WIEN (dpa-AFX) - Die Wiener Börse hat den Handel am Dienstag schwächer beendet. Dabei hatte zunächst noch alles auf eine Erholungsbewegung hingedeutet: Über weite Strecken der Sitzung lag der ATX klar im Plus. Am Nachmittag zogen dann dunkle Wolken in Form einer gestiegenen deutschen Inflation, Sorgen vor strafferen EZB-Zinserhöhungen und einer schwächelnden Wall Street auf.
Die Kursgewinne bröckelten stetig ab, die Vorzeichen drehten, und der ATX nahm ein Minus von 0,88 Prozent auf 2890,16 Punkten mit aus dem Handel. Auch der ATX Prime fiel um 0,76 Prozent auf 1464,12 Einheiten. Die Nervosität an den Märkten angesichts einer drohenden Rezession ist weiterhin hoch. Laut Aussagen von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane vom Dienstag wird sich die Konjunktur in der Eurozone voraussichtlich abschwächen. Er schließt auch eine milde, vorübergehende und technische Rezession nicht aus, sagte er in einem Interview.
Außerdem wurde am Nachmittag bekannt, dass die deutsche Inflation im August auf 7,9 Prozent angestiegen ist. Zuvor waren die Verbraucherpreise zwei Monate in Folge zurückgegangen - auf zuletzt 7,5 Prozent im Juli. "Mit Blick auf die Geldpolitik im Euroraum spielen die heutigen Daten erneut den Befürwortern einer rigorosen weiteren Straffung in die Karten", meinte LBBW-Ökonom Elmar Völker.
Bereits am Wochenende hatten sich mehrere EZB-Währungshüter auf dem Geldpolitik-Symposium der US-Notenbank in Jackson Hole für einen erneuten großen Zinsschritt im September starkgemacht. Am Geldmarkt wird inzwischen auch auf eine sehr große Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte spekuliert - eine Anhebung um 0,50 Punkte ist bereits fest in den Kursen eingerechnet. Die nächste geldpolitische Sitzung der EZB ist am 8. September.
Die Aussicht auf höhere Zinsen sorgte am Dienstag bei Bankaktien (NASDAQ:KBWB) europaweit für Aufwind, die Branche war auch in Wien stark gesucht, musste aber einen Teil der Verlaufsgewinne wieder abgeben. Erste Group (VIE:ERST) schlossen dennoch um 2,2 Prozent fester, bei Raiffeisen Bank International (VIE:RBIV) blieb ein Plus von 0,6 Prozent stehen und Bawag (VIE:BAWG) legten um 0,5 Prozent zu.
Deutliche Kursverluste sahen hingegen OMV (ETR:OMVV) , sie büßten 4,5 Prozent ein. Auch Versorger (NYSE:XLU) standen auf den Verkaufslisten. EVN (VIE:EVNV) verloren 3,7 Prozent, Verbund (VIE:VERB) gaben um 2,6 Prozent nach. Der Verbund hatte zuletzt Worte der SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner zurückgewiesen, wonach andere Versorger wie der Verbund Liquiditätsprobleme hätten.
Die Verwerfungen am Energiemarkt führen zu noch nie da gewesenen Schwankungen an den Beschaffungsmärkten, so der Verbund am Dienstag in einer Mitteilung. Es müssten alle Marktteilnehmer die an den Energiebörsen als Sicherheitsleistung hinterlegte Liquidität anheben.
Nach Ergebnisveröffentlichungen standen einige Einzelwerte im Fokus. Die Pierer Mobility (VIE:PMAG) meldete für das erste Halbjahr 2022 einen deutlichen Ergebnisrückgang. Bereits am Vorabend gab das Unternehmen bekannt, die Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr 2022 zu erhöhen. Die Aktien schlossen um 5,7 Prozent fester.
Auch auf die Halbjahresergebnisse von Warimpex reagierten die Anleger erfreut, die Aktien kletterten um 3,1 Prozent nach oben. Warimpex hat im Berichtszeitraum seinen Gewinn gegenüber der ersten Jahreshälfte 2021 von 1,7 Millionen auf 13,4 Millionen Euro verbessert. Geholfen hat dem Unternehmen, das etwa die Hälfte seines Geschäfts in Russland macht, auch eine deutliche Aufwertung des russischen Rubel.
Der Baukonzern Porr hat seine Produktionsleistung im ersten Halbjahr 2022 um gut 10 Prozent gesteigert und seinen Gewinn deutlich ausgebaut. Der Auftragsbestand befindet sich mit mehr als 8 Milliarden Euro auf Rekordniveau. Die Anteilsscheine schlossen dennoch 3,3 Prozent tiefer.
Neuigkeiten gab es auch bei Wienerberger (VIE:WBSV) : Der Baustoffkonzern sichert die Produktion von Wand- und Dachziegeln in Österreich über einen längeren Zeitraum ab: Das Unternehmen kann bis zu 25 Gigawatt-Stunden (GWh) Gaskapazitäten im Speicher Haidach lagern. Bei den Investoren kam das gut an, die Aktien legten um 0,7 Prozent zu.
Eine Analystenstimme kam zu Schoeller-Bleckmann. Die Erste Group hob ihre Einstufung für die Titel des Ölfeldausrüsters von "Accumulate" auf "Buy" an und erhöhte ihr Kursziel von 44,8 auf 74,5 Euro. Die Papiere gaben um 0,3 Prozent auf 59,70 Euro nach.