FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - (Korrigiert wurde der dritte Satz des fünften Absatzes: Die Beispiele für geschlossene Investment- und Universalbanken waren nicht korrekt.)
26.Oktober 2012. Die Debatte über eine Aufsplittung der Universalbanken ist nach Ansicht Martin Hüfners überflüssig. Statt einer Systementscheidung gelte es, die Strukturprobleme zu lösen.
Neue Baustelle für die Banken: Dass es der Kreditwirtschaft schlecht geht, weiß jeder. Gewinne sind nicht mehr so hoch. Sparer fürchten um die Sicherheit ihrer Einlagen. Steuerzahler haben Angst, bei notleidenden Instituten einspringen zu müssen.
In den vergangenen Jahren wurde viel getan, die Banken zu stärken. Sie haben ihr Eigenkapital kräftig erhöht und ihre Liquiditätsvorsorge verbessert (Basel III). Jetzt werden weitere Reformen gefordert. Unter anderem sollen die Banken zerschlagen werden in Institute, die nur das Kredit- und Einlagengeschäft betreiben und solche, die sich auf das Investment Banking spezialisieren. Würde das helfen?
Die Diskussion über diese Frage ist ein alter Hut. In der Weltwirtschaftskrise des vorherigen Jahrhunderts zogen die Regierungen aus dem Zusammenbruch des Finanzsystems zwei unterschiedliche Schlussfolgerungen. In den USA setzten sich die Interventionisten durch und führten das Trennbanksystem ein. Das 'normale' Bankgeschäft mit Krediten und Einlagen wurde von dem, mit größeren Risiken verbundenen, Wertpapiergeschäft abgetrennt. Auf diese Weise sollten die Einlagen der Bürger geschützt werden.
In Kontinentaleuropa siegten dagegen die Vertreter einer marktkonformeren Lösung. Die Fronten verliefen damit umgekehrt zu den heutigen wirtschaftspolitischen Grundhaltungen in Amerika (eher marktorientiert) und Europa (eher interventionistisch). Die Banken durften das Kredit- und Einlagengeschäft wie vorher unter einem Dach mit dem Wertpapiergeschäft betreiben. Damit sollten sie in ihrer Ertragsfähigkeit gestärkt und in Krisen widerstandsfähiger werden. Man ging davon aus, dass sich die Gewinnschwankungen in den einzelnen Sparten gegenseitig ausgleichen würden (was allerdings vor allem in Krisen nicht immer der Fall war).
In den achtzig Jahren, seit es die beiden Systeme nun gibt, sind kaum neue Erkenntnisse hinzugekommen. Beide Systeme haben funktioniert. Sie haben der Wirtschaft ordentliche Leistungen erbracht und waren im Großen und Ganzen stabil. In beiden Systemen gab es aber Pleiten, in denen der Staat eingreifen musste. In der letzten großen Krise mussten sowohl Investmentbanken als auch Universalbanken schließen.
Es ist also müßig, über Universalbanken kontra Trennbanken zu streiten. Man kann das Bankensystem so oder so organisieren. Dass der eine Weg (Universalbank) weniger dirigistisch ist als der andere, ist eher ein Formalargument.
Wichtig ist freilich: Erstens muss sich die Politik für einen Weg entscheiden. Sie sollte nicht immer wieder neue Vorschläge auf den Tisch legen. Sonst können die Banken nicht langfristig planen.
Zweitens sollten besonders riskante Geschäfte (zum Beispiel Handel der Banken auf eigene Rechnung, Kredite an Hedge-Fonds) vom normalen Bankgeschäft getrennt sein. In diese Richtung gehen auch die Vorschläge etwa des Liikanen-Berichts für die EU, der Vickers-Kommission für Großbritannien und der Volcker-Rule für die USA. Damit rennt man freilich offene Türen ein. Viele Banken haben diese Geschäfte in den letzten Jahren schon deutlich reduziert.
Wichtiger als die Frage Universalbank- versus Trennbanksystem ist, dass endlich die großen Strukturfragen des Kreditwesens - vor allem in Deutschland - in Angriff genommen werden:
Der monetäre Überbau der Volkswirtschaft sollte wieder mehr in Einklang mit den Gegebenheiten der Wirtschaft gebracht werden. Das ist das sogenannte 'Deleveraging'. Die Grafik zeigt, wie weit sich der monetäre Sektor in den letzten Jahren von der Wirtschaft entfernt hat und wie wenig seit der Schulden¬krise geschehen ist, um das zu korrigieren. Freilich ist hier auch die Flutung der Banken mit Liquidität durch die Zentralbank schuld.
Das Geschäft mit Privatkunden sollte wieder stärker an den Bedürfnissen der Menschen und weniger an Kosten- und Ertragsstrukturen der Anbieter orientiert werden. Die Unzufriedenheit der Kunden ist groß. Industrie und Versicherungen sind den Banken bei der Kundenorientierung und Kundenakzeptanz weit voraus. Dass Dispokredite nach wie vor mehr als 10 Prozent kosten (und sich die Banken gleichzeitig über die mangelnde Profitabilität ihres Privatkundengeschäfts beklagen) kann keiner verstehen.
Die Landesbanken in Deutschland müssten neu aufgestellt werden. Sie sind in ihrer gegenwärtigen Form überflüssig. Länder brauchen keine eigenen Kreditinstitute, außer vielleicht Förderbanken. Sparkassen brauchen keine Girozentralen, jedenfalls nicht mehr so viele wie jetzt. Das hohe Kreditvolumen der Landesbanken könnten auch andere über-nehmen.
Für den Anleger
In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat der da¬malige Sprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, die Banken die 'Stahlindustrie des kommenden Jahrzehnts' genannt. Er meinte damit, dass sie sich gesundschrumpfen und neu aufstellen müssten. Das ist bisher praktisch nicht geschehen. Es wird aber kommen. Seien Sie daher vorsichtig und selektiv bei Anlagen im Finanzsektor. Es ist insgesamt ein schrumpfender Bereich. Nur wenige Institute werden am Ende Gewinner sein. Vieles ist in den heutigen Kursen bereits enthalten, es wird aber noch Überraschungen geben.
Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.
© 24. Oktober 2012 /Martin Hüfner
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'.
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
26.Oktober 2012. Die Debatte über eine Aufsplittung der Universalbanken ist nach Ansicht Martin Hüfners überflüssig. Statt einer Systementscheidung gelte es, die Strukturprobleme zu lösen.
Neue Baustelle für die Banken: Dass es der Kreditwirtschaft schlecht geht, weiß jeder. Gewinne sind nicht mehr so hoch. Sparer fürchten um die Sicherheit ihrer Einlagen. Steuerzahler haben Angst, bei notleidenden Instituten einspringen zu müssen.
In den vergangenen Jahren wurde viel getan, die Banken zu stärken. Sie haben ihr Eigenkapital kräftig erhöht und ihre Liquiditätsvorsorge verbessert (Basel III). Jetzt werden weitere Reformen gefordert. Unter anderem sollen die Banken zerschlagen werden in Institute, die nur das Kredit- und Einlagengeschäft betreiben und solche, die sich auf das Investment Banking spezialisieren. Würde das helfen?
Die Diskussion über diese Frage ist ein alter Hut. In der Weltwirtschaftskrise des vorherigen Jahrhunderts zogen die Regierungen aus dem Zusammenbruch des Finanzsystems zwei unterschiedliche Schlussfolgerungen. In den USA setzten sich die Interventionisten durch und führten das Trennbanksystem ein. Das 'normale' Bankgeschäft mit Krediten und Einlagen wurde von dem, mit größeren Risiken verbundenen, Wertpapiergeschäft abgetrennt. Auf diese Weise sollten die Einlagen der Bürger geschützt werden.
In Kontinentaleuropa siegten dagegen die Vertreter einer marktkonformeren Lösung. Die Fronten verliefen damit umgekehrt zu den heutigen wirtschaftspolitischen Grundhaltungen in Amerika (eher marktorientiert) und Europa (eher interventionistisch). Die Banken durften das Kredit- und Einlagengeschäft wie vorher unter einem Dach mit dem Wertpapiergeschäft betreiben. Damit sollten sie in ihrer Ertragsfähigkeit gestärkt und in Krisen widerstandsfähiger werden. Man ging davon aus, dass sich die Gewinnschwankungen in den einzelnen Sparten gegenseitig ausgleichen würden (was allerdings vor allem in Krisen nicht immer der Fall war).
In den achtzig Jahren, seit es die beiden Systeme nun gibt, sind kaum neue Erkenntnisse hinzugekommen. Beide Systeme haben funktioniert. Sie haben der Wirtschaft ordentliche Leistungen erbracht und waren im Großen und Ganzen stabil. In beiden Systemen gab es aber Pleiten, in denen der Staat eingreifen musste. In der letzten großen Krise mussten sowohl Investmentbanken als auch Universalbanken schließen.
Es ist also müßig, über Universalbanken kontra Trennbanken zu streiten. Man kann das Bankensystem so oder so organisieren. Dass der eine Weg (Universalbank) weniger dirigistisch ist als der andere, ist eher ein Formalargument.
Wichtig ist freilich: Erstens muss sich die Politik für einen Weg entscheiden. Sie sollte nicht immer wieder neue Vorschläge auf den Tisch legen. Sonst können die Banken nicht langfristig planen.
Zweitens sollten besonders riskante Geschäfte (zum Beispiel Handel der Banken auf eigene Rechnung, Kredite an Hedge-Fonds) vom normalen Bankgeschäft getrennt sein. In diese Richtung gehen auch die Vorschläge etwa des Liikanen-Berichts für die EU, der Vickers-Kommission für Großbritannien und der Volcker-Rule für die USA. Damit rennt man freilich offene Türen ein. Viele Banken haben diese Geschäfte in den letzten Jahren schon deutlich reduziert.
Wichtiger als die Frage Universalbank- versus Trennbanksystem ist, dass endlich die großen Strukturfragen des Kreditwesens - vor allem in Deutschland - in Angriff genommen werden:
Der monetäre Überbau der Volkswirtschaft sollte wieder mehr in Einklang mit den Gegebenheiten der Wirtschaft gebracht werden. Das ist das sogenannte 'Deleveraging'. Die Grafik zeigt, wie weit sich der monetäre Sektor in den letzten Jahren von der Wirtschaft entfernt hat und wie wenig seit der Schulden¬krise geschehen ist, um das zu korrigieren. Freilich ist hier auch die Flutung der Banken mit Liquidität durch die Zentralbank schuld.
Das Geschäft mit Privatkunden sollte wieder stärker an den Bedürfnissen der Menschen und weniger an Kosten- und Ertragsstrukturen der Anbieter orientiert werden. Die Unzufriedenheit der Kunden ist groß. Industrie und Versicherungen sind den Banken bei der Kundenorientierung und Kundenakzeptanz weit voraus. Dass Dispokredite nach wie vor mehr als 10 Prozent kosten (und sich die Banken gleichzeitig über die mangelnde Profitabilität ihres Privatkundengeschäfts beklagen) kann keiner verstehen.
Die Landesbanken in Deutschland müssten neu aufgestellt werden. Sie sind in ihrer gegenwärtigen Form überflüssig. Länder brauchen keine eigenen Kreditinstitute, außer vielleicht Förderbanken. Sparkassen brauchen keine Girozentralen, jedenfalls nicht mehr so viele wie jetzt. Das hohe Kreditvolumen der Landesbanken könnten auch andere über-nehmen.
Für den Anleger
In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat der da¬malige Sprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, die Banken die 'Stahlindustrie des kommenden Jahrzehnts' genannt. Er meinte damit, dass sie sich gesundschrumpfen und neu aufstellen müssten. Das ist bisher praktisch nicht geschehen. Es wird aber kommen. Seien Sie daher vorsichtig und selektiv bei Anlagen im Finanzsektor. Es ist insgesamt ein schrumpfender Bereich. Nur wenige Institute werden am Ende Gewinner sein. Vieles ist in den heutigen Kursen bereits enthalten, es wird aber noch Überraschungen geben.
Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.
© 24. Oktober 2012 /Martin Hüfner
Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'.
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