KIEW/MOSKAU/BERLIN (dpa-AFX) - Die Ukraine hat kurz vor einer erwarteten Frühjahrsoffensive gegen die russischen Besatzer ihre Luftabwehr auch mithilfe Deutschlands deutlich gestärkt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte Schutzmaßnahmen für Landwirte in der EU angesichts zollfrei importierter Agrarprodukte aus der Ukraine an. Die USA mahnten die Türkei, einem Nato-Beitritt Schwedens zuzustimmen.
Drei Patriot-Systeme in der Ukraine eingetroffen
Wie der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow am Mittwoch per Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, trafen inzwischen drei Einheiten des US-amerikanischen Patriot-Flugabwehrsystems in dem Land ein. Eines der nun gelieferten Patriot-Systeme stammt aus Deutschland, wie die Bundesregierung auf ihrer Seite zur Rüstungshilfe für die Ukraine bestätigte. Die beiden anderen kommen aus den USA und den Niederlanden.
Patriot ("Phased Array Tracking Radar for Intercept on Target (NYSE:TGT)") zählt zu den modernsten Flugabwehrsystemen der Welt. Damit können feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpft werden. Auf eine Entfernung von etwa 100 Kilometern und bis in Höhen von 30 Kilometern können die Abwehrraketen Ziele treffen. Das ergänzt die ukrainische Luftabwehr, zu der Deutschland neben dem Patriot-System zwei Iris-T-Systeme und 34 Gepard-Flugabwehrpanzer beigetragen hat.
Probleme mit Ukraine-Getreide: Von der Leyen will Schutzmaßnahmen
Im Streit um günstiges Getreide aus der Ukraine kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Schutzmaßnahmen an. Die Deutsche habe einen Brief an betroffene Länder geschickt und mit Blick auf Produkte wie Weizen, Mais und Sonnenblumen entsprechende Schritte vorgeschlagen, sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwoch. Wie diese Maßnahmen im Detail aussehen, wurde nicht gesagt. Theoretisch könnten etwa wieder Zölle auf die Agrarimporte erhoben werden. Derzeit werden auf die ukrainischen Agrarprodukte wegen des russischen Angriffskriegs keine Zölle erhoben.
Polen und Ungarn hatten am Wochenende ein Importverbot für Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte aus der Ukraine verhängt. Die Regierung in Warschau reagierte damit auf Proteste von Landwirten, die sich durch die günstigen Importe unter Druck gesetzt fühlten.
Zwar hat sich Warschau inzwischen mit Kiew bilateral darauf geeinigt, dass Polen für ukrainisches Getreide nur noch Durchgangsstation sein soll, doch Brüssel pocht auf seine Zuständigkeit. "Wir bestehen darauf, dass dies ein erster Schritt ist", so die Kommissionssprecherin.
Die Slowakei hat Einfuhren aus der Ukraine ebenfalls beschränkt, jedoch betont, dass der Transit weiterhin gestattet sei. Zudem verhängte Bulgarien einen Importstopp ab 24. April bis Ende Juni. Der Transit von ukrainischen Agrarerzeugnissen ist aber weiterhin möglich.
USA rechnen mit schwedischem Nato-Beitritt noch vor Gipfel in Vilnius
Die US-Regierung geht trotz der Querelen um den Nato-Beitritt von Schweden von einer Aufnahme des Landes noch bis zum Gipfel des Bündnisses in Vilnius im Sommer aus. "Wir haben jüngst Finnland als 31. Mitglied der Nato willkommen geheißen, und wir freuen uns darauf, Schweden bald als 32. begrüßen zu dürfen", sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Mittwoch bei einem Besuch bei seinem Amtskollegen Pål Jonson im schwedischen Marinehafen Muskö südlich von Stockholm. "Und um es klarzustellen: Wir freuen uns darauf, dass dies vor dem Gipfel im Juli geschieht." Man ermutige die Verbündeten Türkei und Ungarn, Schwedens Beitritt so schnell wie möglich zu ratifizieren.
Unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Schweden im Mai 2022 parallel mit Finnland die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Finnland war vor zwei Wochen nach Zustimmung aller Nato-Mitglieder offiziell Mitglied geworden, Schweden fehlen dagegen weiterhin die Ratifizierungen aus der Türkei und aus Ungarn. Die türkische Führung wirft Schweden nach wie vor mangelnden Einsatz gegen "Terrororganisationen" vor - dabei geht es ihr vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Ungarn wiederum stößt sich an schwedischen Aussagen zu Rechtsstaatlichkeit und Korruption.
Entwicklungsministerium weitet Ukraine-Hilfe aus
Das Entwicklungsministerium in Berlin sagte der Ukraine weitere 111 Millionen Euro an Hilfen für den Wiederaufbau des von Russland angegriffenen Landes zu. Der Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Jochen Flasbarth, vereinbarte dies am Mittwoch in Kiew mit Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk. Wie das Ministerium weiter mitteilte, sollen die Gelder vor allem in Wohnraum für Binnenvertriebene sowie in Reparatur und Ausstattung von Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern fließen.
Flasbarth, der am Dienstag und Mittwoch in der Ukraine unterwegs war, bezeichnete den Wiederaufbau als Mammutaufgabe für das Land und die internationale Gemeinschaft. "Und er beginnt bereits jetzt, auch wenn leider noch kein Ende des Kriegs in Sicht ist. Diese langfristige Perspektive und frühzeitige Planung ist wichtig."
Das deutsche Entwicklungsministerium unterstützt die Ukraine auch bei Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, bei Projekten zur Energieeffizienz, Stadtentwicklung und Berufsbildung sowie den Weg des Beitrittskandidaten Ukraine in die EU. Seit Beginn russischen Angriffskrieges hat das Ministerium nach eigenen Angaben insgesamt rund 787 Millionen Euro bereitgestellt. Die gesamte zivile Unterstützung der Bundesregierung in der Ukraine seit Kriegsbeginn belaufe sich auf rund 3,6 Milliarden Euro, die Kosten für die Unterstützung Geflüchteter aus der Ukraine in Deutschland sind dabei nicht eingerechnet.