Börsen-Zeitung: Weiße Salbe, Kommentar zu Lebensversicherern von Antje
Kullrich
Frankfurt (ots) - Spät hat das finanzpolitische Berlin gemerkt,
dass in Sachen Lebensversicherer eine zweite
Kommunikationskatastrophe droht. Die ganz kurzfristig anberaumte
Vorstellung des geplanten Gesetzespakets diente vor allem einem Ziel:
zu betonen, dass es nicht um Geschenke für Allianz & Co geht, sondern
um die Stabilisierung eines angeschlagenen Marktes, der im
Dauerzinstief immer stärker unter Stress gerät. Auf Mitleid kann die
Assekuranz angesichts ihres anhaltenden Imageproblems nicht zählen.
Argwöhnisch wird vielmehr jede Neuregelung für die Lebensversicherer
unter die Lupe genommen, ob sie nicht doch die Kunden übervorteilen
könnte.
Doch das avisierte Paket aus dem Finanzministerium setzt durchaus
an vernünftigen Punkten an. Dass die Versicherten künftig an den
Risikogewinnen, die mittlerweile als Gewinnquelle im Verhältnis
deutlich an Gewicht zugelegt haben, stärker beteiligt werden sollen,
dürften Verbraucherschützer wohl nicht bekritteln. Auch die
Unternehmen werden damit leben können, da für sie die ebenfalls in
Aussicht gestellte Neuregelung der Mitgabe von Bewertungsreserven
allein vom Volumen her von größerer Bedeutung ist. Bei der
angestrebten Deckelung von Provisionszahlungen deutet sich eine
indirekte Lösung über die bilanzielle Behandlung an, was
ordnungspolitisch wünschenswerter ist als eine starre Obergrenze.
Bleiben noch die angekündigten Ausschüttungsverbote. Hier werden
Investoren mit Spannung auf die Details blicken. Wie tief und wie
nachhaltig will der Gesetzgeber sich hier einmischen? De facto werden
kapitalschwache Lebensversicherer schon heute gezwungen, ihre Gewinne
zu thesaurieren - da hat die Finanzaufsicht ein scharfes Auge drauf.
Die Ankündigung könnte sich also auch als Beruhigungspille für
Verbraucherschützer entpuppen.
Ist das jetzt der große Wurf zur Rettung der Lebensversicherer?
Nein. Das Paket verschafft ein wenig Linderung, sein Inhalt ist
jedoch nicht mehr als weiße Salbe. Denn der Bewegungsspielraum der
Branche und des deutschen Finanzministers ist eingeschränkt. Weder
die eine noch der andere kann das Basisproblem lösen. Erst die
Rückkehr zu einem normalisierten Zinsniveau verspräche eine
nachhaltige Gesundung der Branche. Bis dahin gilt es, die mit den
hohen Garantieversprechen vergangener Jahre verbundene Unwucht
abzufedern und so weit wie möglich in die Zukunft zu verlagern - in
der Hoffnung, dass in der Zwischenzeit die Zinswende kommt.
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