Investing.com – Der Sinkflug des EUR/USD schreitet ungebremst voran. Das Währungspaar hat die magische Marke von 1,0000 getestet, während die Anleger den Dollar als sicheren Hafen anlaufen.
Der Euro-Dollar wird von den weltweiten Rezessionsängsten belastet. Hinzu kommt die zunehmende Divergenz zwischen der Politik der Fed, die die Zinsen schnell anhebt, und der EZB, die eher zögerlich agiert.
Russische Gaskrise belastet EUR/USD
Die Energiekrise in Europa spitzt sich zu, denn es besteht die Gefahr, dass Russland die Gasversorgung des Kontinents vollständig unterbricht. Dies war in den letzten Tagen ebenfalls ein wichtiger bärischer Faktor für den EUR/USD.
Es sei daran erinnert, dass im Moment die Gashähne in Russland komplett zugedreht sind. Dies ist auf die jährliche Wartung der Nord-Stream-Pipeline zurückzuführen. Sie soll am 21. Juli abgeschlossen werden.
Europäische Politiker befürchten indes, dass der Hahn nicht wieder geöffnet wird.
„Wir sollten uns auf eine vollständige Unterbrechung des russischen Gasflusses vorbereiten; das ist heute die wahrscheinlichste Option“, sagte der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire am Sonntag.
Letzte Woche hatte auch der deutsche Bundeskanzler Scholz die russische Version infrage gestellt, wonach eine fehlende Turbine für den Rückgang der Gaslieferungen verantwortlich war.
„Niemand glaubt an technische Probleme als Erklärung für Versorgungsengpässe“, sagte er.
Sollte dies tatsächlich eintreten, sind sich die Ökonomen einig, dass dies für jede Industrie, die auf billige Energie angewiesen ist, katastrophal und ein schwerer Schlag für die europäischen Portfolios wäre. Außerdem würde es die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in Europa enorm erhöhen und den Druck auf den Euro verstärken.
Die Banken gehen davon aus, dass der EUR/USD deutlich unter die Parität fallen wird.
Obwohl die Parität für den EUR/USD die wichtigste psychologische Schwelle ist und die Händler noch an ihr festhalten, sind viele Analysten der Ansicht, dass der Absturz noch nicht vorbei ist.
MUFG Research sagte zum Beispiel, dass sie ihre bärische Meinung für den EUR/USD von den aktuellen Kursen aus beibehalten und ein Ziel von 0,9760 anpeilen.
„Wir erwarten, dass der Abwärtstrend des Euro bestehen bleibt. Die Schwäche des Euro könnte sich sogar noch beschleunigen, wenn der EUR/USD unter die Parität gerät. Damit würde sich die Tür für einen Handel zwischen 0,9500 und 1,0000 öffnen“, merkt MUFG an.
ING (AS:INGA) sieht seinerseits die Möglichkeit einer Bewegung des EUR/USD in Richtung 0,98/0,95 in den nächsten Wochen.
„In dem Moment, wo wir das hier zu Papier bringen, ist der EUR/USD bereits in Reichweite der Parität. Die stagflationären Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sind in Europa viel stärker zu spüren als in Nordamerika. Daher wirken die kurzfristigen Zinsdifferenzen weiterhin gegen den EUR/USD, ebenso wie das Risikoumfeld, in dem Aktien einen weiteren Rückgang um 10 % erleben könnten“, stellt ING fest.
„Auf der Grundlage der jüngsten Korrelationen würden ein 10-prozentiger Rückgang der Aktien und eine Ausweitung der Spreads um 25 Basispunkte in diesem Sommer den EUR/USD in der Nähe der 0,98 platzieren. Eine Ausweitung der Spreads um 50 Basispunkte, wenn die Fed aggressiver agieren oder die Falken in der EZB nachgeben würden, wäre 0,95 wert.“
Zu guter Letzt gab die Bank Goldman Sachs (NYSE:GS) bekannt, dass sie ihre Wachstumsprognose für die Eurozone für 2023 gesenkt hat. In diesem Zusammenhang rechnet sie mit der Möglichkeit, dass der EUR/USD-Kurs auf 0,96 fallen könnte.
„Sollte der Markt unser Szenario eines starken Rückgangs tatsächlich bestätigen, könnte dies den EUR/USD um weitere 5 Prozent nach unten drücken“, stellt GS fest.
„Insgesamt sind die Risiken in den nächsten Wochen nach unten gerichtet, insbesondere nach der Veröffentlichung des US-Arbeitsmarktberichts. Dieser dürfte die Fed auf ihrem Kurs der geldpolitischen Straffung halten und die Angst vor einer bevorstehenden Rezession in den USA etwas verringern“, fügte die Bank hinzu.