- von Simon Lewis und Thu Thu Aung
Rangun (Reuters) - Die Haftstrafe für zwei Reuters-Journalisten in Myanmar stößt weltweit auf harsche Kritik und löst Skepsis über die Bemühungen des südostasiatischen Landes um mehr Demokratie aus.
Wa Lone und Kyaw Soe Oo wurden am Montag zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil sie nach Auffassung des Gerichts gegen ein Gesetz zu Staatsgeheimnissen verstoßen haben. Die Journalisten erklärten sich für nicht schuldig. "Wir wissen, dass wir nichts Falsches getan haben", sagte Wa Lone, als er nach dem Urteil in Handschellen von Polizisten abgeführt wurde. "Ich habe keine Angst. Ich glaube an die Gerechtigkeit, an Demokratie und Freiheit." Kyaw Soe Oo rief Freunden und Kollegen zu, sie sollten sich nicht sorgen. Er und Wa Lone würden ihren Kampf für die Pressefreiheit fortsetzen. "Was ich der Regierung sage, ist Folgendes: Ihr könnt uns ins Gefängnis werfen, aber verschließt nicht dem Volk Augen und Ohren."
Reuters-Chefredakteur Stephen Adler äußerte sich empört über das Urteil und kündigte rechtliche Schritte an. Die EU forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung der beiden Journalisten. Auch die Bundesregierung reagierte mit Bestürzung und will mit den EU-Partnern das weitere Vorgehen prüfen. Das Urteil sei ein herber Rückschlag für die Presse- und Medienfreiheit in Myanmar, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. "Die beiden Journalisten wurden wegen Landesverrats schuldig gesprochen auf der Grundlage eines Gesetzes aus der Kolonialzeit. Sie haben nichts anderes getan als die Wahrheitsfindung in Rakhine zu unterstützen." Er ließ offen, welche Maßnahmen ergriffen werden könnten, verwies aber auf bestehende Strafmaßnahmen. "Es ist ja so, dass wir bereits im April Sanktionen verhängt und verschärft haben gegen myanmarische Militärs, denen Beteiligungen an Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden."
REPORTER RECHERCHIERTEN ZU MORD AN ROHINGYA
Die Regierung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi steht unter erheblichem internationalen Druck wegen ihres massiven Vorgehens gegen die muslimische Minderheit der Rohingya. Mit diesem Thema hatten sich die beiden Reuters-Journalisten beschäftigt. Als sie im Dezember festgenommen wurden, hatten sie für einen Artikel über die Ermordung von zehn Männern und Jungen recherchiert, die der Volksgruppe der Rohingya angehörten. Auch mit weiteren Vergehen von Polizisten und Soldaten in Inn Din, einem Dorf im Bundesstaat Rakhine, waren die beiden befasst.
Wa Lone und Kyaw Soe Oo sagten aus, zwei Polizisten hätten ihnen in einem Lokal in der Hauptstadt Rangun Unterlagen überreicht. Kurz darauf hätten die beiden sie festgenommen. Einer der Polizisten sagte im April aus, er habe die Journalisten in eine Falle gelockt. Ziel sei es gewesen, die Reporter von weiteren Recherchen zur massenhaften Tötung von Rohingya abzuhalten beziehungsweise sie dafür zu bestrafen.
"EIN TRAURIGER TAG FÜR MYANMAR UND DIE PRESSE"
Richter Ye Lwin sagte in seiner Urteilsverkündung, die Untersuchungshaft seit 12. Dezember werde berücksichtigt. Die vertraulichen Dokumente, die bei den beiden Reportern gefunden worden seien, hätten "Staatsfeinden und Terroristen nützen können". Das Urteil bedeutet, dass der 32-jährige Wa Lone und der 28 Jahre alte Kyaw Soe Oo, die beide kleine Kinder haben, in Haft bleiben. Die Verteidigung kann aber Rechtsmittel einlegen.
"Heute ist ein trauriger Tag für Myanmar, für die Reuters-Journalisten Wa Lone und Kyaw Soe Oo und die Presse überall", erklärte Reuters-Chefredakteur Adler. "Wir werden nicht abwarten, während Wa Lone und Kyaw Soe Oo Ungerechtigkeit erleiden, sondern wir werden prüfen, wie wir in den kommenden Tagen verfahren." Die EU forderte eine Überprüfung des Urteils. Es untergrabe die Pressefreiheit, das Recht der Öffentlichkeit auf Information und die Entwicklung eines Rechtsstaates in Myanmar, erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. "Die Pressefreiheit und ein kritischer Journalismus sind wesentliche Pfeiler der Demokratie."
Auch die UN und zahlreiche Staaten - darunter die USA, Großbritannien, Kanada und Australien - forderten einen Freispruch. "Die Vereinten Nationen haben wiederholt die Freilassung der Reuters-Journalisten gefordert und die Behörden aufgerufen, ihr Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit zu respektieren", sagte der UN-Menschenrechtskoordinator in Myanmar, Knut Ostby. Nach Ansicht des Geschäftsführers von "Reporter ohne Grenzen", Christian Mihr, hat die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi seit Beginn der Rohingya-Krise einen Großteil ihrer internationalen Glaubwürdigkeit in Fragen der Pressefreiheit verspielt. Bei der Pressefreiheit sei das Land auf Rang 137 von 180 Staaten abgerutscht.
Die Führung in Myanmar bestreitet eine Verwicklung in Verbrechen gegen die Rohingya. Vielmehr sei das Militär im August 2017 gegen muslimische Aufständische vorgegangen, erklärte sie immer wieder. Hunderttausende Rohingya wurden vertrieben, allein 700.000 von ihnen suchten nach UN-Schätzungen Schutz im Nachbarland Bangladesch. Eine UN-Kommission warf dem Militär Myanmars kürzlich Massentötungen und -vergewaltigungen mit der "Absicht von Völkermord" vor. Das Militär räumte am Montag Fehler in einem Buch ein, in dem es seine Sicht auf den Umgang mit den Rohingya wiedergibt. Zwei Fotos in dem Buch seien fehlerhaft gewesen, hieß es in der Militärzeitung, dessen Verlag das Buch herausgegeben hat. In einer Erklärung entschuldigte sich der Verlag bei den Lesern sowie den Eigentümern der Bilder. Reuters hatte am Freitag berichtet, dass es sich bei den Fotos um Archiv-Aufnahmen von anderen Konflikten handelt.