- von Patricia Weiss und Greg Roumeliotis
Frankfurt/New York (Reuters) - Nach monatelangem Ringen um den US-Saatgutriesen Monsanto (NYSE:MON) macht Bayer-Chef Werner Baumann die bislang größte Übernahme eines deutschen Unternehmens perfekt.
Der vor allem für das Schmerzmittel Aspirin bekannte Leverkusener Pharma- und Chemiekonzern legt für Monsanto 66 Milliarden Dollar (58,7 Mrd. Euro) auf den Tisch. Damit ist es auch der größte Zukauf in der mehr als 150-jährigen Firmengeschichte von Bayer (DE:BAYGN) seit der Übernahme des Pharmakonzerns Schering für 17 Milliarden Euro vor zehn Jahren. "Das ist ein wahrhaft historischer Tag für Bayer und Monsanto", freute sich Baumann am Mittwoch. "Dieser Schritt wird die Position von Bayer als führendem Life-Science-Unternehmen in der Welt deutlich stärken." Umweltschützer teilen Baumanns Enthusiamus nicht, von ihnen hagelte es Kritik.
Gemeinsam mit Monsanto steigt Bayer zum weltweit größtem Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut auf mit einem Marktanteil von über einem Viertel. Die beiden Unternehmen kommen derzeit zusammen auf einen Börsenwert von mehr als 120 Milliarden Euro. Bayer alleine wird aktuell mit knapp 79 Milliarden Euro bewertet und ist damit der schwerste Wert im Dax. Im Vergleich zu Bayer nimmt sich Monsanto klein aus: Die Amerikaner setzten 2015 mit über 21.000 Mitarbeiter rund 15 Milliarden Dollar um. Bayer erzielte einen Umsatz von 46,3 Milliarden Euro, wovon 10,4 Milliarden auf die Agrarchemiesparte CropScience entfielen. Die Leverkusener beschäftigen weltweit mehr als 115.000 Mitarbeiter.
BAYER-CHEF BAUMANN AM ZIEL
Bayer hatte in den seit Monaten andauernden Verhandlungen sein Angebot für Monsanto mehrmals scheibchenweise erhöht. Die Gunst der Amerikaner konnte sich der Konzern schließlich mit einer auf 128 Dollar je Aktie in bar aufgestockten Offerte sichern. Gestartet war der Übernahmepoker im Mai mit 122 Dollar je Anteilsschein. Wenn die Kartellbehörden die Freigaben für die Übernahme nicht erteilen, soll Monsanto zwei Milliarden Dollar bekommen - 500 Millionen mehr als bislang in Aussicht gestellt. Laut Experten könnte der Konzern vor allem in den USA auf kartellrechtliche Hürden wegen Überlappungen im Saatgutgeschäft, insbesondere bei Sojabohnen, Baumwolle und Raps, stoßen.
Monsanto-Aktien legten am Mittwochabend leicht zu auf knapp 107 Dollar. Bayer notierten nach deutlichen Kursgewinnen noch leicht im Plus bei 93,55 Euro. Experten äußerten sich erleichtert, dass die Leverkusener nicht noch mehr zahlen mussten, nachdem in den vergangenen Monaten bis zu 135 Dollar je Aktie kolportiert worden waren. "Das zeigt, dass Bayer gut verhandelt hat, aber vielleicht auch, dass Monsanto nicht so stark ist wie gedacht", sagte Fondsmanager Markus Manns von Union Investment.
Die Offerte will Bayer weiterhin aus Fremd- und Eigenkapital finanzieren. Der Eigenkapitalanteil soll bei rund 19 Milliarden liegen und durch eine Kapitalerhöhung und Wandelanleihen finanziert werden. Eine Brückenfinanzierung über 57 Milliarden Dollar wurde Bayer bereits von einem Bankenkonsortium garantiert. Aus Synergien erwartet Baumann drei Jahre nach Abschluss der Übernahme, die für Ende 2017 erwartet wird, jährliche Ergebnisbeiträge von 1,5 Milliarden Dollar.
Die Bayer-Agrarsparte Crop Science soll weiterhin von Monheim in Deutschland aus geführt werden ebenso wie der Pflanzenschutz-Bereich. Der Hauptsitz der weltweiten Saatgutsparte des gemeinsamen Unternehmens soll am Unternehmensitz von Monsanto in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri angesiedelt sein. Zur künftigen Führungsriege des Agrarchemiegeschäfts äußerten sich beide Firmen nicht.
VIELE SEHEN DEAL KRITISCH
Nach Einschätzung von Fachleuten ist der Kauf für Bayer strategisch sinnvoll. Von Interesse ist für die Leverkusener auch Monsantos Expertise beim Einsatz digitaler Technik in der Landwirtschaft - ein Geschäft dem Experten enormes Potenzial zutrauen. Bei vielen Bayer-Anteilseignern waren Baumanns Übernahmepläne bislang gleichwohl auf wenig Gegenliebe gestoßen. Sie hatten den Deal als zu teuer kritisiert und haben Bedenken, dass durch die Übernahme von Monsanto das Pharmageschäft zu kurz kommen könnte. Der US-Saatgutriese hat zudem ein denkbar schlechtes Image und steht wegen seiner aggressiven Geschäftspraktiken und seiner gentechnisch veränderten Produkte seit Jahren in der Kritik. Die Amerikaner sind auch Entwickler des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein.
Umweltverbände äußerten sich entsprechend kritisch. "Der neue Agrochemiegigant häuft eine bislang ungekannte Marktmacht an. Er wird maßgeblich mitbestimmen, welches Saatgut und welche Pestizide auf den Markt kommen", erklärte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Dirk Zimmermann. Schelte kam auch vom US-Bauernverband National Farmers Union: "Eine Konsolidierung dieser Größenordnung kann nicht die Norm für die Landwirtschaft sein, noch sollten wir es ihr erlauben, die künftige Wettbewerbslandschaft zu bestimmen."
Bayer und Monsanto sind nicht die einzigen Konzerne in der Branche, die ihr Heil in Zusammenschlüssen und Übernahmen suchen. Der chinesische Staatskonzern ChemChina schluckt gerade die Schweizer Syngenta (SIX:SYNN) für 43 Milliarden Dollar. Ende 2015 wurde bereits der Zusammenschluss der US-Konzerne Dow Chemical und Dupont zu einem neuen Branchenriesen auf den Weg gebracht. Fallende Getreidepreise und instabile Märkte in den Schwellenländern haben den Firmen zuletzt zugesetzt. Der deutsche Chemieriese BASF (DE:BASFN) ist bislang auf das Übernahmekarussell nicht aufgesprungen.