Ich wage einfach mal eine ein wenig kühne Prognose: Das Schicksal des in Schieflage geratenen Zahlungsdienstleisters Wirecard (DE:WDIG) (WKN: 747206) wird die Welt von Aktien und Börse auch in der nächsten Woche weiter beschäftigen. Der Bilanzskandal weitet sich inzwischen auch auf Behörden aus. Zudem werden die Insolvenz und die Folgen noch für einige Schlagzeilen sorgen.
Auch der operative Alltag des DAX-Unternehmens wird unweigerlich in den Vordergrund rücken. Mit Visa (NYSE:V) und Mastercard (NYSE:MA) haben sich inzwischen zwei prominente Weltkonzerne und eigentliche Partner von Wirecard distanziert. In Großbritannien gibt es außerdem erste Verbote, die den operativen Alltag erschweren dürften. Erst der Beginn eines Prozesses? Ja, das scheint möglich.
Allerdings gibt es auch weitere Blickwinkel. Insbesondere beim Geschäft hat jetzt das Management erste Aussagen getätigt, wie es weitergehen soll. Schauen wir im Folgenden einmal, was Investoren wissen sollten. Und ob das womöglich ein Befreiungsschlag sein könnte.
Das Geschäft wird fortgeführt Wie der Vorstand des DAX-Zahlungsdienstleisters Wirecard nun erklärt hat, werde das Geschäft zunächst weitergeführt, trotz der bisherigen Einschränkungen. Es sei nach Ansicht des teilweise neuen Managementteams das Beste für das Unternehmen und die Gläubiger, wenn man die Geschäftstätigkeiten zunächst fortführe. So ist es am Samstag im Rahmen einer Unternehmensmitteilung mitgeteilt worden.
Derweil dauert die Prüfung des Insolvenzverfahrens weiter an. Der Geschäftsbetrieb der Konzerngesellschaften und der lizensierten Einheiten würde unterdessen fortgeführt werden. Wobei man laufend prüfe, ob auch einzelne Unternehmen aus dem Konzern Insolvenz beantragen müssten.
Die interessanteste Fragestellung dürfte nun lauten: Was bringt das fortgeführte Geschäft? Und werden diese neuen Wasserstandsmeldungen womöglich ausreichen, um zumindest etwas Turnaround-Fantasie in die Aktie zu bekommen?
Investoren sollten skeptisch bleiben Dass Wirecard den operativen Alltag aufrechterhalten möchte, kann natürlich als positiver Indikator gewertet werden. Allerdings als einer, der mit reichlich Vorsicht genossen werden sollte. Denn man sollte gerade als unternehmensorientierter Foolisher Investor bedenken, dass sich auch hier bereits Schwierigkeiten abzeichnen. Und dass der operative Alltag womöglich defizitär ist.
Wie die aktuellen Meldungen rund um Visa, Mastercard und Großbritannien gezeigt haben, dürfte der operative Alltag nicht mehr wie zuvor sein. Wirecard hat nicht nur bei Investoren mächtig Vertrauen verspielt. Nein, der Bilanzskandal als Finanzdienstleister dürfte auch Unternehmenskunden besorgen. Wobei wir hier womöglich erst die Spitze des Eisbergs von Distanzierungen gesehen haben. Das gilt es zumindest im Auge zu behalten.
Zudem sollten Investoren nicht vergessen, dass ein Insider zuletzt erklärt hat, dass die strittigen Abschlüsse die Kosten korrekt ausgewiesen hätten, allerdings nicht die Umsätze. Auch wenn die Quelle womöglich kritisch hinterfragt werden sollte, so könnte das ein Hinweis darauf sein, dass das operative Geschäft insgesamt defizitär ist.
Eine Rückkehr zu einem operativen Alltag erscheint daher nicht möglich. Die Insolvenz ist weiterhin da. Genauso wie der Bilanzskandal. Ein toxischer Mix, der nicht durch das temporäre Aufrechterhalten der Geschäftstätigkeit begradigt werden kann.
Noch immer: Ein großes Risiko! Das Risiko bei Wirecard ist daher unzweifelhaft hoch. Investoren sollten besser die Gesamtlage bewerten. Und eben nicht versuchen, auf kurzfristige positive Neuigkeiten zu setzen. Wirecard hat Vertrauen verspielt. Sowohl bei Unternehmen, als auch bei Investoren. Das kann die Fortführung des operativen Geschäfts nicht wieder hinbiegen. Vor allem, da das operative Geschäft bedrohter denn je ist. Und die Insolvenz wie ein Damoklesschwert über der Aktie schwebt.
Vincent besitzt Aktien von Wirecard. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Mastercard und Visa.
Motley Fool Deutschland 2020