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BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die von Polen, Ungarn und der Slowakei eigenständig aufrechterhaltenen Einfuhrbeschränkungen von ukrainischem Getreide sind nach Ansicht von Bundesagrarminister Cem Özdemir wohl nicht mit EU-Recht vereinbar. Er sehe keinen Anlass für solche Maßnahmen, sagte der Grünen-Politiker am Montag vor einem Treffen mit seinen EU-Kolleginnen und -kollegen in Brüssel. "Ich sehe auch nicht, wie das mit EU-Recht in Übereinstimmung zu bringen ist", ergänzte er. Nach seinen Informationen nehme der Markt das ukrainische Getreide gut auf.
Bis Freitag hatte eine Regelung der EU-Kommission es den östlichen EU-Mitgliedern Ungarn, Polen, Slowakei, Rumänien und Bulgarien erlaubt, den freien Handel mit Produkten wie Weizen, Mais, Raps oder Sonnenblumen aus der Ukraine auf ihren Märkten zu beschränken. Diese war am Freitag jedoch ausgelaufen. Die Kommission hatte sich damit gegen Forderungen aus EU-Staaten wie Polen und Ungarn gestellt, die eine Verlängerung gefordert hatten.
Als Reaktion hatten die beiden Staaten und die Slowakei angekündigt, die Maßnahmen auch ohne Zustimmung Brüssels aufrechtzuerhalten. Begründet wird dies damit, einheimische Landwirte vor zu großer Konkurrenz durch deutlich gestiegene Einfuhren aus der Ukraine zu schützen. "Das ist eine Part-Time-Solidarity" (Teilzeitsolidarität), kritisierte Özdemir. Der einzige, dem das helfe, sei der russische Präsident Wladimir Putin. "Der reibt sich die Hände."
Aus der CDU gibt es Kritik am Vorgehen des deutschen Ministers: "Es wäre die Aufgabe von Minister Özdemir gewesen, in diesem brodelnden und lang bekannten politischen Konflikt mit Warschau vorab zu verhandeln", sagte Albert Stegemann, ernährungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Ähnlich wie Özdemir sieht auch sein spanischer Ministerkollege das VoRgehen der drei östlichen EU-Staaten. Einseitige Maßnahmen, die den Zugang zum Binnenmarkt einschränkten, erschienen ihm nicht durch das Recht gedeckt zu sein, sagte Luis Planas. Spanien hat derzeit den halbjährlich wechselnden Vorsitz unter den EU-Staaten inne. Auch Frankreichs Agrarminister Marc Fesneau äußerte Bedauern über die einseitig ergriffenen Maßnahmen. "Dies ist nicht das erste Mal, und es stellt den Binnenmarkt und den gemeinsamen Markt zutiefst infrage", sagte er.
Sowohl Özdemir als auch Planas betonten dabei, es sei Sache der EU-Kommission, die Frage zu beurteilen, ob sie im Vorgehen der drei östlichen EU-Staaten einen Rechtsbruch sieht. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, die Behörde analysiere die Maßnahmen der drei EU-Staaten derzeit. Theoretisch kann die Kommission bei einem Rechtsverstoß ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren einleiten, was mit einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof und einer Geldstrafe enden kann.
Die EU-Kommission betonte stets - auch diesen Montag erneut: Handelspolitik sei eine ausschließliche EU-Zuständigkeit. "Daher müssen alle Maßnahmen auf EU-Ebene getroffen werden", so eine Sprecherin der Kommission. Aber zu diesem Zeitpunkt "können wir nichts zu den konkreten Verboten sagen".
Medienberichten zufolge erwägt auch die Ukraine rechtliche Schritte gegen das Vorgehen Ungarns, Polens und der Slowakei. "Es ist wichtig zu beweisen, dass diese Maßnahmen rechtlich falsch sind", sagte der für Handel zuständige ukrainische Vize-Wirtschaftsminister Taras Katschka dem Nachrichtenportal "Politico". Geplant diesem und anderen Medienberichten zufolge eine Klage vor der Welthandelsorganisation (WTO). Ob das der Ukraine kurzfristig hilft, ist aber fraglich - denn solche Verfahren können viel Zeit in Anspruch nehmen.