Ich kann mir gut vorstellen, dass vielen Anlegern der Schock noch tief in den Knochen sitzt. Nordex (DE:NDXG) (WKN: A0D655) meldet eine massive Kapitalerhöhung. Und die Aktie verliert prompt 15 %. Aktuell notiert sie bei 17,25 Euro (Stand: 14. Juli 2021).
Fast 600 Mio. frische Euro will der Windanlagenbauer kassieren, um sein wachsendes Projektgeschäft zu fördern. Auch das Verhältnis von Eigenkapital zu Schulden soll sich bessern. Und gerade das ist dringend nötig, wie ich vor rund vier Wochen bereits erläuterte.
Nordex beglückt auch seinen spanischen Großaktionär Acciona (MC:ANA) (WKN: 865629) erhält entsprechend seiner Beteiligung mehr als 14 Mio. neue Aktien. Im Gegenzug erhält Nordex aber kein Geld, vielmehr erlässt Acciona Nordex einen Großteil seines Darlehens über 232 Mio. Euro.
Nordex-Aktionäre können sich bis zum 15. Juli entscheiden. Bis zum morgigen Donnerstag können sie für je elf bereits im Bestand befindliche Aktien vier neue beziehen. Der Emissionspreis liegt bei 13,70 Euro pro Aktie – ein Rabatt von rund 21 % auf den aktuellen Kurs.
Eine solch große Kapitalerhöhung verwässert in jedem Fall das Eigentum der Aktionäre. Schließlich verteilt sich durch sie der Gewinn, den Nordex erzielt, auf weit mehr Aktien als zuvor.
Nordex hat das frische Kapital nötig Schließlich übersteigt das zinstragende Fremdkapital das momentane Eigenkapital um rund 20 %. Das ist ein hoher Wert, auch im Branchenvergleich.
Die Kapitalerhöhung ist zudem die Grundlage dafür, dass die Banken die Kreditlinie, die Nordex für einige Großprojekte benötigt, um 171 Mio. auf 1,41 Mrd. Euro erhöhen. Die 350 Mio. Euro schwere staatlich garantierte Kreditlinie aus dem August 2020 kann Nordex damit auflösen.
Steigende Rohstoffpreise belasten das Geschäft Allein im ersten Halbjahr 2021 wurde Stahl um mehr als 25 % teurer. Das Nordex-Management um CEO José Luis Blanco denkt über Preiserhöhungen nach. Und der Kostendruck wird auch in Zukunft nicht abnehmen. Die Energiewende dürfte in Zukunft zum stärksten Treiber der Rohstoffnachfrage werden. Stahl und die sogenannten Seltenen Erden werden in großen Mengen für Windräder benötigt. Ohne sie ist eine stabile Versorgung mit grünem Strom kaum vorstellbar.
Dennoch rechnet das Management für das laufende Jahr mit einem Umsatzanstieg auf bis zu 5,2 Mrd. Euro und einer EBIT-Marge von mindestens 4 %. 2020 war diese auf 2 % gesunken. Ich bin sehr gespannt, ob es diese Messlatte überspringen kann.
Die Bilanz könnte stabiler sein Ich deutete es bereits an: Nordex braucht das frische Kapital in erster Linie auch, um seine Bilanz zu stärken. Das Umlaufvermögen ist gerade einmal so hoch wie die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Idealerweise sollte das Verhältnis hier bei mindestens 1,5 liegen. Die Schulden entsprechen fast 90 % des Eigenkapitals. Das ist zu hoch. Zudem übersteigt das Eigenkapital den Goodwill gerade einmal um 40 % und die immateriellen Vermögenswerte nur um 10 %.
Allein das Verhältnis Nettoschulden zu EBIT ist mit -2,3 hervorragend. Der Median der Branche Industrieprodukte liegt hier bei 1,1. Ansonsten ist mir das finanzielle Fundament von Nordex zu wacklig.
Ich habe wenig Vertrauen in das Management Die schwache Bilanz und die steigenden Rohstoffpreise sind schwere Bremsklötze. Und in der Vergangenheit bewies die Unternehmensspitze nur selten ein glückliches Händchen. Das wird deutlich beim Blick darauf, wie effektiv es mit dem Kapital umging. Im Durchschnitt der vergangenen drei Geschäftsjahre liegt der Return on Invested Capital bei -2,5 %. Nordex schaffte es nicht, frisches Geld so zu investieren, dass weiterer Gewinn entsteht. In Sachen Kapitalerhöhung ist das ein schlechtes Zeichen.
Henning Lindhoff besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.
Motley Fool Deutschland 2021