Die Aktie von Wirecard (DE:WDIG) (WKN: 747206) konnte in den letzten Tagen einen fulminanten Start ins neue Jahr verzeichnen. Befeuert wurden diese Kursgewinne unter anderem durch zwei Twitter-Nachrichten von Markus Braun, dem Vorstandsvorsitzenden von Wirecard. Ihm zufolge könne sich der Markt schon früher als erwartet auf die operative Stärke von Wirecard fokussieren. Wer zwischen den Zeilen liest, könnte dies als eine Botschaft in Richtung eines zeitnah zu erwartenden Berichts der KPMG zu den Anschuldigungen der „Financial Times“ deuten.
Des Weiteren geht Markus Braun davon aus, dass Wirecards Entwicklung in den nächsten zehn Jahren die vergangenen zehn Jahre in den Schatten stellen werde. Eine gewagte Aussage, vor allem wenn man berücksichtigt, welche Entwicklung die Aktie in den letzten zehn Jahren hinter sich hat. Denn der Kurs konnte in diesem Zeitraum von 9,65 auf 107,50 Euro zulegen, eine Kurssteigerung von 1.014 %.
Zudem häufen sich meiner Meinung nach die Indizien, dass Wirecard im Jahr 2020 die Anschuldigungen der „Financial Times“ abschütteln kann, wonach der Aktienkurs wieder der operativen Entwicklung folgen sollte. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig.
Interview mit Markus Braun „Alle Umsätze sind authentisch.“ Dieses Zitat stammt von Markus Braun aus einem Interview mit dem „Handelsblatt“ Anfang November 2019. Darin weist der Vorstandsvorsitzende abermals die Anschuldigungen zurück und begründet dies damit, dass Wirecard bereits eine interne Prüfung vorgenommen habe, die keine wesentlichen Fehldarstellungen in den Jahresabschlüssen identifizieren konnte.
Wenn man bedenkt, welche juristischen Nachwehen diese Aussage für Markus Braun haben könnte, sollten sich die Anschuldigungen im Nachhinein als wahr erweisen, kann man mit einer hohen Sicherheit davon ausgehen, dass er hierbei nicht nur seine subjektive Meinung kundtut. Vielmehr sollte man als Vorstandsvorsitzender 100 % Sicherheit haben, bevor man sich öffentlich durch solche Aussagen aus dem Fenster lehnt. Da ich davon ausgehe, dass sich Markus Braun nicht jahrelangen Schadenersatzklagen stellen möchte, ist das ein Indiz für mich, dass sich die Anschuldigungen tatsächlich als haltlos erweisen werden.
Insider-Beteiligungen Derzeit hält Markus Braun 7,05 % an Wirecard. Beim derzeitigen Kursniveau von 112,95 Euro (Stand: 07.01.2020) entspricht dies einer Beteiligung von ca. 984 Mio. Euro. Sollten sich die Anschuldigungen der „Financial Times“ daher nur ansatzweise als richtig erweisen, wäre der größte Geschädigte Markus Braun selbst.
Was in den letzten Wochen und Monaten ausgeklammert wurde, ist, dass durch diese Beteiligungskonstellation der Vorstandsvorsitzende von Wirecard ein großes Interesse daran haben muss, dass sämtliche Umsätze authentisch und die Jahresabschlüsse somit korrekt sind. Somit ist es meiner Meinung nach unwahrscheinlich, dass man seine Beteiligung derart übergewichtet, wenn man weiß, dass die Bilanzen mutwillig aufgeblasen werden.
Beschäftigungstrend Ein Blick auf den Beschäftigungstrend von Wirecard zeigt einmal mehr, dass hier alles auf weiteres Wachstum ausgelegt ist. Derzeit sind weltweit 262 Stellen ausgeschrieben, viele davon im IT-Bereich. Doch der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München verstärkt auch seine Compliance-Abteilung, was aus Sicht der Aktionäre sehr begrüßenswert ist.
Das Wachstum an hochqualitativen Mitarbeitern ist für mich ein weiteres Indiz, dass an den Anschuldigungen der „Financial Times“ nichts dran sein dürfte. Denn sollten tatsächlich wesentliche Anteile an Umsatz und Gewinn durch Scheinumsätze generiert worden sein, wäre vermutlich kein steigender Bedarf an Mitarbeitern vorhanden, die wiederum nur den Personalaufwand erhöhen würden.
Operativer Cashflow Das größte Indiz, dass sich die Anschuldigungen der „Financial Times“ als haltlos erweisen werden, liegt für mich jedoch im operativen Cashflow, der sich nicht so einfach manipulieren lässt wie zum Beispiel der Umsatz oder der Gewinn. Wenngleich Wirecard zwar auch vorgeworfen wurde, Round-Tripping zu betreiben, um den operativen Cashflow zu schönen, müsste Wirecard hierfür extreme Maßnahmen ergreifen.
Eine Möglichkeit, um Round-Tripping zu betreiben, besteht darin, Unternehmen zu einem überhöhten Kaufpreis zu erwerben, damit im Gegenzug die Verkäufer des Unternehmens die Differenz zwischen dem überhöhten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert des verkauften Unternehmens für Produkte und Dienstleistungen des Käufers ausgeben. Somit könnte man theoretisch einen Teil des Kaufpreises als Umsatz verbuchen, der auch den operativen Cashflow erhöhen würde. Ähnliche Anschuldigungen gegen Wirecard beziehen sich hierbei auf die Akquisition des indischen Tochterunternehmens im Jahr 2016, die angeblich zu einem überhöhten Kaufpreis erfolgt sei.
Unabhängig von vergangenen Akquisitionen impliziert jedoch Wirecards Vision 2025 ein jährliches Wachstum von annähernd 30 %. Daher müssten mehr und mehr Unternehmen auf diese Art erworben werden, um diese Geschäftspraktiken aufrechterhalten und zukünftige Umsätze, Gewinne und Cashflows erhöhen zu können. Ein Umstand, der jedem Wirtschaftsprüfer auffallen müsste und somit langfristig keinen Sinn macht.
Rückblick und Ausblick Das letzte Jahr war zweifelsohne sehr herausfordernd für die Aktionäre von Wirecard. Jedoch spricht vieles dafür, dass die leidgeprüften Aktionäre in diesem und in den kommenden Jahren dafür in Form von Kursgewinnen entschädigt werden. Angesichts des bald zu erwartenden unabhängigen Berichts seitens der KPMG und den Bekräftigungen durch Markus Braun sollte meiner Meinung nach auch ein Umdenken in der Berichterstattung der „Financial Times“ erfolgen.
Es ist zwar denkbar, dass die britische Wirtschaftszeitung sich weiterhin kritisch zum deutschen Zahlungsdienstleister äußern wird, jedoch werden Anleger im Falle einer weiteren positiven externen Prüfung zunehmend hinterfragen, welche Motive hierbei verfolgt werden.
Michael besitzt Aktien von Wirecard. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.
Motley Fool Deutschland 2020