n Börsen-Zeitung: Warten auf Weihnachten, Kommentar zur Konjunktur von
Detlef Fechtner
Frankfurt (ots) - Schwach, trübe, düster: Wer gestern auf die
Nachrichtenticker blickte, um zu erfahren, wie es derzeit um die
Konjunktur in der Währungsunion steht, der konnte den Eindruck
gewinnen, dass in Euroland nichts mehr wächst - außer Frankreichs
Defizit und Italiens Schuldenquote. Für diese fast schon resignative
Wahrnehmung ist nicht zuletzt die neue EU-Kommission verantwortlich.
Denn die ist mit der Ansage gestartet, die Lage nicht schönzureden.
Ganz im Gegenteil: Auch gestern bekräftigten EU-Kommissar Pierre
Moscovici und EU-Vizepräsident Jyrki Katainen, dass sich Europa
wirtschaftlich "viel zu langsam" erhole und dass es deshalb notwendig
sei, umgehend alle Kräfte zu bündeln - schließlich sei dies ja die
"Kommission der letzten Chance". Das klingt nach Alarmstufe. Um
Missverständnissen vorzubeugen: Na klar, es ist gut, wenn Politiker
ihre Lagebeurteilungen nicht aufhübschen und sich in die Pflicht
nehmen, Abhilfe zu schaffen. Allerdings müssen sie dann auch die
hohen Erwartungen erfüllen, die sie aufbauen.
Beispiel eins: Moscovici und Katainen wiederholen derzeit
gebetsmühlenartig, dass neben strukturellen Reformen und dem
anvisierten Investitionsprogramm eine solide und glaubwürdige
Haushaltspolitik spielentscheidend dafür ist, dass Euroland wieder
wirtschaftlich auf die Füße kommt. Als gemeinsame Hüter des
Stabilitätspakts muss das finnisch-französische Duo nun aber auch den
Mut haben, sich Ende November mit Paris und Rom anzulegen - erst
recht nach den gestrigen Prognosen für das französische und
italienische Wachstum. Leider haben kürzliche Erklärungen Katainens
den Verdacht befördert, dass er den Konflikt vermeiden will - auch um
den Preis schwindenden Vertrauens in den runderneuerten Pakt.
Beispiel zwei: Die Mitglieder der neuen EU-Kommission werden nicht
müde, immer wieder die Bedeutung des kurz vor Weihnachten geplanten
300-Mrd.-Euro-Investitionsprogramms hervorzuheben. Keine Frage,
einiges spricht dafür, dass sich Investments beleben lassen, wenn
Banken statt Behörden staatliche Hilfen durchleiten und sich dabei
neuer Finanzinstrumente bedienen, die den Einsatz vermehren, statt
ihn zu verausgaben. Insofern kann das Programm viel Gutes wirken. Die
Überhöhung der Initiative als Lösung der zentralen Probleme indes
läuft Gefahr, die Erwartungen zur Weihnachtszeit bitter zu
enttäuschen. Denn es wäre ja zu schön, wenn das nötige Kleingeld für
Investitionen das Wichtigste wäre, was derzeit Europas Wirtschaft
fehlt.
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