LINGEN (dpa-AFX) - Auch nach dem Abschalten des Atomkraftwerks in Lingen will die örtliche Anti-Atombürgerinitiative ihren Einsatz gegen die Kernkraftwirtschaft fortsetzen. Es sei widersinnig, dass in der Brennelementefabrik in Lingen künftig mit russischer Beteiligung Kernbrennstäbe für osteuropäische Atomkraftwerke hergestellt werden sollen, sagte Alexander Vent vom Bündnis Atomkraftgegner_innen im Emsland (AgiEL) am Freitag. Vom niedersächsischen Umwelt- und Energieminister Christian Meyer (Grüne) erwarte er, dass er sich gemeinsam mit der Bundesregierung gegen das französisch-russische Atomprojekt einsetze.
Die Brennelementefabrik gehört einem Tochterunternehmen des französischen Framatome-Konzerns. Eine Schließung auch dieses Unternehmens ist nach derzeitigem Recht nicht möglich. Framatome und der russische Staatskonzern Rosatom haben ein Joint Venture zur Produktion von Brennstäben für osteuropäische Kernkraftwerke gegründet, die in Lingen produziert werden sollen.
Bislang gebe es auf EU-Ebene keine Sanktionen für russisches Uran, obwohl es dort auf dem Weltmarkt mit Kanada, USA, Australien und vielen anderen Staaten Alternativen gäbe, teilte das niedersächsische Umweltministerium am Freitag mit. Auch Minister Meyer spreche sich für ein Ende der Brennelementeherstellung in Lingen aus.
"Das Thema ist hier in Lingen noch lange nicht durch", sagte Vent. Es sei eine Fehlannahme, zu denken, jetzt sei Schluss mit Atomenergie in Lingen. Der in einem Castorlager gesammelte Atommüll aus dem Kernkraftwerk Lingen befinde sich noch auf dem Kraftwerksgelände. "Da sind bis jetzt schon über 50 Castoren eingelagert mit hoch radioaktivem Abfall." In dem Atomkraftwerk seien auch noch etliche Brennelemente, die so weit abkühlen müssten, dass sie in Castorbehälter verpackt werden können.
Wegen der verzögerten Endlagersuche in Deutschland könnte es bis zum Jahr 2100 dauern, bis der letzte Castor mit hoch radioaktivem Müll aus Lingen verschwunden sein werde. "Das sind noch mindestens zwei Generationen, die sich mit diesem Problem befassen müssen", sagte Vent.
Das nördliche Emsland gehört auch zu den Regionen, für die eine mögliche Endlagerstätte für Atommüll geprüft werden soll. Hier haben sich schon erste Bürgerinitiativen dagegen gegründet. "Für uns ist es tatsächlich primär nicht wichtig, wo dieses Dauerlager dann entstehen wird", sagte Vent dazu. Am wichtigsten sei es, dass es das nach allen Erkenntnissen sicherste Lager sein werde. Wenn das nördliche Emsland der allersicherste Standort sein sollte, wäre es sehr fahrlässig, den Atommüll im zweit- oder drittsichersten Lager unterzubringen. "Wenn dem so wäre, müsste man diese Kröte auch noch schlucken", sagte Vent. Die Region habe jahrzehntelang von der Atomkraft profitiert und müsste dann auch mit den Hinterlassenschaften klarkommen.
Für Samstag haben Bürgerinitiativen zu einem Demonstrationszug zwischen Brennelementefabrik und Kernkraftwerk aufgerufen. Dazu werden rund 500 Teilnehmer und Teilnehmerinnen erwartet. Am Samstag soll das Atomkraftwerk Emsland endgültig abgeschaltet werden.