BRÜSSEL (dpa-AFX) - Deutschland muss nach Ansicht der EU-Kommission noch stärker investieren, mehr Menschen in Arbeit bringen und das Steuersystem ändern. "Die Behörden können die guten Zeiten nutzen, um weiter Investitionen zu fördern, besonders in die Infrastruktur, Bildung und Forschung", sagte EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel bei der Vorlage der jährlichen wirtschaftspolitischen Länderempfehlungen.
Brüssel fordert eine leistungsfähigere Gewerbe- und Unternehmensteuer und eine modernere Steuerverwaltung, um auch private Investitionen anzukurbeln. Zudem empfiehlt die Kommission, einen späteren Eintritt in die Rente zu fördern. Dazu solle Berlin hohe Steuern auf Arbeit und Sozialbeiträge senken, vor allem für Niedriglohn-Angestellte. Mini-Jobbern sollte der Übergang in andere Arbeitsverhältnisse erleichtert werden.
Berlin steuerte bereits um. Die Bundesregierung hatte ein 15-Milliarden-Investitionspaket für Bund und Kommunen von 2016 bis 2018 beschlossen. Der Kommission reicht das aber nicht aus.
Auch den Wettbewerb bei Dienstleistungen solle Deutschland ehrgeiziger antreiben. Dafür sollten "ungerechtfertigte Einschränkungen" wie etwa feste Tarife abgeschafft werden. Die Hürden zu mehr Wettbewerb im Zugverkehr, vor allem im Personenfernverkehr, soll Berlin ebenfalls aus dem Weg räumen.
Deutschland steht zudem seit Jahren wegen seiner hohen Exportüberschüsse im Visier. Der Leistungsbilanzüberschuss dürfte im laufenden Jahr weiter steigen. Die Leistungsbilanz ist eine Art Kassenbuch der Volkswirtschaft, ein Überschuss bedeutet, dass die Wirtschaft mehr produziert als sie verbraucht. "Eine gute wirtschaftliche Leistung kann nicht bestraft werden", sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. Überschussländern drohen in Brüssel keine Geld-Sanktionen.
In der Budgetüberwachung will die Kommission ein Defizitstrafverfahren gegen Finnland auf den Weg bringen. Denn Helsinki breche die Defizitgrenze des Euro-Stabilitätspaktes. Brüssel prognostiziert für Finnland ein Haushaltsdefizit von 3,3 Prozent der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr und im kommenden Jahr von 3,2 Prozent. Die Maastrichter Defizitgrenze liegt bei 3 Prozent.
Malta und das nicht zur Eurozone gehörende Polen hingegen entlässt die Kommission wegen guter Führung aus den Defizitverfahren. Defizitsünder Frankreich, das bereits zwei zusätzliche Jahre bis 2017 bekommen hatte, muss bis zum 10. Juni Sparschritte auf den Weg bringen. Großbritannien soll wie Frankreich zwei Extra-Jahre zum Sparen erhalten. Strafen drohen Großbritannien aber nicht, weil es nicht der Eurozone angehört.