BERLIN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Entscheidende Stunden im Kampf gegen die Schulden- und Bankenkrise: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und der Eurozone kommen am Mittwoch erneut in Brüssel zusammen, um den Weg für ein umfassendes Maßnahmenpaket zu ebnen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekam schon vor dem zweiten Gipfeltreffen binnen vier Tagen einen Vertrauensbeweis des Bundestages.
Union, FDP, SPD und Grüne wollen an diesem Mittwoch im Bundestag einen gemeinsamen Entschließungsantrag verabschieden. Dieser soll Merkel den Rücken stärken. Er zeigt ihr aber auch Grenzen bei den Verhandlungen auf.
BERLUSCONI KÄMPFT UMS POLITISCHES ÜBERLEBEN
In Italien kämpft Premier Silvio Berlusconi angesichts der wachsenden Kritik an seiner Wirtschaftspolitik ums politische Überleben. In Griechenland will die sozialistische Regierung von Giorgos Papandreou die Konservativen, die sich bisher verweigern, zur Kooperation beim unpopulären Reformkurs zwingen und droht mit Neuwahlen.
Der Bundestag stimmt am Mittwoch nach einer Regierungserklärung Merkels darüber ab, ob der Euro-Rettungsfonds mit einer Schlagkraft von mehr als einer Billion Euro ausgestattet wird. Eine breite Mehrheit galt am Vorabend als sehr wahrscheinlich, zumal aus der Opposition deutliche Signale der Zustimmung kamen. Die Koalition rechnete auch mit einer eigenen Mehrheit. Ob es allerdings zur symbolisch wichtigen Kanzlermehrheit reicht, war offen.
MERKEL: BESCHREITEN NEULAND
Merkel machte am Dienstag noch einmal klar, wie schwierig es sei, derzeit die richtigen Entscheidungen zu treffen. 'Wir bewegen uns hier in einem Gebiet, in dem wir alle miteinander Neuland beschreiten', sagte sie in Berlin. Bei den Verhandlungen in Brüssel sei sie ihrem Amtseid verpflichtet, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. 'Das muss die Leitlinie meiner Verhandlung sein.'
Vor dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Mittwoch in Brüssel wird es kein Treffen der EU-Finanzminister geben. Das berichteten Diplomaten am Dienstag in der EU-Hauptstadt. Ein Treffen der Kassenhüter war ins Auge gefasst worden, allerdings hatte es keine offizielle Einladung dazu gegeben. Auch die Euro-Finanzminister werden sich nicht treffen. Sie hätten ihr Programm bereits abgearbeitet, hieß es.
GIPFELRUNDE WILL NICHT NUR DEN RETTUNGSCHRIM WEITER AUFSPANNEN
Die Gipfelrunde will nicht nur den Rettungsschirm weiter aufspannen, sondern auch das wirtschaftliche Überleben Griechenlands sichern. Europas Banken sollen auf einen harten Schuldenschnitt des Pleite bedrohten Landes vorbereitet werden - notfalls mit staatlichem Zwang und Kapital.
Schon seit dem Wochenende streiten Banken und Euro-Staaten über die Höhe des Forderungsverzichts. Diplomaten in Brüssel gingen davon aus, dass mit Ergebnissen erst beim Gipfel zu rechnen sei. Diesen Informationen zufolge sind die Banken zu einem Schuldenschnitt von 40 Prozent bereit, die Euro-Gruppe will 50 bis 60 Prozent.
ZWEI OPTIONEN FÜR EFSF
Für die Stärkung des Rettungsfonds EFSF liegen zwei Optionen auf dem Tisch: eine Teilabsicherung neuer Anleihen aus Risikoländern und ein Kreditsondertopf unter Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Eine Variante sieht eine Teilabsicherung neuer Anleihen aus Risikoländern wie Spanien und Italien vor. Das funktioniert ähnlich wie eine Teilkaskoversicherung: Im Pleite-Fall bekommt der Geldgeber zumindest einen Teil garantiert zurück.
Die zweite Variante dreht sich um einen Kredit-Sondertopf des Internationalen Währungsfonds (IWF). Auch eine Kombination beider Varianten sei möglich, heißt es darin. Derzeit kann der Fonds maximal 440 Milliarden Euro Notkredite verleihen.
EINIGUNG AUF GEMEINSAME BUNDESTAGS-RESOLUTION
Die Parlamentarischen Geschäftsführer von Union, FDP, SPD und Grünen einigten sich auf einen Entwurf für eine gemeinsame Bundestags-Resolution zum Euro-Rettungsschirm EFSF. Darüber müssten aber noch die Fraktionen abstimmen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, am Dienstag in Berlin.
Die SPD wollte ihr Abstimmungsverhalten zum EFSF bis unmittelbar vor der Debatte im Bundestag offenhalten. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin signalisierte Zustimmung.
EURO-SKEPTIKER WOLLEN ERNEUT MIT NEIN STIMMEN
Die Euro-Skeptiker in der Regierungskoalition machten deutlich, erneut nicht zustimmen zu wollen. 'Die Bedenken der Kritiker sind nicht ausgeräumt, sondern haben sich eher bestätigt', sagte der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach der Nachrichtenagentur dpa .
Bei der ersten Abstimmung über die Ausweitung des Rettungsschirms am 29. September hatten Union und FDP zusammen 315 Ja-Stimmen und damit klar die Kanzlermehrheit erreicht. Schwarz-Gelb hat im Bundestag 330 Sitze, die Opposition 290. Insgesamt gehören 620 Abgeordnete dem Parlament an, die Kanzlermehrheit liegt also bei 311 Stimmen.
Unterdessen bringt die Euro-Schuldenkrise die Regierungen in Italien und Griechenland zunehmend in Bedrängnis.
EU POCHT WEITER AUF REFORM-ZUSAGEN
Vor dem Sondergipfel pochte die EU weiter auf schriftliche Reform-Zusagen Italiens. Premier Berlusconi habe zugesagt, Maßnahmen für mehr Wachstums vorzulegen, wie eine Sprecherin der EU-Kommission sagte.
Berlusconi wies nach einer Krisensitzung seines Kabinetts am Montagabend jede Kritik an seinem Kurs zurück. Allerdings blieb das Treffen ohne Ergebnisse. Eine Rentenreform anzuschieben, scheiterte am Widerstand des Koalitionspartners Lega Nord. Italienische Medien spekulierten erneut über ein baldiges Ende der Regierung Berlusconi.
Begleitet von erneuten Streiks kündigte die griechische Regierung an, für Entscheidungen über weitere Sparmaßnahmen die Opposition ins Boot zu holen. Finanzminister Evangelos Venizelos will das neue Rettungspaket von einer Drei-Fünftel-Mehrheit statt der eigentlich erforderlichen einfachen Mehrheit im Parlament billigen lassen. Um die notwendigen 180 der 300 Stimmen erreichen, müssen Abgeordnete der Opposition zustimmen - beispielsweise von der mit 85 Sitzen starken Fraktion der konservativen Nea Dimokratia, die sich bisher dem Reformkurs verweigert.
/rom/DP/jsl
Union, FDP, SPD und Grüne wollen an diesem Mittwoch im Bundestag einen gemeinsamen Entschließungsantrag verabschieden. Dieser soll Merkel den Rücken stärken. Er zeigt ihr aber auch Grenzen bei den Verhandlungen auf.
BERLUSCONI KÄMPFT UMS POLITISCHES ÜBERLEBEN
In Italien kämpft Premier Silvio Berlusconi angesichts der wachsenden Kritik an seiner Wirtschaftspolitik ums politische Überleben. In Griechenland will die sozialistische Regierung von Giorgos Papandreou die Konservativen, die sich bisher verweigern, zur Kooperation beim unpopulären Reformkurs zwingen und droht mit Neuwahlen.
Der Bundestag stimmt am Mittwoch nach einer Regierungserklärung Merkels darüber ab, ob der Euro-Rettungsfonds mit einer Schlagkraft von mehr als einer Billion Euro ausgestattet wird. Eine breite Mehrheit galt am Vorabend als sehr wahrscheinlich, zumal aus der Opposition deutliche Signale der Zustimmung kamen. Die Koalition rechnete auch mit einer eigenen Mehrheit. Ob es allerdings zur symbolisch wichtigen Kanzlermehrheit reicht, war offen.
MERKEL: BESCHREITEN NEULAND
Merkel machte am Dienstag noch einmal klar, wie schwierig es sei, derzeit die richtigen Entscheidungen zu treffen. 'Wir bewegen uns hier in einem Gebiet, in dem wir alle miteinander Neuland beschreiten', sagte sie in Berlin. Bei den Verhandlungen in Brüssel sei sie ihrem Amtseid verpflichtet, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. 'Das muss die Leitlinie meiner Verhandlung sein.'
Vor dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Mittwoch in Brüssel wird es kein Treffen der EU-Finanzminister geben. Das berichteten Diplomaten am Dienstag in der EU-Hauptstadt. Ein Treffen der Kassenhüter war ins Auge gefasst worden, allerdings hatte es keine offizielle Einladung dazu gegeben. Auch die Euro-Finanzminister werden sich nicht treffen. Sie hätten ihr Programm bereits abgearbeitet, hieß es.
GIPFELRUNDE WILL NICHT NUR DEN RETTUNGSCHRIM WEITER AUFSPANNEN
Die Gipfelrunde will nicht nur den Rettungsschirm weiter aufspannen, sondern auch das wirtschaftliche Überleben Griechenlands sichern. Europas Banken sollen auf einen harten Schuldenschnitt des Pleite bedrohten Landes vorbereitet werden - notfalls mit staatlichem Zwang und Kapital.
Schon seit dem Wochenende streiten Banken und Euro-Staaten über die Höhe des Forderungsverzichts. Diplomaten in Brüssel gingen davon aus, dass mit Ergebnissen erst beim Gipfel zu rechnen sei. Diesen Informationen zufolge sind die Banken zu einem Schuldenschnitt von 40 Prozent bereit, die Euro-Gruppe will 50 bis 60 Prozent.
ZWEI OPTIONEN FÜR EFSF
Für die Stärkung des Rettungsfonds EFSF liegen zwei Optionen auf dem Tisch: eine Teilabsicherung neuer Anleihen aus Risikoländern und ein Kreditsondertopf unter Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Eine Variante sieht eine Teilabsicherung neuer Anleihen aus Risikoländern wie Spanien und Italien vor. Das funktioniert ähnlich wie eine Teilkaskoversicherung: Im Pleite-Fall bekommt der Geldgeber zumindest einen Teil garantiert zurück.
Die zweite Variante dreht sich um einen Kredit-Sondertopf des Internationalen Währungsfonds (IWF). Auch eine Kombination beider Varianten sei möglich, heißt es darin. Derzeit kann der Fonds maximal 440 Milliarden Euro Notkredite verleihen.
EINIGUNG AUF GEMEINSAME BUNDESTAGS-RESOLUTION
Die Parlamentarischen Geschäftsführer von Union, FDP, SPD und Grünen einigten sich auf einen Entwurf für eine gemeinsame Bundestags-Resolution zum Euro-Rettungsschirm EFSF. Darüber müssten aber noch die Fraktionen abstimmen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, am Dienstag in Berlin.
Die SPD wollte ihr Abstimmungsverhalten zum EFSF bis unmittelbar vor der Debatte im Bundestag offenhalten. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin signalisierte Zustimmung.
EURO-SKEPTIKER WOLLEN ERNEUT MIT NEIN STIMMEN
Die Euro-Skeptiker in der Regierungskoalition machten deutlich, erneut nicht zustimmen zu wollen. 'Die Bedenken der Kritiker sind nicht ausgeräumt, sondern haben sich eher bestätigt', sagte der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach der Nachrichtenagentur dpa .
Bei der ersten Abstimmung über die Ausweitung des Rettungsschirms am 29. September hatten Union und FDP zusammen 315 Ja-Stimmen und damit klar die Kanzlermehrheit erreicht. Schwarz-Gelb hat im Bundestag 330 Sitze, die Opposition 290. Insgesamt gehören 620 Abgeordnete dem Parlament an, die Kanzlermehrheit liegt also bei 311 Stimmen.
Unterdessen bringt die Euro-Schuldenkrise die Regierungen in Italien und Griechenland zunehmend in Bedrängnis.
EU POCHT WEITER AUF REFORM-ZUSAGEN
Vor dem Sondergipfel pochte die EU weiter auf schriftliche Reform-Zusagen Italiens. Premier Berlusconi habe zugesagt, Maßnahmen für mehr Wachstums vorzulegen, wie eine Sprecherin der EU-Kommission sagte.
Berlusconi wies nach einer Krisensitzung seines Kabinetts am Montagabend jede Kritik an seinem Kurs zurück. Allerdings blieb das Treffen ohne Ergebnisse. Eine Rentenreform anzuschieben, scheiterte am Widerstand des Koalitionspartners Lega Nord. Italienische Medien spekulierten erneut über ein baldiges Ende der Regierung Berlusconi.
Begleitet von erneuten Streiks kündigte die griechische Regierung an, für Entscheidungen über weitere Sparmaßnahmen die Opposition ins Boot zu holen. Finanzminister Evangelos Venizelos will das neue Rettungspaket von einer Drei-Fünftel-Mehrheit statt der eigentlich erforderlichen einfachen Mehrheit im Parlament billigen lassen. Um die notwendigen 180 der 300 Stimmen erreichen, müssen Abgeordnete der Opposition zustimmen - beispielsweise von der mit 85 Sitzen starken Fraktion der konservativen Nea Dimokratia, die sich bisher dem Reformkurs verweigert.
/rom/DP/jsl