Der chinesische Autokonzern BYD (WKN:A0M4W9) und unser deutscher Autobauer Daimler (WKN:710000) haben auf den ersten Blick zwei Dinge gemeinsam: Erstens sind beide große Autohersteller in ihrem Heimatmarkt, und zweitens kommen ihre Aktien seit Jahren nicht wirklich vom Fleck.
Da hört es aber schon auf mit den Gemeinsamkeiten: Während BYD bereits ein großer Spieler im Bereich Elektroautos ist, hängt Daimler in dieser Sache noch ziemlich hinterher. Damit scheint BYD zumindest zum jetzigen Zeitpunkt besser für die automobile Zukunft aufgestellt zu sein. Doch ist BYDs Aktie auch der bessere Kauf?
Wie sehen die Geschäftsmodelle aus? Wie ich bereits angedeutet habe, ist BYD im Automobilgeschäft ganz anders aufgestellt als Daimler. 2017 konnte BYD über 110.000 Elektroautos und Hybride verkaufen, mehr als jeder andere Autohersteller weltweit. Auch in den beiden Jahren davor verkaufte man weltweit die meisten Autos mit alternativen Antrieben. Dazu dürfte beigetragen haben, dass in China die Elektromobilität extrem stark vorangetrieben wird.
Ebenfalls zum Automobilgeschäft zählen BYDs vollelektrische Busse sowie der Skyrail, eine Hochbahn, die auf einer Schiene fährt. Letzteres Geschäftssegment wurde erst kürzlich eingeführt und entwickelt sich dem Management zufolge zufriedenstellend, aus verschiedenen Städten besteht Nachfrage nach dem System.
Zusätzlich zum prominenten Automobilgeschäft betreibt BYD noch weitere Geschäftssparten: Das Unternehmen stellt für seine Partner in der Elektroindustrie Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen zur Verfügung und baut ganze Fertigungsanlagen für Handyhersteller. Weiterhin stellt das Unternehmen Batterien z. B. für Handys und Kameras sowie Stromspeicher für den Einsatz in (Solar-)Kraftwerken her.
BYD darf man demnach nicht als reinen Autohersteller sehen. Nur etwas mehr als die Hälfte der Umsätze BYDs stammen aus der Automobilsparte, der Rest teilt sich auf die anderen beiden Geschäftsbereiche auf.
Daimler hingegen bedient nur das Geschäft, was bei BYD als die Automobilsparte zählen würde. Dafür ist Daimler hier ein echter Riese: Den umgerechnet 6,9 Mrd. Euro Umsatz aus BYDs Autogeschäft stehen 164,3 Mrd. Euro aufseiten von Daimler gegenüber.
An Daimler mag ich sehr, dass die Marke Mercedes-Benz auf der ganzen Welt eine große Stärke besitzt – nahezu überall auf der Welt weiß man, was eine S-Klasse ist. Doch das wird Daimler nichts nutzen, wenn man den Anschluss im E-Automarkt verpasst – hier hat BYD große Vorteile: Das Unternehmen sitzt in China und ist daher quasi prädestiniert für starkes Wachstum bei den Elektroautoverkäufen. Auch die eigene Batterieproduktion von BYD ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Daher nimmt BYD hier den Punkt mit.
Und die Unternehmenszahlen? Wenn ich in ein Unternehmen investiere, sind mir das Geschäftsmodell und die zukünftigen Perspektiven natürlich sehr wichtig. Mindestens genauso wichtig ist mir jedoch eine stabile Unternehmensbilanz, damit ich sicher sein kann, dass das Unternehmen nicht in finanzielle Engpässe kommt.
Eigenkapitalquote | Liquidität II. Grades | Verzinsung des eingesetzten Kapitals | |
BYD | 33,7 % | 79,0 % | 11,2 % |
Daimler | 25,6 % | 93,0 % | 8,0 % |
Wir sehen hier ein gemischtes Bild: BYDs Geschäft ist zu einem höheren Anteil mit Eigenkapital finanziert als das von Daimler, was für eine etwas höhere Stabilität spricht.
Bei der Ausstattung mit Liquidität schneidet jedoch Daimler besser ab als BYD: Die Liquidität II. Grades setzt das Umlaufvermögen abzüglich der Vorräte ins Verhältnis zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten und ist ein Maß dafür, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Unternehmen in Zahlungsengpässe kommt. BYD ist hier einem höheren Risiko ausgesetzt.
Bei der Verzinsung des eingesetzten Kapitals, auch ROCE genannt, kann BYD wiederum punkten: BYDs EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) lag im Verhältnis zu dessen Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital höher als das von Daimler, BYD weist also die etwas höhere Rentabilität auf.
Keines der beiden Unternehmen kann mich hier nachhaltig überzeugen. Ich finde die Liquidität II. Grades bei BYD einfach zu niedrig, als dass ich den Chinesen hier den Sieg geben könnte. Daher werden die Punkte in diesem Duell geteilt.
Wie sind die Aktien bewertet? BYD hat also die besseren Zukunftsaussichten im Vergleich zu Daimler und der Bilanzcheck brachte keinen Sieger hervor. Nun werde ich noch überprüfen, wie die Aktien der Unternehmen an der Börse bewertet sind, um mein finales Urteil abzugeben. Denn eine zu hohe Bewertung heute kann eine geringere zukünftige Rendite bedeuten und damit eine Aktie gleich viel unattraktiver machen.
Schauen wir uns daher die Bewertung in Bezug auf einige gängige Kennzahlen an:
Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) | Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) | Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) | |
BYD | 2,1 | 1,2 | 25,4 |
Daimler | 0,9 | 0,4 | 5,5 |
Beim Vergleich der Bewertungskennzahlen fällt auf, wie stark der Aktienmarkt Daimler im Vergleich zu BYD meidet: Ob im Verhältnis zum Eigenkapital, im Verhältnis zum Umsatz oder im Verhältnis zum Gewinn – der Markt gibt BYD überall einen nicht zu übersehenden Preisaufschlag.
Bei BYD habe ich zudem noch das Price-Earnings-Growth-Ratio (PEG) berechnet, eine Kennzahl, die für die Bewertung von Wachstumsunternehmen gedacht ist. Hier teilt man das KGV durch das erwartete Gewinnwachstum. BYD kommt hier auf 2,5 – das ist alles andere als günstig! Bei Daimler habe ich mir die Berechnung gespart, da sinkende Gewinne erwartet werden und das Ergebnis der Rechnung dann keinen Sinn machen würde.
In Bezug auf die Bewertung schneidet Daimler insgesamt deutlich besser ab – der Ausgleich in der 6. Minute der Nachspielzeit, 2:2!
Unentschieden – oder doch nicht? Beide Aktien haben ihre Vorzüge: BYD ist ein Unternehmen mit einem wesentlich spannenderen Geschäftsmodell und ist super für die Elektromobilität positioniert. Daimler ist ein Traditionskonzern, der derzeit unschlagbar günstig bewertet ist.
Trotzdem ziehe ich persönlich die BYD-Aktie der von Daimler deutlich vor. Aber warum?
Die niedrige Bewertung von Daimler bedeutet für mich keinen Schnäppchenalarm. Wie mein Foolisher Kollege Ralf wunderbar ausgeführt hat, sprechen derzeit einfach zu viele Gründe gegen eine Investition in unsere deutsche Autobranche. Vor allem der Dieselskandal und die Elektromobilität sind große, offensichtliche Bedrohungen, die wie ein Damoklesschwert über der Branche hängen. In BYD sehe ich jedoch ein spannendes, hervorragend aufgestelltes Unternehmen mit einer Vision.
Es könnte sein, dass der Markt Daimler derzeit etwas zu stark abgestraft hat und BYD zu hoch handelt. Doch ich als langfristiger Investor lege Wert darauf, wie sich ein Unternehmen in den nächsten zehn oder 20 Jahren entwickeln wird. Hier hat BYD für mich eindeutig die Nase vorn.
Christoph Gössel besitzt Aktien von BYD. The Motley Fool empfiehlt Daimler.