China hat Bitcoin den Laufpass gegeben – zuerst den Minern, dann den Usern. Dabei war das Land bis vor kurzem noch für mehr als fünfzig Prozent des weltweiten Bitcoinhandels verantwortlich – alleine im ersten Halbjahr 2021 wurden laut Chainalysis hundertfünfzig Milliarden US-Dollar in chinesische Wallets eingezahlt – die zweitgrößte Summe nach den USA.
Warum hat China also den U-Turn gemacht und von jetzt auf gleich sämtliche Kryptowährungen mit Ausnahme des digitalen Renmimbi verbannt?
Wir wünschen dir viel Spaß beim Lesen!
Die Financial Times schreibt dazu, dass China die inländischen Finanzströme kontrollieren will und Angst vor Kapitalflucht oder unerwünschten Zahlungseingängen hat – beispielsweise auf Konten uigurischer Menschenrechtsorganisationen.
Meiner Meinung nach ist das Quatsch.
In China treffen zurzeit mehrere Faktoren aufeinander, die Krypto-Mining unmöglich machen. Beispielsweise schreibt die Zentralregierung die Energiepreise vor, gleichzeitig sind aber die Preise für Kohle aufgrund verschiedener Probleme von Chinas Kokslieferanten Indonesien, Australien, Mongolei und Russland stark angestiegen. Australien war bis zum Handelskonflikt für 39 Prozent der chinesischen Kohleeinfuhren verantwortlich.
Kohlekraftwerke sind gewinnorientierte Gesellschaften, dürfen aber die höheren Rohstoffpreise nicht an die Kunden weitergeben. Also reduzieren sie ihren Ausstoß und produzieren nur noch ein Minimum an Strom, um so wenig Verluste wie möglich zu machen.
Kohlekraftwerke sind gleichzeitig Chinas wichtigster Energieträger und stellen fünfzig Prozent der gesamten Landesversorgung sicher
Das führt dazu, dass es vor allem jetzt, wenn der Winter kommt, regelmäßig Stromausfälle gibt, die nicht nur Chinas Privathaushalte betreffen, sondern vor allem die Produktionsbetriebe hart treffen, während gleichzeitig der dortige Stromverbrauch seit Pandemiebeginn 2020 stark angestiegen ist: Während die Welt weitgehend im Stillstand lag, war das Coronavirus in China bereits gebannt und es wurde wie verrückt produziert, um den ganzen Globus im Lockdownmodus zu beliefern.
Goldman Sachs (NYSE:GS) sagt dazu, dass fast vierundvierzig Prozent aller chinesischer Produktionsbetriebe direkt von den Stromausfällen betroffen sind, weshalb das chinesische Wirtschaftswachstum dieses Jahr voraussichtlich auf 7,8 Prozent sinken wird, im Vergleich zu 8,2 Prozent im Vorjahr.
Die chinesische Regierung hat landesweit (energieintensive) Betriebe angewiesen, während den Stoßzeiten Energie zu sparen bzw. sich auf bestimmte Tage zur Produktion zu beschränken.
Viele Unternehmen sind deshalb in die Nebenzeiten ausgewichen, die bislang von den Krypto-Minern besetzt gewesen waren. Denn der Kryptomarkt wird vor allem zu westlichen Stoßzeiten genutzt, d.h. genau dann, wenn China schlafen geht oder aufsteht.
Kein Platz für Kryptostrom-Verschwender
China hat demnach Kryptomining verbannt, weil man sich deren Stromverbrauch nicht mehr leisten kann, ohne dadurch die eigene Wirtschaftsleistung zu gefährden. Denn mehr Kohlekraftwerke werden es zukünftig kaum werden, nachdem sich China im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens darauf verständigt hat, bis 2060 karbonneutral zu produzieren. Das bedeutet, das Reich der Mitte baut seine Energieversorgung um, sodass es für die weltweit einzige nicht-postindustrielle Nation zukünftig keinen Platz mehr für Kryptostromverschwender gibt.
Bleibt noch die Frage offen, warum China nicht nur Bitcoin-Mining, sondern alle Kryptowährungen gleichzeitig verboten hat – sowohl Handel als auch Besitz.
Die großen Kryptofarmen haben einen großen Teil von Chinas Kryptostromverbrauch ausgemacht. Allerdings waren diese zumindest dezentralisiert und hatten sich überall dort breit gemacht, wo sie der Netzstabilität am wenigsten im Weg standen.
Ganz anders sieht das mit den individuellen Krypto-Usern aus, die von günstigen Grafikkarten und zentralisiert fixierten Strompreisen profitieren und von zu Hause aus minen was das Zeug hält.
Macht das einer, ist das kein Problem, aber wir sprechen von einem Volk von über einer Milliarde Chinesen – macht’s nur jeder tausendste, hat das Stromnetz ein Problem.
Was macht man als staatliches Zentralorgan am einfachsten dagegen? Sämtliche Kryptowährungen verbieten, und fertig.
von von Walter Leonhardt