Börsen-Zeitung: Neue Normalität gesucht, Börsenkommentar 'Marktplatz',
von Georg Blaha.
Frankfurt (ots) - Eine steigende Welle von Liquidität' sehen
einige Analysten auf die Finanzmärkte der Schwellenländer zukommen.
Daten des Analysehauses EPFR Global belegen diese Einschätzungen:
Fonds auf Aktien und Anleihen der Emerging Markets verzeichnen seit
September steigende Zuflüsse. Ursprung bzw. Ursache des Geldstroms,
der in das Anlagesegment der Schwellenländer fließt, ist die lockere
Geldpolitik der großen Zentralbanken der westlichen Industriestaaten,
der Federal Reserve (Fed) in den USA und der Europäischen Zentralbank
(EZB) in Europa. Es sieht nach einer Wette aus, die man als Investor
nur gewinnen kann. Mit dem Assetkaufprogramm 'Quantitative Easing 3'
hat die Fed, anders als in früheren geldpolitischen Lockerungsrunden,
die Geldschleusen auf unbestimmte Zeit geöffnet. Die EZB wiederum
setzt nicht nur ihre lockere Geldpolitik fort - von einem 'Exit'
dieser Maßnahmen ist schon lange keine Rede mehr -, sie hat durch ihr
'Outright Monetary Transactions' (OMT) genanntes Bondkaufprogramm die
Risiken eines Zerfalls der Eurozone vorerst gebannt.
Angesichts der Null- und Niedrigzinspolitik in den westlichen
Industrieländern sucht das billige Zentralbankgeld nun höher
rentierliche Anlagemöglichkeiten. Die Aktien- und Anleihemärkte der
Emerging Markets und mit Einschränkungen auch die Währungen dieser
Staaten profitieren auf den ersten Blick von den Zuströmen. Die
höheren Wachstumsraten der jeweiligen Volkswirtschaften sowie die
höheren Zinsniveaus erleichtern die Anlageentscheidung. Analysten
bemühen in ihren Studien Vergleiche mit den Effekten, die
'Quantitative Easing' 2009 und 2010 auf die Märkte der
Schwellenländer hatten.
Doch es gibt zu diesen früheren Phasen einen entscheidenden
Unterschied: Das globale Wirtschaftswachstum lässt nach. Als der
Internationale Währungsfonds (IWF) Anfang der beendeten Handelswoche
seine Schätzung für das Wachstum in Asien bekannt gab, reagierten die
Aktienmärkte weltweit mit Verlusten: 2013 soll die Region nur noch um
4% wachsen, während es im laufenden Jahr laut IWF noch 5,7% sind. Die
Eurozone dürfte weiter in der Rezession feststecken und auch die USA
kommen nicht richtig in die Gänge.
Die globalen Finanzmärkte zeigen angesichts der gestiegenen
Risikofreude und den gleichzeitig gesunkenen Wachstumsperspektiven
ein paradoxes Bild. Für die Aktienmärkte der Schwellenländer ergeben
sich zwei Szenarien: Im ersten halten die Zuflüsse nicht zuletzt
mangels anderer Anlagealternativen an, die Bewertungen des Marktes
legen weiter zu, und es bildet sich früher oder später eine Blase.
Schon jetzt sind einige Märkte recht ambitioniert bewertet. Während
der MSCI World Index laut Bloomberg-Daten ein Kurs-Gewinn-Verhältnis
(KGV) von 15,6 aufweist, liegen einige Schwellenländermärkte teils
deutlich darüber. In Brasilien liegt das KGV bei 18,8, in Mexiko sind
es 19,6, in Ungarn 21,9, in Indonesien 19,3 und in Indien 16,6.
Die Bewertungen legen nahe, dass schon viele gute Nachrichten
global wie lokal eingepreist sind. Blick man nach vorn, sind die
Aussichten auf neue, positive Impulse eher dürftig. Zudem ist der
Spielraum der Zentralbanken in den Emerging Markets, die Märkte lokal
mit geldpolitischen Stimuli zu versorgen, aufgrund der höheren
Inflationsniveaus eingeschränkt, mitunter wird, wie etwa in Mexiko,
eher über eine Erhöhung der Leitraten diskutiert. Sollte es zu einer
Blasenbildung in den Schwellenländermärkten kommen und die Blase
schließlich platzen, wäre dies mit Verwerfungen verbunden, die das
ohnehin fragile Risikosentiment weltweit erschüttern würden.
Doch es muss nicht so weit kommen. In dem zweiten Szenario für die
Emerging Markets würden sich die Märkte rechtzeitig selbst
korrigieren: Unter Rückschlägen ginge es schrittweise, wenn auch
etwas langsamer wieder aufwärts, sobald die globale Konjunktur wieder
Tritt fasst. Ein langsameres Wachstum für Wirtschaft und Finanzmärkte
wurde 2009 als 'Neue Normalität' von den Anlagestrategen des
Rentenspezialisten Pimco herumgereicht. Von einer langsameren, aber
nachhaltigeren 'Normalität' für die Schwellenländer dürften vor allem
langfristige Investoren profitieren.
Möglicherweise muss man bei den Emerging Markets aber vorerst
weiterhin mit einer wie auch immer gearteten 'Boom and Bust'-Realität
leben. Dafür sind die Regierungen der Schwellenländer nur zum Teil
verantwortlich, die tiefere Ursache bleibt die Politik der
Notenbanken in den westlichen Staaten, die noch immer die Folgen
ihrer jeweiligen Schuldenkrisen bekämpfen.
(Börsen-Zeitung, 13.10.2012)
Originaltext: Börsen-Zeitung
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von Georg Blaha.
Frankfurt (ots) - Eine steigende Welle von Liquidität' sehen
einige Analysten auf die Finanzmärkte der Schwellenländer zukommen.
Daten des Analysehauses EPFR Global belegen diese Einschätzungen:
Fonds auf Aktien und Anleihen der Emerging Markets verzeichnen seit
September steigende Zuflüsse. Ursprung bzw. Ursache des Geldstroms,
der in das Anlagesegment der Schwellenländer fließt, ist die lockere
Geldpolitik der großen Zentralbanken der westlichen Industriestaaten,
der Federal Reserve (Fed) in den USA und der Europäischen Zentralbank
(EZB) in Europa. Es sieht nach einer Wette aus, die man als Investor
nur gewinnen kann. Mit dem Assetkaufprogramm 'Quantitative Easing 3'
hat die Fed, anders als in früheren geldpolitischen Lockerungsrunden,
die Geldschleusen auf unbestimmte Zeit geöffnet. Die EZB wiederum
setzt nicht nur ihre lockere Geldpolitik fort - von einem 'Exit'
dieser Maßnahmen ist schon lange keine Rede mehr -, sie hat durch ihr
'Outright Monetary Transactions' (OMT) genanntes Bondkaufprogramm die
Risiken eines Zerfalls der Eurozone vorerst gebannt.
Angesichts der Null- und Niedrigzinspolitik in den westlichen
Industrieländern sucht das billige Zentralbankgeld nun höher
rentierliche Anlagemöglichkeiten. Die Aktien- und Anleihemärkte der
Emerging Markets und mit Einschränkungen auch die Währungen dieser
Staaten profitieren auf den ersten Blick von den Zuströmen. Die
höheren Wachstumsraten der jeweiligen Volkswirtschaften sowie die
höheren Zinsniveaus erleichtern die Anlageentscheidung. Analysten
bemühen in ihren Studien Vergleiche mit den Effekten, die
'Quantitative Easing' 2009 und 2010 auf die Märkte der
Schwellenländer hatten.
Doch es gibt zu diesen früheren Phasen einen entscheidenden
Unterschied: Das globale Wirtschaftswachstum lässt nach. Als der
Internationale Währungsfonds (IWF) Anfang der beendeten Handelswoche
seine Schätzung für das Wachstum in Asien bekannt gab, reagierten die
Aktienmärkte weltweit mit Verlusten: 2013 soll die Region nur noch um
4% wachsen, während es im laufenden Jahr laut IWF noch 5,7% sind. Die
Eurozone dürfte weiter in der Rezession feststecken und auch die USA
kommen nicht richtig in die Gänge.
Die globalen Finanzmärkte zeigen angesichts der gestiegenen
Risikofreude und den gleichzeitig gesunkenen Wachstumsperspektiven
ein paradoxes Bild. Für die Aktienmärkte der Schwellenländer ergeben
sich zwei Szenarien: Im ersten halten die Zuflüsse nicht zuletzt
mangels anderer Anlagealternativen an, die Bewertungen des Marktes
legen weiter zu, und es bildet sich früher oder später eine Blase.
Schon jetzt sind einige Märkte recht ambitioniert bewertet. Während
der MSCI World Index laut Bloomberg-Daten ein Kurs-Gewinn-Verhältnis
(KGV) von 15,6 aufweist, liegen einige Schwellenländermärkte teils
deutlich darüber. In Brasilien liegt das KGV bei 18,8, in Mexiko sind
es 19,6, in Ungarn 21,9, in Indonesien 19,3 und in Indien 16,6.
Die Bewertungen legen nahe, dass schon viele gute Nachrichten
global wie lokal eingepreist sind. Blick man nach vorn, sind die
Aussichten auf neue, positive Impulse eher dürftig. Zudem ist der
Spielraum der Zentralbanken in den Emerging Markets, die Märkte lokal
mit geldpolitischen Stimuli zu versorgen, aufgrund der höheren
Inflationsniveaus eingeschränkt, mitunter wird, wie etwa in Mexiko,
eher über eine Erhöhung der Leitraten diskutiert. Sollte es zu einer
Blasenbildung in den Schwellenländermärkten kommen und die Blase
schließlich platzen, wäre dies mit Verwerfungen verbunden, die das
ohnehin fragile Risikosentiment weltweit erschüttern würden.
Doch es muss nicht so weit kommen. In dem zweiten Szenario für die
Emerging Markets würden sich die Märkte rechtzeitig selbst
korrigieren: Unter Rückschlägen ginge es schrittweise, wenn auch
etwas langsamer wieder aufwärts, sobald die globale Konjunktur wieder
Tritt fasst. Ein langsameres Wachstum für Wirtschaft und Finanzmärkte
wurde 2009 als 'Neue Normalität' von den Anlagestrategen des
Rentenspezialisten Pimco herumgereicht. Von einer langsameren, aber
nachhaltigeren 'Normalität' für die Schwellenländer dürften vor allem
langfristige Investoren profitieren.
Möglicherweise muss man bei den Emerging Markets aber vorerst
weiterhin mit einer wie auch immer gearteten 'Boom and Bust'-Realität
leben. Dafür sind die Regierungen der Schwellenländer nur zum Teil
verantwortlich, die tiefere Ursache bleibt die Politik der
Notenbanken in den westlichen Staaten, die noch immer die Folgen
ihrer jeweiligen Schuldenkrisen bekämpfen.
(Börsen-Zeitung, 13.10.2012)
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