Heute ist es wieder so weit: In den USA wird die dortige Zentralbank womöglich Änderungen an der Beleihungsrate vornehmen und diese entsprechend ankündigen. Nun fokussieren sich viele Anleger auf dieses Ereignis und versuchen herauszufinden, welche Auswirkungen dies auf die Aktienmärkte haben könnte. Dabei überschlagen sich die Argumente, die alle, aus ihrer jeweiligen Perspektive gesehen, durchaus tragbar sind. Ich möchte auch gar nicht auf die Thematik eingehen, ob die Kurse als Reaktion auf diese Entwicklungen steigen oder sinken, sondern auf den Trubel um diese Entscheidung selbst.
Der zentrale Punkt ist hierbei, dass die Zinsentscheidungen in anderen Ländern hierzulande kaum medial begleitet werden. Dass man in Japan erst letzte Woche noch am Negativzins von -0.1% festgehalten hat, interessiert hier niemanden. „Das ist doch so weit weg“, ist leider in einer globalisierten Kapitalmarktlandschaft kein tragbares Argument – erst recht nicht, wenn es um die drittgrößte Wirtschaft der Welt geht. Und wenn dem so wäre, würde man ja hierzulande eher die EZB ins Auge fassen und nicht die Zentralbank der USA. Aber auch hier interessiert man sich eher für das, was auf der anderen Seite des Atlantiks passiert.
Natürlich haben die USA als mit Abstand größte Wirtschaft der Welt ein ganz eigenes Gewicht an den globalen Kapitalmärkten und unerheblich sind monetäre Entscheidungen dieses Landes nicht – das soll auch nicht angezweifelt werden. Die Zentralität dieser Finanzeinrichtung im europäischen Diskurs um Entwicklungen am Kapitalmarkt ist aber ein klares Zeichen von finanziellem Imperialismus. Viel schlimmer ist aber, dass man sich diesen selbst geschaffen hat. Durch den politischen Schutz der EU konnte der europäische Wirtschaftsraum weitestgehend von aggressiver Expansion nordamerikanischer Unternehmen geschützt werden, aber den Imperialismus holen sich die Bürger selbst ins Haus. Während man weder Entwicklungen der Euronext oder der EZB verfolgt, hängen europäische Anleger an den Lippen von Jerome Powell. Auf der einen Seite heißt es nun seit Jahren, dass man sich wirtschaftlich unabhängig machen möchte (Stichwort: Energie) und auf der anderen Seite richtet die EZB ihre Terminplanung nach der Zentralbank der USA, während Anleger Livestreams von nordamerikanischen Medien verfolgen. Es herrscht ein starkes Ungleichgewicht in der Wahrnehmung von Finanzakteuren.
Wie gesagt: Die USA sind natürlich wichtig und diese Entwicklungen wirken sich selbstverständlich auf die Märkte aus – ohne Frage! Aber es ist ja kein Geheimnis, dass die Kapitalmärkte nur eine Visualisierung massenpsychologischer Verhaltensmuster sind. Das bedeutet auch, dass im Endeffekt die Anlegerschaft als Einheit bestimmt, was wichtig ist und was nicht. Gerade im Bereich der Elliott-Wellen-Analyse blicken wir als HKCM primär auf die Charts und können so Prognosen treffen, die teilweise mit fundamentalen Prognosen im Konflikt stehen. Das untermalt einmal mehr, dass man sich diesen finanziellen Imperialismus selbst auferlegt und ein Abhängigkeitsverhältnis von den nordamerikanischen Märkten schafft. Dabei sollte sich doch Europa nicht verstecken müssen. Mit seinen zahlreichen Mitgliedsstaaten, die alle einzigartige Wirtschaftsstrukturen aufweisen, sollte das Interesse doch größer an der Entwicklung des Heimatkontinents sein – schließlich nehmen Sie Ihren Kredit ja nach europäischen Leitzinsen auf.
Natürlich gibt es viel an Europa auszusetzen und das soll auch getan werden. Aber man befeuert diese schwierigen Zeiten auf diesem Kontinent nur damit, indem man sich auf diskursiven Imperialismus einlässt und das Tolle im Fernen sucht. Ein reflektierter Konsum von Medien, insbesondere Finanzmedien, ist nicht nur erforderlich, um sich von der gedanklichen Abhängigkeit zu befreien, sondern auch generell, um rationalere Investitionsentscheidungen zu treffen
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