Zagreb/Belgrad, 24. Sep (Reuters) - Die Flüchtlingskrise entwickelt sich zum Sprengstoff für die Beziehungen zwischen Serbien und Kroatien, die sich nach dem Balkankrieg in den 90er Jahren nur mühsam wieder angenähert hatten. Serbien warf dem Nachbarstaat am Donnerstag vor, in die Verhaltensmuster seiner faschistischen Vergangenheit während des Zweiten Weltkriegs zurückzufallen. Die Schließung der Grenze für einreisende serbische Bürger und Fahrzeuge erinnere an die Rassegesetze der 40er Jahre unter dem Marionettenregime der Nazis in Kroatien, kritisierte das Außenministerium in Belgrad. Der kroatische Innenminister Ranko Ostojic hatte zuvor erklärt, das Einreiseverbot gelte nur für serbische Fahrzeuge, nicht für serbische Bürger.
Der Streit ließ die Beziehungen zwischen beiden Staaten auf den tiefsten Stand seit dem Abgang des ehemaligen serbischen Präsidenten und mutmaßlichen Kriegsverbrechers Slobodan Milosevic im Jahr 2000 absacken und weitete sich auch zu einem Handelskrieg aus. Serbien verhängte über Nacht ein Einfuhrverbot für kroatische Güter sowie ein Einreiseverbot für kroatische Lastwagen, während das EU-Mitglied Kroatien serbischen Bürgern und serbischen Fahrzeugen den Grenzübertritt verweigerte. Serbien sei von Kroatien brutal angegriffen worden, kritisierte der serbische Justizminister Nikola Selakovic. Der kroatische Ministerpräsident Zoran Milanovic wiederum nannte Serbiens Vorgehen nicht normal. "Es wird keinen Krieg oder Gewalt geben, alles wird ruhig sein, aber das ist kein normales Verhalten", klagte er.
Seit der Grenzschließung durch Ungarn am Dienstag vor einer Woche sind mehr als 40.000 Migranten, viele von ihnen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge, über Serbien nach Kroatien eingereist. Serbien fährt die Menschen mit Bussen direkt von der mazedonischen an die kroatische Grenze. Kroatien seinerseits schickt die Migranten über die Grenze nach Ungarn, das sie dann in Richtung Österreich bringt. Ein Großteil der Flüchtlinge will nach Deutschland.
Kroatien verlangt, dass Serbien nicht länger Zehntausende Flüchtlinge allein über die gemeinsame Grenze schickt, sondern den Strom der Migranten auch in Richtung Ungarn und Rumänien lenkt. Kroatien könne mit dem massenhaften Ankunft von Flüchtlingen nicht mehr Schritt halten, erklärte die Regierung in Zagreb. Der Streit könnte die Beziehungen zwischen beiden Ländern um Jahre zurückwerfen. Serbien war erst nach dem Abgang Milosevics im Jahr 2000 wieder in die Staatengemeinschaft zurückgekehrt. Milosevic hatte die Serben-Truppen in Kroatien und Bosnien während des Zusammenbruchs des Vielvölkerstaats Jugoslawien in den 90er Jahren mit Waffen, Kämpfern und Geld unterstützt.