BIARRITZ (dpa-AFX) - Mit einem brisanten Überraschungscoup auf dem G7-Gipfel will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron neue Bewegung in den gefährlichen Iran-Konflikt zu bringen. Völlig unerwartet traf Iran Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am Sonntag zu dem Treffen der reichen Industrieländer (G7) im französischen Biarritz ein. Die Visite wirbelt das dreitägige Treffen der Staats- und Regierungschefs kräftig durcheinander. Es war zuvor schon von massiven Differenzen mit US-Präsident Donald Trump überschattet.
Die Einladung Sarifs ist riskant, weil die USA den Iran als Feind ansehen und keine diplomatischen Beziehungen pflegen. US-Präsident Donald Trump wirft Teheran vor, sich zum Beispiel in Syrien oder im Jemen aggressiv in regionale Konflikte einzumischen. Nach dem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran setzt Trump nun wieder auf eine Politik des "maximalen Drucks" gegen Teheran.
Die Iran-Krise ist neben dem Handelskrieg der USA mit China und den schädlichen Folgen für die Weltwirtschaft, dem Umgang mit Russland und dem Brexit eines der Hauptthemen. Mit der US-amerikanischen Delegation werde Sarif sich aber nicht treffen, erklärte der Sprecher des Außenministerium in Teheran, Abbas Mussawi. Kanzlerin Angela Merkel sieht in dem Besuch einen Beitrag zur Konfliktlösung mit dem Iran. Jeder Versuch einer Deeskalation sei wertvoll.
Die Staats- und Regierungschefs des mächtigen Staatenclubs hatten bereits am Samstagabend über die Iran-Krise beraten. Frankreichs Präsident sagte, alle G7-Mitglieder wollten Stabilität und den Frieden in der Region. Initiativen zur Beruhigung der Lage sollten weitergeführt werden. Macron ist derzeit Vorsitzender des G7-Staatenclubs. Der 41-Jährige sieht sich schon länger als Vermittler in der gefährlichen Krise.
Im Streit der Europäischen Union mit Boris Johnson stärkte der US-Präsident Trump dem neuen britischen Premierminister den Rücken für den Austritt aus der EU. "Er ist der richtige Mann für den Job", sagte Trump bei einem Frühstück mit Johnson und stellte ihm ein schnelles, umfassendes Handelsabkommen mit den USA in Aussicht.
Uneinigkeit gab es auch über eine Wiederaufnahme Russlands in den G7-Club, die der US-Präsident als "vorteilhaft" befürwortete. Das von Präsident Wladimir Putin regierte Land war nach der Krim-Annexion 2014 ausgeschlossen worden. Mit seinem Anliegen erhielt Trump aber eine Abfuhr, da vor allem Merkel und Macron gegen eine Wiederaufnahme sind, solange Putin in der Ukraine kein Entgegenkommen zeigt.
Weitgehende Einigkeit zeigten die G7-Staaten zumindest angesichts des Flammen-Infernos im Amazonas-Gebiet. Die reichen Industrieländer wollten sich weiter abstimmen, um den betroffenen Ländern rasch zu helfen, kündigte Macron an. Es gehe um "technische und finanzielle Mittel" und Hilfe bei der Aufforstung.
Der Gastgeber des Gipfels hatte die Waldbrände wegen der Bedeutung des Amazonasgebiets für den Klimawandel spontan auf die Tagesordnung gehoben. Dagegen hatte sich der rechtspopulistische Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro gegen eine Einmischung aus dem Ausland gewehrt. Umweltschützer werfen ihm vor, ein politisches Klima geschaffen zu haben, in dem Brandrodungen geduldet werden.
In Brasilien wüten die schwersten Waldbrände seit Jahren. Die Europäer erhöhten den Druck auf Brasiliens Präsidenten, indem das grundsätzlich vereinbarte Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten infrage gestellt wird.
Differenzen gab es auch über den Handelskrieg der USA mit China, der die ohnehin schwächelnde Weltwirtschaft bremst. Trump zeigte keine Kompromissbereitschaft, während andere G7-Partner ihre Ablehnung von Strafzöllen als Werkzeug bekräftigten. Trump spielte die Gegensätze herunter: "Ich denke, dass sie den Handelskrieg respektieren."
Demonstrativ verkündete Trump mit Japans Ministerpräsident Shinzo Abe eine Grundsatzeinigung über ein bilaterales Handelsabkommen. Die größte Volkswirtschaft USA und Japan, die drittgrößte, wollen damit ihre Märkte für die Waren des jeweils anderen weiter öffnen.
Eine neue Initiative gab es für Afrika. Die G7-Länder wollen stärker als bisher gegen islamistischen Terrorismus in Westafrika vorgehen. "Entwicklung ohne Sicherheit ist nicht möglich, und deshalb müssen wir die Sicherheit stärken", sagte Merkel, die mit Macron neue Hilfen für die Staaten in der Region ankündigte. Es gehe um Logistik, Ausrüstung und Ausbildung. "Es geht jetzt hier nicht direkt darum, dass wir mehr Truppen senden", sagte Merkel.
Die Lage in den Kern-Sahelstaaten verschlechtert sich zusehends. So wurden 2015 in Burkina Faso noch vier Angriffe islamistischer Terroristen registriert, 2018 waren es schon 160. In Mali sind über 800 Bundeswehrsoldaten im Rahmen der UN-Mission Minusma stationiert. Frankreich setzt in Westafrika 4000 Soldaten im Antiterrorkampf ein.
Hilfsorganisationen reagierten kritisch. "Sicherheitspolitische Mittel sind kein Allheilmittel für die strukturellen Probleme, wir benötigen umfassende entwicklungspolitische Ansätze mit einem zentralen Fokus auf dem Kampf gegen soziale Ungleichheit", sagte Jörn Kalinski von Oxfam. "Keine Sicherheit ohne Entwicklung", sagte auch Friederike Röder von ONE. 40 Prozent der Bevölkerung in der Sahelzone lebten in Armut.
Nachdem die EU in Biarritz bereits weitere 550 Millionen Euro für den Globalen Fonds zum Kampf gegen Aids, Malaria und Tuberkulose in Aussicht gestellt hat, kündigte Merkel an, für die nächsten drei Jahre eine Milliarde Euro bereitzustellen. "Noch immer ist Aids weltweit Todesursache Nummer Eins von Frauen unter 50 Jahren", begrüßte Marwin Meier von World Vision die Zusage. "Es ist ein Fehler zu glauben, wir hätten diese großen Armutskrankheiten schon besiegt."
Außer Deutschland, Frankreich, den USA und Großbritannien gehören auch Italien, Kanada und Japan zu der Gruppe, an deren Gipfel auch die Europäische Union teilnimmt.