Das statistische Amt der Europäischen Union, Eurostat, hat heute in einer zweiten Schätzung das Wirtschaftswachstum des 1. Quartals 2014 bestätigt.
Wie wir bereits am 18. Mai über die erste Schätzung von Eurostat berichteten, stieg das saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) demnach gegenüber dem Vorquartal im Euroraum um 0,2% und in der EU um 0,3%, womit das Wirtschaftswachstum weit hinter den Erwartungen zurückblieb.
Erzeugerpreise erneut gesunken
Zeitgleich wurde heute die Entwicklung der Erzeugerpreise für April 2014 veröffentlicht. Gegenüber März 2014 sanken die Preise sowohl im Euroraum als auch in der EU um 0,1%, nachdem sie bereits im Vormonat einen Rückgang um 0,2% (Euroraum) bzw. 0,3% (EU) aufwiesen. Gegenüber dem Vorjahresmonat April 2013 fielen die Preise auf Ebene der Produzenten im Euroraum sogar um 1,2% und in der EU um 1,1% zurück.
(Quelle: Eurostat)
Insbesondere wirkte sich der Rückgang der Preise im Energiesektor auf die Gesamtrate aus. Im Vergleich zum Vormonat sanken die Preise für Energie um 0,7% im Euroraum und 0,5% in der EU, auf Jahressicht in beiden Regionen sogar um 3,3%. Ohne den Energiesektor stiegen die Erzeugerpreise in beiden Gebieten zum Vormonat um 0,1%.
Inflation sinkt von 0,7% auf nur noch 0,5% im Mai
Auch die Verbraucherpreise überraschten auf der Unterseite. Wie Eurostat bereits gestern mitteilte, ging die Jahresrate der Konsumentenpreise (HVPI) im Mai von 0,7% auf 0,5% zurück. Das ist – wie schon im März – der niedrigste Stand seit Oktober 2009.
Auch bei diesen Daten schwächelte insbesondere der Bereich der Energiepreise (0,0% gegenüber -1,2% im April), neben Industriegütern (0,0% gegenüber 0,1% im April).
(Quelle: Eurostat)
Im Hinblick auf den wichtigen EZB-Zinsentscheid am Donnerstag (05. Juni, 13:45 Uhr) und die anschließende Pressekonferenz (14:30 Uhr) werden diese Preisdaten als extrem wichtig angesehen und als Hinweis darauf eingestuft, dass die EZB die an dieser Stelle mehrfach skizzierten möglichen geldpolitischen Maßnahmen (Zinssenkung, Liquiditätsbereitstellung, Assetkäufe, etc.) als großes Gesamtpaket beschließen wird. Doch ganz so eindeutig, wie dies in vielen Expertenaugen bereits erscheint, ist die Sache nicht.
Arbeitslosenquoten überraschend gesunken
So präsentierten sich die Arbeitslosenquoten in Europa im April überraschend positiv. Wie Eurostat gestern berichtete, lag die saisonbereinigte Arbeitslosenquote im Euroraum bei 11,7%, ein Rückgang gegenüber 11,8% im März 2014, und in der EU bei 10,4%, was ebenfalls ein Rückgang gegenüber 10,5% im März war.
(Quelle: Eurostat)
Selbst in Griechenland und Spanien sinkt die Arbeitslosigkeit inzwischen deutlich. Berichteten wir am 12. Februar noch über Quoten von 27,8% bzw. 25,8%, so liegen die Raten inzwischen bei „nur noch“ 26,5% bzw. 25,1%.
(Quelle: Eurostat)
Frühindikatoren lassen weitere Erholung der Wirtschaft in der EU erwarten
Zudem lassen die Frühindikatoren eine weitere Erholung der Wirtschaft in der EU erwarten. So wurde am Montag der Einkaufsmanagerindex für die Eurozone für Mai mit einem Wert von 52,2 angegeben. Im Vormonat hatte der Index bei 52,5 notiert. Und heute wurde der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungsbereich für Mai mit einem Punktestand von 53,5 durch die zweite Veröffentlichung bestätigt. Im Vormonat hatte der Dienstleistungsindex bei 53,1 gestanden.
Werte oberhalb von 50 Punkten deuten bei diesen beiden Indikatoren auf ein Wirtschaftswachstum innerhalb der nächsten 6 Monate hin.
Auch der Gesamtindex der Geschäfts- u. Verbraucherstimmung notiert im Mai leicht höher, für die Euro-Zone bei 102,7 nach zuvor 102,0, für alle EU Mitgliedsstaaten bei 106,5 nach zuvor 106,3.
Ebenfalls einen Anstieg verzeichnet der Geschäftsklimaindexfür die Eurozone, der im Mai bei 0,37 notiert, nachdem er im Vormonat bei 0,28 gelegen hat.
Konsum zieht an
Inzwischen nimmt auch die Konsumfreude deutlich zu. Im März 2014 stieg das saisonbereinigte Absatzvolumen des Einzelhandels gegenüber Februar 2014 sowohl im Euroraum als auch in der EU um 0,3%. Bereits im Februar gab es hier einen Anstieg zum Vormonat um 0,1% bzw. 0,3%.
(Quelle: Eurostat)
Es ist also keineswegs so, dass die Wirtschaft neue EZB-Maßnahmen zwingend benötigt. Sie wächst - wenn auch nur langsam.
Nicht das fehlende Wachstum, sondern, wenn überhaupt, das fehlende Tempo der Erholung gefällt der EZB nicht.
Entwicklung von Geldmenge und Kreditvergabe gefährdet Wirtschaftswachstum
Aber eigentlich ist gar nicht die Erholung der Wirtschaft das Problem. Vielmehr beschäftigen die sinkenden Inflationsraten, die moderate Geldmengenausweitung sowie die mangelnde Kreditvergabe die Währungshüter, weil diese Entwicklungen die Wirtschaftserholung gefährden.
So sank die Jahreswachstumsrate der weit gefassten Geldmenge M3 im April 2014 auf nur noch 0,8%, nach 1,0% im März und 1,3% im Februar. Dadurch reduzierte sich der Dreimonatsdurchschnitt der Jahresänderungsraten von M3 im Zeitraum von Februar bis April 2014 auf 1,0%, verglichen mit 1,1% in der Zeit von Januar bis März 2014. Eine ähnliche Tendenz lässt sich in dem Geldmengenaggregat M1 ablesen.
Derweil ist die Kreditvergabe im privaten Sektor gleichzeitig (im April) gegenüber dem Vorjahresmonat um 1,8% gesunken, nach einem 2,2%-Abfall im März. Das Dreimonatsmittel liegt bei -2,0%.
EZB wird möglichst zielgerichtete Maßnahmen beschließen
Entsprechend stellt sich sicherlich nicht die Frage, ob die EZB morgen neue Maßnahmen beschließt. Dies gilt nämlich bereits als sicher. Fraglich ist stattdessen, welche der von den Marktteilnehmern erwarteten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden.
Wir gehen davon aus, dass neben einer Senkung der Leitzinsen nur die Mittel eingesetzt werden, die zielgerichtet die oben genannten Probleme (Geldmenge, Kreditvergabe) angehen. – Und dies könnte den Börsen zu wenig sein.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Sven Weisenhaus
(Quelle: Auszug aus dem Geldanlage-Brief vom 04.06.2014)