Börsen-Zeitung: Japans Ausbruchsversuch, Börsenkommentar 'Marktplatz',
von Georg Blaha.
Frankfurt (ots) - Japan überrascht die Welt. Vor wenigen Monaten
noch als unbelehrbar, unverbesserlich und unreformierbar gescholten,
scheint sich das Land unter der Führung des neuen Premierministers
Shinzo Abe nun aus der zwei Jahrzehnte anhaltenden Lähmung und
Deflation zu befreien. Es ist nicht das erste Mal, dass Nippon einen
Ausbruchsversuch gestartet hat. Doch immer wieder blieben die
Reformbemühungen der rasch wechselnden Regierungen in Tokio und der
vor allem mit sich selbst beschäftigten Politik stecken. Japans
Aktienmarkt wies in 17 der vergangenen 25 Jahre eine Underperformance
gegenüber den anderen großen Märkten auf.
Ist diesmal alles anders? Anleger zeigen sich von den 'Abenomics',
wie das wirtschaftspolitische Programm von Abe genannt wird,
überzeugt. Der Leitindex Nikkei225 muss sich im weltweiten Vergleich
nicht mehr verstecken, bei 12561 Yen erreichte er den höchsten Stand
seit September 2008. Auch wenn die Rally reif für eine Pause ist,
spricht momentan vieles dafür, dass die Abenomics Erfolg haben
werden, Japan zu moderater Inflation und zu neuem Wachstum zu
verhelfen.
Der wesentliche Treiber ist die Aussicht auf eine drastisch
gelockerte Geldpolitik, die schon beim Wahlkampf Ende 2012 eine
wesentliche Rolle spielte, aus dem die von Abe geleitete
Liberaldemokratische Partei (LDP) als Sieger hervorging. Am Freitag
winkte das japanische Parlament die von der LDP gewünschte neue
Führungsspitze der Zentralbank durch. Nun führt Haruhiko Kuroda, ein
altgedienter Notenbanker und bislang Chef der Asiatischen
Entwicklungsbank, mit den Stellvertretern Kikuo Iwata und Hiroshi
Nakaso die Geschäfte der Bank of Japan (BoJ). Am Devisenmarkt wurde
die Berufung Kurodas im Laufe der beendeten Handelswoche mit einem
neuen Dreieinhalbjahrestief des Yen bei 96,7 je Dollar quittiert. Zur
europäischen Einheitswährung notiert der Yen bei 126 je Euro in
Reichweite eines Dreijahrestiefs. Kuroda will die für 2014 geplanten
unlimitierten Anleihekäufe schon auf dieses Jahr vorziehen und peilt
ein auf 2% verdoppeltes Inflationsziel an.
Die Märkte spielen bei den Abenomics mit, aber wie sieht es in der
Realwirtschaft aus? Auch dort gibt es Anzeichen, dass mit steigenden
Preisen gerechnet wird. Die Ausgaben der Privathaushalte sind im
Januar überraschend stark angestiegen, nachdem sie im Dezember trotz
der Familienfeiern zum Jahresende gefallen waren. Auch das
Verbrauchervertrauen ist gemäß staatlichen Daten gestiegen.
Bedeutender ist jedoch das Verhalten der Unternehmen: Jüngst haben
zwei Supermarktketten ihren Angestellten medienwirksam das erste Mal
seit vier, fünf Jahren eine deutliche Erhöhung von Löhnen und
Zusatzleistungen in Aussicht gestellt. Die Einzelhändler sind große
Arbeitgeber im Niedriglohnbereich. Auch von den Exportfirmen, die vom
billigen Yen mit gestiegener Wettbewerbsfähigkeit profitieren, werden
Lohnerhöhungen erwartet. Die Firmen wurden nicht von sich aus tätig,
es bedurfte freundlicher Ermahnungen von Japans Finanzminister Taro
Aso. Eine wirtschaftspolitisch saubere Trennung von Markt und Staat
ist das nicht gerade, doch in Japan funktioniert der Appell, das
nationale Interesse über das eigene zu stellen, bisweilen.
Das Ziel von Premier Abe scheint es zu sein, die Geldpolitik mit
anderen Bereichen der Wirtschaft zu verzahnen. Die Wahrscheinlichkeit
ist hoch, dass Abe dieses Kunststück gelingt; die LDP, die Japan von
1955 bis 2009 fast ununterbrochen regierte, beherrscht die Klaviatur
der Macht nahezu perfekt und die Wähler haben ihr, anders als in
früheren Jahren, einen klaren Auftrag gegeben.
Sicher bleiben noch viele ungelöste Probleme. Die
Staatsverschuldung von 240% des Bruttoinlandsprodukts ist auch bei
anziehendem Wirtschaftswachstum ein Mühlstein um den japanischen
Hals. Zudem ist die Deflation nicht nur hausgemacht: Durch die enge
Verzahnung mit der billig produzierenden chinesischen Wirtschaft
dürfte zumindest vorerst weiter Druck auf den Preisen in Japan
bleiben.
Wie geht es weiter? Der breite Aktienmarkt, gemessen am Topix, ist
bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 für 2013 schon teurer als der
globale Durchschnitt von 12 und damit schon recht weit gelaufen. Der
Yen ist dagegen nach Kaufkraftparität noch immer zwischen 10% und 20%
überbewertet. Für die Weltwirtschaft wird ein reinflationiertes Japan
nicht ohne Auswirkungen sein. Deutsche Unternehmen müssen sich bei
Automobilen und Maschinen auf mehr Konkurrenz einstellen. Und
weltweit könnten die Inflationsrisiken steigen, wenn mit Japan ein
bislang großer 'Deflator' der Märkte ausfällt.
(Börsen-Zeitung, 16.3.2013)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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von Georg Blaha.
Frankfurt (ots) - Japan überrascht die Welt. Vor wenigen Monaten
noch als unbelehrbar, unverbesserlich und unreformierbar gescholten,
scheint sich das Land unter der Führung des neuen Premierministers
Shinzo Abe nun aus der zwei Jahrzehnte anhaltenden Lähmung und
Deflation zu befreien. Es ist nicht das erste Mal, dass Nippon einen
Ausbruchsversuch gestartet hat. Doch immer wieder blieben die
Reformbemühungen der rasch wechselnden Regierungen in Tokio und der
vor allem mit sich selbst beschäftigten Politik stecken. Japans
Aktienmarkt wies in 17 der vergangenen 25 Jahre eine Underperformance
gegenüber den anderen großen Märkten auf.
Ist diesmal alles anders? Anleger zeigen sich von den 'Abenomics',
wie das wirtschaftspolitische Programm von Abe genannt wird,
überzeugt. Der Leitindex Nikkei225 muss sich im weltweiten Vergleich
nicht mehr verstecken, bei 12561 Yen erreichte er den höchsten Stand
seit September 2008. Auch wenn die Rally reif für eine Pause ist,
spricht momentan vieles dafür, dass die Abenomics Erfolg haben
werden, Japan zu moderater Inflation und zu neuem Wachstum zu
verhelfen.
Der wesentliche Treiber ist die Aussicht auf eine drastisch
gelockerte Geldpolitik, die schon beim Wahlkampf Ende 2012 eine
wesentliche Rolle spielte, aus dem die von Abe geleitete
Liberaldemokratische Partei (LDP) als Sieger hervorging. Am Freitag
winkte das japanische Parlament die von der LDP gewünschte neue
Führungsspitze der Zentralbank durch. Nun führt Haruhiko Kuroda, ein
altgedienter Notenbanker und bislang Chef der Asiatischen
Entwicklungsbank, mit den Stellvertretern Kikuo Iwata und Hiroshi
Nakaso die Geschäfte der Bank of Japan (BoJ). Am Devisenmarkt wurde
die Berufung Kurodas im Laufe der beendeten Handelswoche mit einem
neuen Dreieinhalbjahrestief des Yen bei 96,7 je Dollar quittiert. Zur
europäischen Einheitswährung notiert der Yen bei 126 je Euro in
Reichweite eines Dreijahrestiefs. Kuroda will die für 2014 geplanten
unlimitierten Anleihekäufe schon auf dieses Jahr vorziehen und peilt
ein auf 2% verdoppeltes Inflationsziel an.
Die Märkte spielen bei den Abenomics mit, aber wie sieht es in der
Realwirtschaft aus? Auch dort gibt es Anzeichen, dass mit steigenden
Preisen gerechnet wird. Die Ausgaben der Privathaushalte sind im
Januar überraschend stark angestiegen, nachdem sie im Dezember trotz
der Familienfeiern zum Jahresende gefallen waren. Auch das
Verbrauchervertrauen ist gemäß staatlichen Daten gestiegen.
Bedeutender ist jedoch das Verhalten der Unternehmen: Jüngst haben
zwei Supermarktketten ihren Angestellten medienwirksam das erste Mal
seit vier, fünf Jahren eine deutliche Erhöhung von Löhnen und
Zusatzleistungen in Aussicht gestellt. Die Einzelhändler sind große
Arbeitgeber im Niedriglohnbereich. Auch von den Exportfirmen, die vom
billigen Yen mit gestiegener Wettbewerbsfähigkeit profitieren, werden
Lohnerhöhungen erwartet. Die Firmen wurden nicht von sich aus tätig,
es bedurfte freundlicher Ermahnungen von Japans Finanzminister Taro
Aso. Eine wirtschaftspolitisch saubere Trennung von Markt und Staat
ist das nicht gerade, doch in Japan funktioniert der Appell, das
nationale Interesse über das eigene zu stellen, bisweilen.
Das Ziel von Premier Abe scheint es zu sein, die Geldpolitik mit
anderen Bereichen der Wirtschaft zu verzahnen. Die Wahrscheinlichkeit
ist hoch, dass Abe dieses Kunststück gelingt; die LDP, die Japan von
1955 bis 2009 fast ununterbrochen regierte, beherrscht die Klaviatur
der Macht nahezu perfekt und die Wähler haben ihr, anders als in
früheren Jahren, einen klaren Auftrag gegeben.
Sicher bleiben noch viele ungelöste Probleme. Die
Staatsverschuldung von 240% des Bruttoinlandsprodukts ist auch bei
anziehendem Wirtschaftswachstum ein Mühlstein um den japanischen
Hals. Zudem ist die Deflation nicht nur hausgemacht: Durch die enge
Verzahnung mit der billig produzierenden chinesischen Wirtschaft
dürfte zumindest vorerst weiter Druck auf den Preisen in Japan
bleiben.
Wie geht es weiter? Der breite Aktienmarkt, gemessen am Topix, ist
bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 für 2013 schon teurer als der
globale Durchschnitt von 12 und damit schon recht weit gelaufen. Der
Yen ist dagegen nach Kaufkraftparität noch immer zwischen 10% und 20%
überbewertet. Für die Weltwirtschaft wird ein reinflationiertes Japan
nicht ohne Auswirkungen sein. Deutsche Unternehmen müssen sich bei
Automobilen und Maschinen auf mehr Konkurrenz einstellen. Und
weltweit könnten die Inflationsrisiken steigen, wenn mit Japan ein
bislang großer 'Deflator' der Märkte ausfällt.
(Börsen-Zeitung, 16.3.2013)
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