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Veröffentlicht am 14.01.2012, 17:50
APA ots news: 'Die Presse am Sonntag' - Leitartikel: Die Ratingagenturen und die Beschwichtiger, von Christian Ultsch

Ausgabe vom 15.1.2012

Wien (APA-ots) - Es hilft nicht viel, den Überbringer der Nachricht zu

prügeln. Frankreich hat nicht nur die höchste Bonitätsnote verloren,

sondern auch Einfluss in der EU. Das Gewicht verschiebt sich Richtung

Berlin.

Nach der Zeugnisverteilung waren die Beschwichtiger, Trostspender und

empörten Realitätsverweigerer am Wort. Die schlechteren Noten seien

ungerechtfertigt, verlautete in waldorfpädagogischem Einklang aus den

Staatskanzleien zwischen Wien, Paris und Rom. In der harten

Beurteilung seien weder die allenthalben eingeleiteten Reformen

gebührend gewürdigt worden noch die jüngste Entspannung an den

Anleihenmärkten.

Die Schuld suchten die Regierenden erwartungsgemäß nicht bei sich

selbst und den von ihnen aufgetürmten Schulden, sondern bei den

anderen, in erster Linie beim Überbringer der unerquicklichen

Nachricht. Ewald Nowotny, der Gouverneur der Oesterreichischen

Nationalbank, unterstellte der US-Ratingagentur Standard & Poor's

kaum verhohlen politische Absichten. Er führte den Seitenhieb nicht

aus. Doch es schwang die beliebte Vorstellung mit, dass da draußen

jenseits des Atlantiks eine böse Macht sei, die sich gegen Europa

verschworen habe.

'Es sind nicht die Ratingagenturen, die Frankreichs Politik

diktieren', gab der französische Finanzminister Baroin trotzig zu

Protokoll. Das kann man sich ausgiebig einreden. Aber natürlich

müssen Staaten politisch darauf reagieren, wenn sie für ihre Schulden

höhere Zinsen zahlen. Und dazu waren Frankreich und auch Österreich

gezwungen, bevor ihnen Standard & Poor's das dritte A nahm. De facto

waren sie im Vergleich zu Deutschland schon vor dem Downgrading

heruntergestuft. Diese Wirklichkeit hat nun einer der drei

Ratingriesen in Großbuchstaben gegossen. Die anderen zwei, Moody's

und Fitch, sehen noch nicht so schwarz und führen Österreich und

Frankreich noch als Triple-A-Länder; auch das kann sich rasch ändern.

Welche finanziellen Folgen der - teilweise - Bonitätsverlust hat,

wird sich bei den nächsten Auktionen von Staatsanleihen zeigen.

Frankreich könnte sich dabei zum Totengräber der Eurozone entwickeln.

Denn Paris ist nach Berlin wichtigster Bürge für den

Euro-Rettungsschirm. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn nach

Frankreich ausgerechnet jener Fonds heruntergestuft würde, mit dem

die EU den Euro vor dem Absaufen bewahren will. Zu verhindern wird

das möglicherweise nur sein, wenn Deutschland, Europas letzter

Triple-A-Gigant, Geld zuschießt.

Berlin wird dafür einen Preis verlangen. Schon jetzt schwingt die

deutsche Kanzlerin Merkel in der Eurokrise den Dirigentenstab.

Frankreichs Präsident Sarkozy durfte zuletzt nur noch ihre Noten

umblättern und hin und wieder die große Pauke schlagen. Ihn könnte

der Verlust des Top-Ratings bei der Präsidentenwahl im Frühling

entscheidend schwächen. Wobei ein Sieg der ausgabefreudigen

Sozialisten vermutlich schnell zu einem weiteren Downgrading führen

würde.

In Europa verschiebt sich jedenfalls das Gewicht zugunsten

Deutschlands, das wirtschaftlich vor Kraft strotzt. Doch das könnte

letztlich irrelevant sein, weil Europa als Folge der Eurokrise im

globalen Maßstab insgesamt an Bedeutung verliert. Ob dafür auch

Ratingagenturen verantwortlich sind?

Rückfragehinweis:

Die Presse am Sonntag

Chef v. Dienst

Tel.: (01) 514 14-445

mailto:chefvomdienst@diepresse.com

www.diepresse.com

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OTS0042 2012-01-14/17:45

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