CAMP DAVID (dpa-AFX) - Spätestens beim Elfmeterschießen hatte der Fußball die Oberhand gewonnen. Die hohe Politik wurde am Samstag in der 'Laurel Cabin' in Camp David für ein paar Minuten zur wichtigsten Nebensache der Welt. Selbst Basketball-Fan Barack Obama hielt es nicht mehr am Konferenz-Tisch, und auch der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew, der französische Präsident François Hollande und EU-Präsident Herman Van Rompuy wollten wissen, wer das Champions-League-Finale gewinnt. Der G8-Gipfel wurde kurzerhand vor den Fernseher verlegt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich schon in der zweiten Halbzeit zusammen mit dem britischen Premierminister David Cameron zwischenzeitlich in den Nebenraum verdrückt, um die Partie Bayern gegen Chelsea zu verfolgen. Cameron war nach Ende der regulären Spielzeit skeptisch, weil England im Elfmeterschießen eigentlich immer gegen Deutschland verliert. Eigentlich.
Das Champions-League-Finale war aber die einzige Partie, aus der Merkel bei dem Gipfel als Verliererin hervorging. Die Debatte über die richtigen Rezepte zur Bewältigung der Euro-Krise endete dagegen Remis. Zu einer Großoffensive von Hollande und Obama gegen Merkels Sparkurs kam es erst gar nicht. Die Diskussion in Camp David war eher ein Meinungsaustausch als ein Kräftemessen.
Die Gipfelerklärung zu den Wirtschaftsthemen enthielt Sätze, die auch Merkel problemlos unterschreiben konnte. 'Unser Ziel ist es, Wachstum und Jobs zu stärken', heißt es dort beispielsweise. Oder: Die G8-Staaten müssten 'alle notwendigen Schritte unternehmen, um unsere Volkswirtschaften zu stärken und wieder Schwung zu geben.' Zu Europa heißt es, man unterstütze den Kurs, sowohl Wachstum als auch Haushaltssanierung voranzutreiben. Letztendlich war also für jeden etwas dabei war - eine Wohlfühl-Erklärung, die jedem der acht Staats- und Regierungschefs irgendwie ins Konzept passte.
Merkel war die dienstälteste Gipfelteilnehmerin in Camp David. 2006 war sie erstmals dabei, im kommenden Jahr hat sie einen ganzen Zyklus von acht Treffen mitgemacht und selbst den Mega-Gipfel in Heiligendamm 2007 ausgerichtet. Obama führte das Treffen jetzt wieder zu seinen Ursprüngen zurück. Aus seiner Heimatstadt Chicago, wo der Nato-Gipfel stattfindet, verlegte er das Treffen relativ kurzfristig auf seinen Landsitz 100 Kilometer nördlich von Washington.
Noch nie waren so viele Staats- und Regierungschefs auf dem hermetisch abgeriegelten Gelände. Für die wenigen Mitarbeiter, die mit durften, wurde es eng. Nur die Chefs bekamen komfortable Lodges mit Kaminzimmer für sich. Zu bilateralen Gesprächen fuhr man im Golfcart vor, und als Dresscode hatte Obama 'Camp Casual' ausgegeben: Helle Stoffhose, Jackett, offenes Hemd. Der einzige, der sich zunächst nicht daran halten wollte, war der Newcomer Hollande, der zum Auftaktessen mit Krawatte erschien ('für die Presse'). Beim 'Familienfoto' der Staats- und Regierungschefs am Samstag war die Krawatte verschwunden.
Dieser G8 war wieder das, was er ganz am Anfang einmal war. 1975 waren Kanzler Helmut Schmidt und der französische Präsident Valéry Giscard D'Estaing inmitten der Ölkrise auf die Idee gekommen, die wichtigsten westlichen Industriestaaten an einen Tisch zu bringen. Ganz in Ruhe, in aller Abgeschiedenheit und ohne unmittelbaren Entscheidungsdruck, sollte über die großen weltwirtschaftlichen Fragen beraten werden. Über die Jahrzehnte wuchsen die Treffen zu Mega-Konferenzen, die Themenpalette weitete sich letztlich auf alles, was es global so zu besprechen gab.
Obama führte die G8 nun vielleicht auch deswegen zurück zu den Wurzeln, um ihr neben der G20 überhaupt noch eine Existenzberechtigung zu geben. So ganz funktionierte das diesmal allerdings nicht, ist doch vieles längst klare Domäne der G20. Ein schlagender Beweis für Sinn und Gehalt des Formats G8 war Camp David eher nicht, trotz allen augenscheinlichen Wohlgefühls./mfi/DP/ck
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich schon in der zweiten Halbzeit zusammen mit dem britischen Premierminister David Cameron zwischenzeitlich in den Nebenraum verdrückt, um die Partie Bayern gegen Chelsea zu verfolgen. Cameron war nach Ende der regulären Spielzeit skeptisch, weil England im Elfmeterschießen eigentlich immer gegen Deutschland verliert. Eigentlich.
Das Champions-League-Finale war aber die einzige Partie, aus der Merkel bei dem Gipfel als Verliererin hervorging. Die Debatte über die richtigen Rezepte zur Bewältigung der Euro-Krise endete dagegen Remis. Zu einer Großoffensive von Hollande und Obama gegen Merkels Sparkurs kam es erst gar nicht. Die Diskussion in Camp David war eher ein Meinungsaustausch als ein Kräftemessen.
Die Gipfelerklärung zu den Wirtschaftsthemen enthielt Sätze, die auch Merkel problemlos unterschreiben konnte. 'Unser Ziel ist es, Wachstum und Jobs zu stärken', heißt es dort beispielsweise. Oder: Die G8-Staaten müssten 'alle notwendigen Schritte unternehmen, um unsere Volkswirtschaften zu stärken und wieder Schwung zu geben.' Zu Europa heißt es, man unterstütze den Kurs, sowohl Wachstum als auch Haushaltssanierung voranzutreiben. Letztendlich war also für jeden etwas dabei war - eine Wohlfühl-Erklärung, die jedem der acht Staats- und Regierungschefs irgendwie ins Konzept passte.
Merkel war die dienstälteste Gipfelteilnehmerin in Camp David. 2006 war sie erstmals dabei, im kommenden Jahr hat sie einen ganzen Zyklus von acht Treffen mitgemacht und selbst den Mega-Gipfel in Heiligendamm 2007 ausgerichtet. Obama führte das Treffen jetzt wieder zu seinen Ursprüngen zurück. Aus seiner Heimatstadt Chicago, wo der Nato-Gipfel stattfindet, verlegte er das Treffen relativ kurzfristig auf seinen Landsitz 100 Kilometer nördlich von Washington.
Noch nie waren so viele Staats- und Regierungschefs auf dem hermetisch abgeriegelten Gelände. Für die wenigen Mitarbeiter, die mit durften, wurde es eng. Nur die Chefs bekamen komfortable Lodges mit Kaminzimmer für sich. Zu bilateralen Gesprächen fuhr man im Golfcart vor, und als Dresscode hatte Obama 'Camp Casual' ausgegeben: Helle Stoffhose, Jackett, offenes Hemd. Der einzige, der sich zunächst nicht daran halten wollte, war der Newcomer Hollande, der zum Auftaktessen mit Krawatte erschien ('für die Presse'). Beim 'Familienfoto' der Staats- und Regierungschefs am Samstag war die Krawatte verschwunden.
Dieser G8 war wieder das, was er ganz am Anfang einmal war. 1975 waren Kanzler Helmut Schmidt und der französische Präsident Valéry Giscard D'Estaing inmitten der Ölkrise auf die Idee gekommen, die wichtigsten westlichen Industriestaaten an einen Tisch zu bringen. Ganz in Ruhe, in aller Abgeschiedenheit und ohne unmittelbaren Entscheidungsdruck, sollte über die großen weltwirtschaftlichen Fragen beraten werden. Über die Jahrzehnte wuchsen die Treffen zu Mega-Konferenzen, die Themenpalette weitete sich letztlich auf alles, was es global so zu besprechen gab.
Obama führte die G8 nun vielleicht auch deswegen zurück zu den Wurzeln, um ihr neben der G20 überhaupt noch eine Existenzberechtigung zu geben. So ganz funktionierte das diesmal allerdings nicht, ist doch vieles längst klare Domäne der G20. Ein schlagender Beweis für Sinn und Gehalt des Formats G8 war Camp David eher nicht, trotz allen augenscheinlichen Wohlgefühls./mfi/DP/ck