- von Lawrence Hurley und Julia Fioretti
Washington/Brüssel (Reuters) - Darf die US-Regierung zur Verbrechensbekämpfung von einem privaten Unternehmen Daten anfordern, die im Ausland gespeichert werden? D
iese Frage beschäftigt seit Jahren die Gerichte. Nun kommt es zum Showdown. Ab Dienstag widmet sich der Oberste Gerichtshof dem Problem. Er muss einen Rechtsstreit zwischen Microsoft (NASDAQ:MSFT) und dem Justizministerium entscheiden.
Der Fall stammt aus dem 2013, es ging um Ermittlungen wegen Drogenhandels. Die Strafverfolger forderten von dem Softwarekonzern per richterlicher Anordnung Zugriff auf Emails eines Verdächtigen. Sie waren auf Großrechnern in Irland abgelegt, wo der von der Justiz ins Visier genommene Microsoft-Kunde nach eigener Auskunft auch ansässig war. Das Unternehmen wehrte sich gegen die Preisgabe der Emails mit dem Argument, ein US-Untersuchungsrichter habe keine Entscheidungsbefugnis über im Ausland gespeicherte Daten. Doch, entgegnete das Justizministerium, denn Microsoft sei ein Unternehmen mit Sitz in den USA. Vor Gericht hatte der Konzern bislang Erfolg. Ein New Yorker Berufungsgericht urteilte 2016 zugunsten des Technologiegiganten. Dagegen legte die Regierung Berufung ein und zog vor den Obersten Gerichtshof.
Das anstehende Verfahren dürfte weltweit mit Argusaugen verfolgt werden. Das gilt nicht nur für Datenschützer und die Regierungen anderer Länder, insbesondere in der EU, wo weitreichende Datenschutzbestimmungen gelten. Auch für andere große US-Technologiekonzerne steht allerhand auf dem Spiel. Sie speichern gigantische Mengen in Datenzentren, die in zahlreichen Ländern stehen, und verdienen damit viel Geld. Sollten Regierungen sich grenzüberschreitend Zugriff auf derartige Cloud-Dienste verschaffen können, würde dies das Vertrauen der Kunden in dieses Angebot und damit auch die Geschäfte beschädigen, fürchten die Unternehmen. So erhielt Microsoft Rückdeckung von IBM, Amazon (NASDAQ:AMZN), Apple (NASDAQ:AAPL), Verizon und Google (NASDAQ:GOOGL), die in Gerichtsunterlagen ihre Solidarität bekunden.
Microsoft-Rechtsvorstand Brad Smith warnte jüngst vor Spannungen in den internationalen Beziehungen, sollten die USA bei der Strafverfolgung nicht auch die Gesetze und Interessen anderer Staaten in Betracht ziehen. "Wenn jedes Land Gerichtsgewalt außerhalb seines Territoriums beansprucht, dann kommt jeder an die Daten von jedem", sagte vor kurzem Smiths für EU-Angelegenheiten zuständiger Managerkollege John Frank. Bedenken äußerten in Schreiben an den Obersten Gerichtshof zudem mehrere ausländische Regierungen, darunter Großbritannien und Irland.
RECHTSHILFEERSUCHEN - UMSTÄNDLICH UND LANGSAM
Dem Justizministerium in Washington geht es in dem Streit vor allem um Ermittlungsgeschwindigkeit. Ohne direkten Zugriff auf die gesuchten Daten müssten die Behörden sich auf dem Weg eines Rechtshilfeersuchens an ihre Kollegen in anderen Ländern wenden. Doch das ist umständlicher und kostet Zeit. Dies wiederum behindere die Verfolgung von Terroristen, Drogenhändlern und Kinderpornografie, argumentiert die US-Regierung. Im Kongress läuft derzeit ein Gesetzgebungsverfahren, das die aktuellen rechtlichen Schwierigkeiten beheben soll. Demnach dürften amerikanische Richter die Datenaushändigung weiter anordnen, zugleich aber würden die Unternehmen Widerspruchsmöglichkeiten erhalten, wenn die Anordnung gegen ausländisches Recht verstieße. Das Urteil im Prozess gegen Microsoft wird bis Ende Juni erwartet. Es würde hinfällig, sollte der Kongress davor die Gesetzesänderung beschließen.
In der Europäischen Union (EU) sollen entsprechende Bestimmungen ebenfalls angepasst werden. Derzeit treibt die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag voran, der dafür sorgen soll, dass Unternehmen bei europäischen Strafermittlungen persönliche Kundendaten auf Verlangen aushändigen. Das soll auch für Material gelten, das außerhalb der Union gespeichert wird, wie zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen sagten. Die Initiative diene nicht zuletzt dazu, die europäische Position in Verhandlungen mit den USA zu stärken.