- von Babak Dehghanpisheh
Teheran (Reuters) - Die Türkei hat bei einem Gipfeltreffen mit Russland und dem Iran den drohenden Angriff auf die Rebellenhochburg Idlib in Syrien nicht abwenden können.
Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte am Freitag in Teheran bei der Syrien-Konferenz zwar vor einem Massaker durch einen Angriff auf Idlib und forderte einen Waffenstillstand. Dem widersprach Russlands Präsident Wladimir Putin jedoch sofort: Syriens Präsident Baschar al Assad müsse die Hoheit über sein ganzes Land zurückgewinnen, mit der islamistischen Nusra-Front und dem Islamischen Staat (IS) werde nicht verhandelt. Wie Putin forderte auch Irans Präsident Hassan Ruhani die Vertreibung aller Extremisten aus ganz Syrien. In Syrien setzten Regierungstruppen und ihre Verbündeten Angriffe auf Rebellen in der an die Türkei grenzenden Provinz Idlib fort.
Bei der Syrien-Konferenz verständigten sich alle drei Staatsoberhäupter auf eine Stellungnahme, in der zwar die Vertreibung der Nusra-Front und des IS sowie die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Syriens gefordert wird. Mit Blick auf Idlib heißt es in dem Papier aber nur, man werde versuchen, Wege zu finden, die Situation zu lösen. Eine Folgekonferenz in Moskau wurde vereinbart.
ERDOGAN WILL TÜRKEI FÜR WEITERE FLÜCHTLINGE SPERREN
Durch einen Angriff werde der politische Prozess für eine Lösung in dem 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieg kollabieren, warnte Erdogan. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass der Status von Idlib als Deeskalationszone erhalten bleibe. Es müsse eine Lösung gefunden werden, die allen Interessen gerecht werde. Millionen Menschen würden versuchen, aus Idlib in die Türkei zu fliehen. Die Aufnahmekapazitäten seines Landes seien aber erschöpft. Sein Land werde deshalb Maßnahmen gegen den weiteren Zuzug von Flüchtlingen ergreifen.
"Der Kampf gegen Terroristen in Idlib ist ein unverzichtbarer Teil des Einsatzes für die Rückkehr von Frieden und Stabilität in Syrien", sagte Ruhani und erteilte damit ebenso wie Putin dem türkischen Präsidenten eine Abfuhr. Putin erklärte, er hoffe, die Rebellen in Idlib würden so vernünftig sein, die Waffen niederzulegen.
Nach Angaben einer oppositionellen Gruppierung wurden auch am Freitag Luftangriffe auf Idlib fortgesetzt. Im Süden der Region im Nordwesten Syriens seien mehrere Angriffe erfolgt, nachdem es in der Nacht ruhig geblieben sei, teilte die Syrische Beobachtungsgruppe für Menschenrechte mit. Auch in den Tagen zuvor kam es nach Angaben von Regierungsgegnern in der Provinz zu Luftangriffen. Schon seit Wochen zieht die syrische Armee Kräfte an den Provinzgrenzen zusammen.
In Washington erklärte der Sonderberater für Syrien im US-Außenministerium, Jim Jeffrey, es lägen zahlreiche Hinweise vor, dass die Truppen Assads einen Chemiewaffeneinsatz vorbereiteten.
Die USA hatten am Dienstag die Regierung in Damaskus vor dem Einsatz von C-Waffen gewarnt. Dem schloss sich am Donnerstag Frankreich an. Wie Erdogan lehnten auch die USA die gewaltsame Eroberung von Idlib ab: Jede Offensive sei eine "leichtsinnige Eskalation", sagte Jeffrey.
Laut UN wird Idlib von rund 10.000 Milizionären gehalten. Die meistem von ihnen haben sich islamistischen Gruppierungen angeschlossen. Die Türkei unterstützt in Idlib Gruppen, die sich zur Allianz (DE:ALVG) Nationale Befreiungsfront zusammengeschlossen haben. Zu diesem Bündnis gehört nicht Al-Nusra oder der IS. Allerdings sind die einzelnen Gruppierungen untereinander zerstritten. Nach UN-Angaben leben in Idlib drei Millionen Menschen, darunter eineinhalb Millionen Binnenflüchtlinge, die vor den Assad-Truppen in den Nordwesten ausgewichen sind. Die Vereinten Nationen haben wiederholt vor einer humanitären Katastrophe gewarnt, sollte es zum Sturm auf die Provinz kommen.
TÜRKEI UND IRAN KRITISIEREN USA
Sowohl die Türkei als auch der Iran kritisierten die Politik der USA in Syrien. Ruhani forderte den Rückzug aller US-Truppen. Erdogan erklärte, er sei sehr verärgert über die Unterstützung von "Terroristen" durch die USA. Gleichzeitig betonte er, die Türkei werde in der Grenzregion präsent bleiben. Die Türkei hat an der eigenen Landesgrenze gelegene syrische Landstriche besetzt. Erdogan will damit die in der Region lebenden kurdischen Milizen zurückdrängen.
Der türkische Präsident fürchtet, die in Syrien aktiven Kurden könnten auf Autonomie bedachte Kurden in der Türkei unterstützen. Die USA haben sich bei ihrem Kampf gegen den IS in Syrien vor allem auf kurdische Milizen gestützt und unterhalten in deren Gebieten Stützpunkte. Damit würde das türkische Militär Konfrontationen mit den USA riskieren, sollten sie die Angriffe auf kurdische Milizen in Syrien fortsetzen. Eine Lösung der Interessensgegensätze zwischen den USA und der Türkei wird zudem durch Verstimmungen im bilateralen Verhältnis erschwert.