HAMBURG/BERLIN (dpa-AFX) - Die international relativ niedrigen Gaspreise kommen einer Untersuchung zufolge nur selten bei den Verbrauchern in Deutschland an. Versorger hätten 2015 wegen der großen Spanne zwischen fast gleichbleibenden Haushaltspreisen und stark gesunkenen Beschaffungskosten auf dem Erdgas-Weltmarkt insgesamt 1,3 Milliarden Euro extra eingenommen. Dies geht aus einer am Montag veröffentlichten Untersuchung des Hamburger Energieexperten Steffen Bukold im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion hervor.
Den Endkunden seien so im Mittel 132 Euro an möglicher Ersparnis pro Jahr für den Durchschnittshaushalt entgangen. Bukold hatte sich für die Analyse vor allem lokale Unternehmen aus der Grundversorgung vorgenommen. Neben Stadtwerken zählen aber auch die größten überregionalen Anbieter dazu.
Für 2016 hätten die Versorger nun zwar etwas breitere Preissenkungen angekündigt. Auch dabei mache bisher jedoch nur gut ein Fünftel der Anbieter mit, hieß es. Nach Informationen von Check24 kündigten bis Ende Dezember 184 von mehr als 700 Firmen aus der Grundversorgung geringere Gastarife für das erste Quartal 2016 an. "Die erhoffte Welle von Gaspreis-Senkungen ist bisher ausgeblieben", schränkte der Energie-Geschäftsführer des Vergleichsportals, Oliver Bohr, mit Blick auf den durchschnittlich ermittelten Rückgang von 4,6 Prozent ein.
Den Verbrauchern bleibe nur der Weg, Tarife sorgfältig zu vergleichen und gegebenenfalls zu wechseln, riet Bukold. Im Schnitt könne in jeder Region aus 65 Anbietern gewählt werden. Die Preisunterschiede betrügen dabei vielfach mehr als zehn Prozent bei gleicher Leistung.
Die Gaspreise fallen international seit Jahren, in Europa seit 2014 um rund ein Drittel. Grund ist das Überangebot auf den Weltmärkten unter anderem wegen der umstrittenen Fracking-Förderung in den USA.
Von diesem Trend profitieren die deutschen Verbraucher laut Bukold aber viel zu wenig. Nach seiner Auswertung der Beschaffungspreise an der Börse und der Verbraucherpreise der Gasanbieter mussten Endkunden 2015 im Schnitt gut 0,6 Cent pro Kilowattstunde - etwa ein Zehntel des Preises - zu viel zahlen. Besonders stark ausgeprägt war dies in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Einzig in Berlin gab es demnach keine "entgangene Kostensenkung".
Das Bundeswirtschaftsministerium wies darauf hin, dass Anbieter seit 2014 verpflichtet sind, die einzelnen Preisbestandteile transparent zu machen. Verbrauchern stünden so alle Informationen zur Verfügung, um über einen Wechsel nachzudenken, sagte eine Sprecherin am Montag in Berlin. Die Wechselrate sei aber nach wie vor relativ gering.
Generell seien Verzögerungen bei der Preisweitergabe an die Kunden möglich, da Gas-Beschaffungsverträge längerfristig gestaltet seien. Nach Daten des Ministeriums sanken die Einfuhrpreise 2014 um etwa 15 Prozent. Die Preise für Privathaushalte gingen demnach in der ersten Jahreshälfte 2015 leicht auf 7,08 Cent pro Kilowattstunde zurück. Für die zweite Jahreshälfte 2015 lagen noch keine endgültigen Zahlen vor.
Ein Sprecher des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betonte, dass der Endkundenpreis für Gas nur zu etwas mehr als der Hälfte von Beschaffungskosten abhänge. Dazu kämen Netzentgelte sowie Steuern und Abgaben. Zum Teil seien steigende Netzentgelte für 2016 zu erwarten, die die Gaslieferanten dann in ihrer Kalkulation berücksichtigen müssten. Insgesamt wachse der Wettbewerb: "Immer mehr Haushaltskunden nutzen die Möglichkeit, ihren Energieversorger zu wechseln." Auch Bukold erwartet im nächsten Jahr noch mehr Anbieter.
"Die Versorger, die jetzt ihre Gaspreise nicht senken, müssen das sehr gut begründen", kritisierte der Energiefachmann Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. "Wenn nicht im Laufe der nächsten Monate eine Preissenkung angekündigt ist, sollte man einen Wechsel in Betracht ziehen", sagte die Grünen-Umweltpolitikerin Bärbel Höhn. "Die örtlichen Grundversorger senken selten ihre Preise, weil immer noch verhältnismäßig wenig Kunden wechseln.