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WDH/GESAMT-ROUNDUP/Merkel und Sarkozy: Lösung des Euro-Streits bis Mittwoch

Veröffentlicht am 20.10.2011, 21:58
BERLIN/ATHEN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die EU soll spätestens am nächsten Mittwoch die neuen Regeln für den Ausbau des Euro-Rettungsschirms EFSF verabschieden. Auf diesen Zeitplan haben sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Donnerstag bei einem Telefonat verständigt. Wie der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mitteilte, wollen beide bei einem Treffen am Samstagabend in Brüssel vor dem Europäischen Rat und dem Euro-Gipfel am Sonntag einen neuen Anlauf zur Lösung des Konflikts nehmen.

Deutschland und Frankreich hätten sich 'darauf verständigt, dass das gesamte umfassende und ehrgeizige Maßnahmenpaket auf dem Gipfel am Sonntag im Einzelnen geprüft wird, damit die Staats- und Regierungschefs es bei einem zweiten Treffen spätestens Mittwoch beschließen könnten', erklärte Seibert. Merkel und Sarkozy seien sich 'vollkommen einig, eine umfassende und ehrgeizige Antwort auf die Krise zu geben, die die Eurozone im Moment durchlebt'.

Die Antwort werde unter anderem die operative Umsetzung der neuen Eingriffsmodalitäten des EFSF sowie einen Plan zur Stärkung der Kapitalausstattung der europäischen Banken umfassen. Hinzu komme die Einsetzung einer wirtschaftspolitischen Koordinierung der Eurozone und die Stärkung der wirtschaftlichen Integration, erklärte Seibert.

'BEI REGEL-ERARBEITUNG ERHEBLICH VORANGEKOMMEN'

Vor Journalisten sagte Seibert, Deutschland und seine europäischen Partner seien schon erheblich bei der Erarbeitung der neuen Regeln vorangekommen, 'aber noch nicht genügend, um am Sonntag schon abschließende Entscheidungen treffen zu können'. Merkel habe mit Sarkozy und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy telefoniert. Alle Seiten seien sich einig, dass Europa jetzt 'gründliche, und bis in die Einzelheiten geprüfte Maßnahmen' brauche. Deshalb habe man sich auf das zweistufige Gipfel-Verfahren verständigt. Dies stelle auch sicher, dass die für die Bundesregierung unverzichtbare angemessene Beteiligung des Bundestages gewährleistet werde.

Merkel muss in der Frage eines sogenannten Hebels zur Ausweitung der Schlagkraft des EFSF auch Rücksicht auf die deutsche Gesetzeslage nehmen: Der Haushaltsausschuss muss grünes Licht für die Rettungsschirm-Leitlinien geben.

Zuvor war der Zeitplan für den Ausbau des Rettungsschirms ganz offensichtlich wegen Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich ins Stocken geraten. Seibert widersprach aber Darstellungen, Merkel habe sich bei der Unterrichtung der Oppositions-Fraktionschefs im Bundestag darüber beklagt, dass sich Sarkozy bei den Verhandlungen keinen Millimeter bewegt habe. Das sei 'schlicht falsch'. Gerade zwischen Deutschland und Frankreich bestehe 'Übereinstimmung in wesentlichen Punkten'.

BÖRSE QUITTIERT HICKHACK MIT VERKÄUFEN

Die ohnehin nervösen Anleger an den Aktien- und Finanzmärkten quittierten das Hickhack mit Verkäufen: An der Frankfurter Börse gab es kräftige Kursabschläge, auch die Wall Street war im Minus.

Merkel, Sarkozy und die Spitzen von Europäischer Union und Europäischer Zentralbank hatten am Mittwochabend erfolglos in einer kurzfristig angesetzten Krisenrunde in Frankfurt nach Kompromissen gesucht. Wie die Nachrichtenagentur dpa aus verschiedenen Quellen erfuhr, sperrte sich Sarkozy gegen jeden Vorschlag Merkels. Die Kanzlerin sagte ihre für diesen Freitag geplante Regierungserklärung nach diesen Informationen deshalb ab.

Zentraler Streitpunkt ist der Hebel für den EFSF. Mit einem solchen Mechanismus könnte die Finanz- und Schlagkraft des Fonds tatsächlich deutlich erhöht werden: Nach dem derzeit diskutierten Modell würde der Fonds nur einen Teil frischer Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder versichern, aber nicht zu 100 Prozent garantieren. Davon könnten Länder mit angeschlagenem Ruf wie Spanien und Italien profitieren, denn die Botschaft der Hebel-Lösung wäre: Der Fonds ist auch stark genug für große Volkswirtschaften.

EIN HEBEL ALS 'TEILKASKO-VERSICHERUNG'

Der Rettungsschirm ohne Hebel könnte demnächst 440 Milliarden Euro an Notkrediten bereitstellen. Mit Hilfe des Hebels - einer Art Teilkasko-Versicherung - könnte das Nothilfe-Volumen deutlich steigen: Würde ein Teil - zum Beispiel 30 Prozent - der Anleihen versichert, könnte das Vertrauen zusätzlicher Geldgeber gewonnen werden. Die französische Regierung strebte dem Vernehmen nach zuletzt weiter eine Banklizenz für den EFSF an sowie höhere Finanzierungshilfen über die Europäische Zentralbank (EZB).

Bei dem Gipfel wird auch um das zweite Griechenland-Hilfspaket und die Stärkung kapitalschwacher Banken gerungen. Auch der Privatsektor soll nach dem Willen von Merkel und Sarkozy einbezogen werden.

Die griechische Regierung setzt große Hoffnung auf den Brüsseler Verhandlungsmarathon, den die Euro-Finanzminister am Freitag eröffnen. Das akut von der Pleite bedrohte Land kann auf die nächste Hilfszahlung von acht Milliarden Euro hoffen. Allerdings müssen EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) den am Donnerstag bekanntgewordenen Bericht der Finanzkontrolleure noch abnicken.

PROTESTE IN ATHEN SCHLAGEN IN GEWALT UM

In Athen schlugen erneut friedliche Proteste in Gewalt um. Bei Krawallen in der Innenstadt kam ein Demonstrant ums Leben, wie ein Krankenhaus bekanntgab. Griechenland hat nach Einschätzung der internationalen Finanzkontrolleure immerhin seine Hausaufgaben gemacht: In dem aktuellen 'Troika'-Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur dpa vorlag, heißt es, das Spar- und Reformprogramm komme voran. Es geht um die inzwischen sechste Kredittranche von acht Milliarden Euro.

Um Staaten während der Sanierung - wie Griechenland, Portugal und Irland - nicht noch tiefer in die Krise zu treiben, will die EU-Kommission Ratingagenturen notfalls verbieten, Urteile über deren Kreditwürdigkeit zu veröffentlichen. Je schlechter die Bonitäts-Bewertungen, desto höher gehen die Zinsen für Anleihen von hochverschuldeten Staaten. Davon unbeeindruckt stufte die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) die Kreditwürdigkeit des Euro-Landes Slowenien herab./DP/ck

--- Von Jörg Blank, Martin Romanczyk und Matthias Armborst, dpa ---

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