CDU, CSU, FDP und Grüne haben sich in den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition in entscheidenden Bereichen festgefahren.
Die Unterhändler bekräftigten zwar am Donnerstag die Verpflichtungen zu Klimaschutzzielen, konnten sich jedoch zunächst nicht auf die entsprechenden Maßnahmen verständigen. Weitgehend unkonkret blieb auch ein Eckpunktepapier zur Europapolitik. Zudem verabredeten die vier Parteien einen sorgfältigeren Umgang mit den erreichten Ergebnissen, nachdem sich am Mittwoch vor allem Grüne und FDP bei der Auslegung der Grundsätze einer gemeinsamen Finanzpolitik widersprachen. Streit zeichnet sich auch beim Thema Flüchtlinge ab, das die potenziellen Partner am Donnerstagnachmittag angingen.
Bei den Klimaschutzzielen geht es vor allem um einen geringeren Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid. Die deutschen Ziele für 2020 sehen einen Abbau der Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Nach jetzigem Stand wird Deutschland aber nur 32 Prozent erreichen. Für die aus Umweltschutzbewegungen entstandenen Grünen ist die Klimapolitik von herausragender Bedeutung. Sie dringen auf einen schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung und den Ausbau der Ökostromerzeugung, während die FDP staatliche Eingriffe gering halten will. Die Braunkohleländer NRW, Sachsen und Sachsen-Anhalt fürchten aber bei einem Ausstieg aus dem Energieträger, dass die Tagebauregionen in Schwierigkeiten geraten. Union und FDP haben zudem die Energiepreise im Blick, die nicht durch Ökostrom noch stärker steigen sollen.
ENTSCHEIDUNGEN ÜBER EUROPA-POLITIK VERTAGT
Auch in der Europapolitik haben sich die möglichen Koalitionäre nicht auf klare Positionen einigen können. Stattdessen wurden in einem gemeinsamen Papier die Themen aufgelistet, die in den Verhandlungen noch geklärt werden müssen. Dazu gehört eine klare Position zur Türkei, die Zukunft des Euro-Rettungsschirms ESM oder ein eigener Haushalt für die Euro-Zone. Die Generalsekretäre der vier Parteien betonten die grundsätzlich proeuropäische Ausrichtung der angestrebten Jamaika-Koalition. "Wir wollen im Geiste des Miteinanders mit allen Partnern die EU weiterentwickeln und reformieren", heißt es in dem Papier.
Einig waren sich die vier Parteien, dass es in der EU bei außen- und verteidigungspolitischen Fragen öfter als bisher Mehrheitsentscheidungen geben soll. Die EU solle Rechtsstaatsprinzipien besser durchsetzen, betonten FDP und Grüne. Mit Blick auf die Brexit-Verhandlungen wurde festgehalten, dass die vier Grundfreiheiten der EU (Kapital, Personen, Dienstleistungen und Waren) unbedingt erhalten werden müssten. Dies gilt als Hinweis auf eine harte Haltung in den Brexit-Gesprächen.
UNTERSCHIEDLICHE AUSLEGUNGEN VON FINANZPAPIER
Die Verhandlungen starteten am Vormittag zunächst mit Verstimmungen über die unterschiedlichen Auslegungen der Haushaltspolitik. "Es fehlt hier ein Grundvertrauen zwischen den Verhandlern", sagte der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki. Vertrauen sei Voraussetzung dafür, dass es keine unterschiedlichen Interpretationen gebe. Er warf den Grünen vor, die Ergebnisse der Finanzgespräche mit Zweifeln am ausgeglichenen Haushalt infrage gestellt zu haben.
Grünen-Chef Cem Özdemir wies die Vorwürfe zurück: "Was nicht geht ist, dass man sich auf gemeinsame Papiere als Arbeitsgrundlage verständigt und dann einzelne Teilnehmer die doch sehr mutwillig in ihrem Sinne interpretieren." Die Sondierungsrunde am Donnerstag begann Teilnehmern zufolge mit einer Aussprache über den Konflikt. Vereinbart worden sei, sorgfältiger mit den gemeinsamen Ergebnissen umzugehen.
STREIT ÜBER FLÜCHTLINSPOLITIK
Bereits vor Beginn der Verhandlungen bekräftigte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann die Linie der CSU in der Asylpolitik: "Die Zahl der Menschen, die bei uns aufgenommen werden können, muss begrenzt werden." Eine Situation wie 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Eine Obergrenze wird jedoch von CDU, FDP und Grünen abgelehnt. Beim ebenfalls umstrittenen Thema Familiennachzug für Flüchtlinge kritisierte Herrmann, die Zahlen der Bundesregierung zur Zahl der nach Deutschland gereisten Angehörigen variierten "gewaltig". Er bekräftigte, der Familiennachzug für Flüchtlinge, die nicht persönlich in ihrer Heimat verfolgt würden, müsse ausgesetzt bleiben. Die Grünen lehnen dies ab. Ihre Partei habe in dieser Frage einen "klaren humanitären Kompass", erklärte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt.