FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Nach der Leitzinssenkung der EZB steht in dieser Woche die Sitzung der US-amerikanischen Zentralbank im Fokus. Ein schnelles Nachziehen der Fed wird nicht erwartet. Die Aktienmärkte stehen einigen Analysten zufolge vor einer Konsolidierung.
10. Juni 2024. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die im Zuge der Zinssenkung angehobene Inflationsprognose der Europäischen Zentralbank hat in Kombination mit überraschend robusten US-Arbeitsmarktdaten zum Ende der vergangenen Woche die Aktienmärkte etwas unter Druck gesetzt. Nach dem Erstarken rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Parteien in vielen der 27 EU-Staaten bei der Europawahl startet der DAX rund 150 Punkte leichter in die neue Börsenwoche, nachdem er die vergangene Woche bei 18.557 Punkten beendet hatte. In den USA waren der S&P 500 und der Nasdaq 100 zunächst auf neue Allzeithochs gestiegen, konnten diese aber nicht bis zum Ende durchhalten.
Keine schnelle Zinssenkung in den USA
In der Eurozone haben die Hoffnungen auf schnell und deutlich sinkende Zinsen einen spürbaren Dämpfer erhalten. Die Analysten der Deutschen Bank (ETR:DBKGn) etwa sehen nur noch eine Wahrscheinlichkeit von 38 Prozent für eine weitere Senkung im Juli. Deutlich realistischer erscheint demnach der nächste Schritt im September mit einer 91 Prozent-Chance. In den USA ist ein erster Zinsschritt bereits am kommenden Mittwoch eher unwahrscheinlich. Laut den Strategen der NordLB könnte vor allem der starke Anstieg der Löhne zu einem Problem für die US-Notenbank werden. Auch die Deutsche Bank rechnet mit Blick auf die Lohnentwicklung damit, dass die Fed die Zinssätze erst im dritten Quartal senken wird.
Für die kurzfristige Entwicklung der Aktienmärkte zeigen sich viele Börsianer zunehmend vorsichtig. Die Strategen der Commerzbank (ETR:CBKG) meinen, dass das Umfeld insgesamt zwar weiter für Aktien spreche. Da von der Berichtssaison aber keine neuen Impulse kommen und die kommenden Inflationsdaten eher negativ überraschen dürften, könnten die Kurse etwas unter Druck geraten.
Die Redakteure von Wellenreiter Invest betonen, dass die Aufwärtstrends gerade bei den US-Indizes weiter intakt seien. Schwächezeichen in der Marktbreite sowie die am Freitag erfolgte Umkehr bei der zehnjährigen US-Rendite würden zunächst aber für steigende Renditen und damit auf Gegenwind am Aktienmarkt hinweisen.
Aktien aktuell viel zu teuer?
Ein anderer wichtiger Punkt ist die Bewertung der Aktien. Die ist in den USA nach Berechnung der LBBW "über das Ziel hinausgeschossen". "Würden die Anleger die Aktienrisiken derzeit nicht stark unter- sondern adäquat bewerten, müsste das KGV des S&P 500 um rund ein Drittel niedriger ausfallen als aktuell", begründen die Analysten. Über den Sommer hinweg rechnen sie daher mit einer gewissen Konsolidierung. ?"hnlich äußern sich die Kollegen der Helaba. Durch die hohe Bewertung und die sehr positiven Gewinnaussichten vieler S&P 500-Schwergewichte habe der Markt schon viel Positives vorweggenommen. Es könne daher "nicht schaden, den Blick nun wieder etwas stärker auf die Risiken zu richten".
Auch Hans-Jürgen Haack, Chefanalyst der Haack-Börsenbriefe, ist grundsätzlich optimistisch, rechnet in diesem Sommer ebenfalls mit einer Korrektur an den Aktienmärkten. "Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Wochen herausragende Einstiegschancen für langfristig orientierte Anleger sehen werden. Die Märkte dürften im Laufe des Sommers sicher um 5 bis 10 Prozent korrigieren. Mit ein bisschen Glück sogar etwas mehr". Zur Begründung weist er unter anderem darauf hin, dass vergangene Woche die zu Monatsbeginn typischen Liquiditätszuflüsse durch Fondskäufe nicht ausgereicht haben, um größere Anstiege auszulösen. Das deutet nach Ansicht des erfahrenen Börsenkenners darauf hin, "dass neue Rekordhochs auf breiter Front im Sommer eher unwahrscheinlich sind und die Gewinnchancen vermutlich mehr auf der Unterseite liegen".
Gemischtes technisches Bild
Optimistischer zeigen sich zumindest auf kurze Sicht die technischen Analysten von HSBC (LON:HSBA). Jörg Scherer verweist beim DAX mit Blick auf zuletzt drei aufeinanderfolgende rote Wochenkerzen darauf, dass eine solche, eher seltene Konstellation antizyklische Erholungschancen biete. Allerdings würden die quantitativen Indikatoren zur Vorsicht mahnen. "Während der RSI eine negative Divergenz ausweist, droht der trendfolgende MACD in den nächsten Wochen ein negatives Schnittmuster zu generieren", erklärt der Charttechniker im heute Morgen veröffentlichten Newsletter "Daily Trading".
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftstermine der Woche
Montag, 10. Juni
10.30 Uhr. Eurozone: Sentix-Konjunkturindex. Nach einigen positiven Überraschungen bei Konjunkturindikatoren sowie der Leitzinssenkung in der Eurozone dürfte sich die Stimmung an den Finanzmärkten nach Ansicht von Analysten weiter verbessert haben. Der Gesamtindex für den Mai wird daher nur noch knapp unter der Nullmarke erwartet. Die Konjunkturerwartungen fallen wahrscheinlich wieder deutlich besser aus als die Einschätzung der aktuellen Lage.
Mittwoch, 12. Juni
14.30 Uhr: USA: Verbraucherpreise (CPI). Die Strategen derCommerzbank erwarten durch die Mai-Zahlen keine Entspannung der Situation. Die Kernrate der Inflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) wird im Konsens auf 3,5 Prozent geschätzt. Aus Sicht der Deka wäre das bereits der siebte Monat in Folge mit einer aus geldpolitischer Sicht zu hohen Preisdynamik.
20.00 Uhr. USA: Ergebnis der FOMC-Sitzung. Wegen der weiterhin recht hohen Teuerungsrate wird es wahrscheinlich noch keine Zinssenkung in den USA geben. Auf der anschließenden Pressekonferenz könnte Fed-Chairman Jerome Powell die Summe der erwarteten Leitzinssenkungen für dieses Jahr von derzeit 75 Basispunkten reduzieren.
Donnerstag, 13. Juni
11.00 Uhr. Eurozone: Industrieproduktion. Nach einem Minus von 1 Prozent gegenüber dem Vorjahr im April rechnen die Strategen der Helaba für den Mai mit einem exakt doppelt so starken Rückgang. Der Konsens ist nur leicht zuversichtlicher.
Freitag, 14. Juni
Japan: BoJ-Zinsentscheid. In Japan bleiben Zinsanhebungen nach Ansicht der NordLB prinzipiell auf der Agenda der Notenbank. Die Strategen rechnen in dieser Woche noch nicht mit einem Zinsschritt, aber der schwache Yen könne in der näheren Zukunft zu einem spürbaren Handlungsdruck bei den Verantwortlichen führen. Daher sei es durchaus möglich, dass man am Freitag eine baldige leichte Zinserhöhung bereits verbal vorbereiten will.
16.00 Uhr. USA: Index Verbraucherstimmung Uni Michigan. Bei den vorläufigen Daten für den Juni gehen Volkswirte im Schnitt von einem Anstieg auf 73,0 Punkte (nach 69,1 im Vormonat) aus. Die LBBW ist da mit einer Schätzung von nur 70,0 Punkten skeptischer, während die Deka sogar einen Indexstand von 74,0 Punkten prognostiziert.
Von Thomas Koch, 10. Juni 2024 © Deutsche Börse (ETR:DB1Gn) AG
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