Beyerhaus von der International School of Management (ISM) für Lifestyle-Unternehmen wie Modemarken oder Kosmetikfirmen. "Alle Marken, für die ihr Markenimage wichtig ist, müssen rausgehen", sagte die Expertin für Modemarketing. Dabei sei es egal, ob es sich um eine Luxusmarke oder einen profilierten Sportartikelhersteller handele. Andernfalls drohe schwerer Schaden für das wertvolle Markenimage.