FRANKFURT (dpa-AFX) - Weniger Arbeit in besonderen Lebenssituationen für fast das gleiche Geld: Im Konflikt um tariflich verkürzte Arbeitszeiten für junge Eltern, pflegende Angehörige und Beschäftigte in Weiterbildung will die IG Metall einen teilweisen Lohnausgleich erreichen. Die von den Arbeitgebern zu zahlenden Ausgleichsgelder müssten zudem vom Staat steuerfrei und teilweise abgabenfrei gestellt werden, erklärte der Zweite Vorsitzende der größten deutschen Gewerkschaft, Jörg Hofmann, am Dienstag bei einer Betriebsrätekonferenz in Frankfurt.
Die Gewerkschaft rechnet mit hartem Widerstand der Arbeitgeber gegen die Pläne. "Den Teillohnausgleich müssen wir erkämpfen und erstreiten. Das wissen wir", sagte Hofmann ein halbes Jahr vor Beginn der Tarifverhandlungen für den größten deutschen Industriezweig Metall und Elektro mit rund 3,7 Millionen Beschäftigten.
Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander bezeichnete die vorgeschlagene Reduzierung der Arbeitszeit mit Lohnausgleich als "völlig unrealistisch". Die Betriebe der Branche seien bei der Gewährung flexibler Arbeitszeiten besonders engagiert, wie der "Unternehmensmonitor Familie" des IW Köln zeige. Danach böten 77 Prozent der Betriebe individuelle Arbeitszeiten und 67 Prozent verfügten über flexible Tages- und Wochenarbeitszeiten. Nach einer repräsentativen Allensbach-Umfrage hätten 75 Prozent aller Mitarbeiter überhaupt keine Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
IG-Metall-Chef Detlef Wetzel verlangte die gesellschaftliche Definition für ein neues Normalarbeitsverhältnis. Es müsse bessere Rahmenbedingungen für lebenslagengerechte Arbeitszeit beinhalten und den Beschäftigten Freiräume und Wahloptionen eröffnen, ohne sie von der beruflichen Entwicklung abzukoppeln. Nach wie vor sei es um die Balance zwischen Arbeit und Leben in Deutschland schlecht bestellt, stellte Wetzel fest. Flexibilität in der Arbeitswelt werde allzu häufig als Einbahnstraße zugunsten der Unternehmen verstanden.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte der Gewerkschaft ihre Unterstützung zu. Beim Recht auf Teilzeit habe man vergessen, den Betroffenen einen Rechtsanspruch auf die Rückkehr in Vollzeit mitzugeben. Zahlreiche Beschäftigte wünschten sich eine Beschäftigung irgendwo zwischen 30 Stunden und den heutigen Vollzeitgrenzen. Teilzeitbeschäftigte mit 20 oder weniger Stunden machten die Erfahrung, dass sie von Weiterbildungen ausgeschlossen würden und in ihren Betrieben geringere Karrierechancen hätten.
Mit dem vor 30 Jahren erstreikten Einstieg in die 35-Stunden-Woche hatte die Gewerkschaft gleichzeitig flexiblere Arbeitszeiten akzeptiert. Die nahezu unveränderten realen Arbeitszeiten heute zeigten, dass die gelebte 35-Stunden-Woche im Alltag für viele keine Rolle spiele, sagte Hofmann. Statt der angestrebten täglichen Verkürzung reagierten viele Betriebe mit Arbeitszeitkonten, ausgezahlten Überstunden, Freischichten oder dem früheren Arbeitsende am Freitag.gf