(neu: Aussagen von Nestle, Analystenstimmen)
VEVEY/PARIS (dpa-AFX) - Der schweizerische Lebensmittelkonzern Nestle (VTX:NESN) (FSE:NESN) sagt dem Geschäft mit der Schönheit zumindest teilweise ade. Wie schon lange spekuliert wurde, trennt sich der Hersteller von Nescafe, Mövenpick-Eis und Maggi-Suppen von einem Teil seiner Beteiligung an dem Kosmetikkonzern L'Oreal (PSE:POR) (FSE:LOR). Käufer ist der französische Konzern selbst.
Insgesamt erwirbt L'Oreal 48,5 Millionen Aktien für sechs Milliarden Euro, wie beide Unternehmen am Dienstag mitteilten. Dafür zahlt L'Oreal 3,4 Milliarden Euro in bar und überträgt zudem Nestle seine 50 Prozent-Beteiligung an dem Gemeinschaftsunternehmen Galderma, das auf die medizinische Hautpflege spezialisiert ist.
NESTLE: KEIN KOMPLETT-AUSSTIEG GEPLANT
Nestle-Aufsichtratschef Peter Brabeck betonte am Dienstag, dass Nestle langfristig an L'Oreal beteiligt bleiben werde. Die Verringerung des Anteils sei nicht als ein erster Schritt für einen kompletten Ausstieg zu werten. Das enttäuschte die Marktteilnehmer, die genau darauf und auf ein entsprechend fettes Aktienrückkaufprogramm gehofft hatten. Nestle-Aktien verloren bis zum Nachmittag als schwächster Wert im SMI-Index 0,81 Prozent auf 67 Schweizer Franken. L'Oreal-Aktien rutschten nach anfänglichen Gewinnen ans Ende des EuroStoxx und verbilligten sich zuletzt um 3,33 Prozent auf 124,70 Euro. Der Konzern hatte am Vortag seine Jahreszahlen vorgelegt, die nicht auf ganzer Länge überzeugten. Zudem belaste die Unsicherheit, wie es nun zwischen Nestle und L'Oreal weiter gehe, sagte ein Händler.
Analysten waren hinsichtlich des Geschäfts geteilter Meinung. Ein Komplett-Verkauf sei auf kurz oder lang die einzig logische Lösung, sagte James Edwardes Jones von RBC Capital. Vontobel-Analyst Jean-Philippe Bertschy hob hingegen die Vorteile hervor, wenn Nestle an L'Oreal beteiligt bleibe. Zum einen gebe es dem Konzern finanzielle Stabilität, zum anderen bewahre er sich langfristig Optionen und Mittel für weitere Akquisitionen. Auch von Seiten der französischen Behörden dürfte es Beschränkungen hinsichtlich des Verkaufs geben, gab Bertschy zu bedenken.
BETTENCOURT-FAMILIE BAUT EINFLUSS BEI L'OREAL AUS
Durch den Verkauf verringert sich Nestles Anteil an L'Oreal von 29,4 Prozent auf rund 23 Prozent. Nestle wird deshalb auch einen Vertreter weniger in den Verwaltungsrat von L'Oreal schicken. Gleichzeitig stärkt der größte Aktionär des Kosmetikkonzerns, die Gründerfamilie Bettencourt, seinen Einfluss. Der Anteil der Familie erhöht sich von rund 31 auf gut 33 Prozent. Bettencourt und Nestle sind seit Jahrzehnten verbandelt und hatten ein gegenseitiges Vorkaufsrecht vereinbart, das im April diesen Jahres ausläuft. Über den Anteilsverkauf von Nestle war deshalb in der Vergangenheit immer wieder spekuliert worden, auch weil die dekorative Kosmetik nicht zum Geschäftsmodell von Nestle passt.
Die Schweizer wollen sich neben Lebensmitteln vor allem im Geschäft mit Gesundheit und Wellness breiter aufstellen. Zu diesem Konzept passt Galderma. Das Unternehmen entwickelt Pflegeprodukte und Medikamente zur Behandlung von Haut-, Haar- und Nagelerkrankungen wie Akne, Rosacea, Psoriasis, Haarausfall, Nagelpilzinfektionen und Pigmentstörungen. Die medizinische Hautpflege will Nestle weiter ausbauen und gründet dafür die Tochter Nestle Skin Health SA.
AKTIEN WERDEN EINGEZOGEN
Von dem Geschäft sollen auch die Aktionäre beider Unternehmen etwas haben. Nestle will den Erlös in den Rückkauf eigener Aktien stecken. L'Oreal wiederum plant, die gekauften Aktien einzuziehen, wodurch sich der Gewinn je Aktie verbessern wird. Die Behörden müssen der Transaktion noch zustimmen. Mit einem Abschluss wird im ersten Halbjahr gerechnet.
L'Oreal will den Kauf mit Hilfe eigener Barreserven sowie der Ausgabe von Schuldverschreibungen stemmen. Ein Verkauf der Beteiligung am Pharmakonzern Sanofi-Aventis (PSE:PSAN) (ETR:SNW) sei nicht vorgesehen, teilte der Konzern explizit mit. Am Markt war zuvor spekuliert worden, dass L'Oreal seine Beteiligung versilbern könnte. L'Oreal besitzt knapp neun Prozent an Sanofi, die Analysten zufolge über acht Milliarden Euro wert sind.