KARLSRUHE (dpa-AFX) - Im Streit um Aufklärungspflichten von Immobilienverkäufern etwa über mögliche Sanierungskosten will der Bundesgerichtshof (BGH) am Freitag (9.00 Uhr) eine Entscheidung verkünden. Bei der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe Ende Juni hatte sich angedeutet, dass auf die Verkäufer strengere Vorgaben zukommen könnten. Konkret geht es um einen Fall aus Hannover. Nach Einschätzung des Immobilienverbands Deutschland IVD ist die Entscheidung aber generell für alle Ankaufsuntersuchungen relevant.
Das Oberlandesgericht Celle hatte die Verantwortung vor allem bei der Käuferin gesehen. Das hinterfragte der fünfte Zivilsenat am BGH jedoch. Die Vorsitzende Richterin Bettina Brückner sagte, zwar sei grundsätzlich jeder selbst verantwortlich, sich nötige Informationen zu beschaffen. Details dazu seien aber zu prüfen. Womöglich muss das Gericht in Celle auch nochmal dazu verhandeln. (Az. V ZR 77/22)
Eine Firma hatte mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex - dem Ihme-Zentrum im Stadtteil Linden - für mehr als 1,5 Millionen Euro gekauft. Sie fühlt sich arglistig getäuscht, weil sie zu spät erfahren habe, dass hohe Kosten für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums auf sie zukommen könnten.
Die Verkäuferin hatte das Protokoll zu einer wichtigen Eigentümerversammlung drei Tage vor Vertragsabschluss in einen digitalen Datenraum gestellt. Aus Sicht der Klägerin geschah das "klammheimlich" und wurde ihr somit "untergeschoben".
Für die Arbeiten waren bis zu 50 Millionen Euro angesetzt worden. Weil die Mehrheitseignerin nicht zahlen wollte, landete der Fall vor Gericht. Das Verfahren endete Anfang 2020 mit einem Vergleich, nach dem die Eigentümer der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage zahlen sollten. Daraufhin focht die Klägerin den Kaufvertrag an.
In diesem hatte die Verkäuferin unter anderem versichert, dass mit einer Ausnahme keine Sonderumlagen beschlossen worden seien. Weiter hieß es darin, die Verkäuferin habe der Käuferin Protokolle der Eigentümerversammlungen der vergangenen drei Jahre übergeben, und die Käuferin kenne den Inhalt der Unterlagen.
Der BGH-Anwalt der Verkäuferin sagte, die Käuferin habe den Vertragstext elf Tage vor Unterzeichnung gekannt. Wenn sie dann keine Nachfragen stelle, sei das "strammes Verschulden gegen sich selbst". Der Käufer müsse sorgfältig schauen, welche Informationen er braucht und hat. Der BGH-Anwalt der Käuferin war der Ansicht, der Verkäufer müsse in einem Datenraum von vornherein ein umfassendes Bild vermitteln. Wenn etwas nachgeschoben wird, müsse er darauf hinweisen.
Der BGH dürfte sich dazu äußern, welche Perspektive richtig ist. Auch könnte es laut Brückner einen Unterschied machen, ob die Unterlagen als Sachverständigengutachten gedacht sind, in denen man gezielt nach Mängeln sucht, oder zu Finanzierungsfragen an eine Bank gehen sollen.
Laut dem Immobilienverband IVD findet eine Ankaufsuntersuchung - auch Due-Diligence-Prüfung genannt - praktisch immer statt. "Jeder Käufer prüft vor einem Kauf, ob das Objekt den Erwartungen entspricht", hatte der stellvertretende IVD-Bundesgeschäftsführer, Christian Osthus, damals erklärt. In der Regel erfolge das nicht organisiert oder über Dritte. "Das ist tatsächlich nur bei größeren Transaktionen der Fall oder wenn es der Gepflogenheit des Käufers entspricht.