Zölle vs. Inflation: Welche Gefahr wirklich die Unternehmensgewinne bedroht

Veröffentlicht am 23.02.2025, 11:23

Mehr zu den möglichen Auswirkungen von Zöllen finden Sie in unserem Artikel „Zölle im Visier: Warum Anleger jetzt kühlen Kopf bewahren sollten“.

Im Beitrag „Trumpflation“ haben wir bereits diskutiert, warum das Zollrisiko nicht die treibende Kraft hinter der Inflation war. Dort heißt es unter anderem:

"Dank Globalisierung und Technologie haben Verbraucher heute eine enorme Auswahl an Produkten. Zwar können Zölle auf chinesische Waren die Preise für bestimmte Produkte anheben, doch Verbraucher haben meist Alternativen und können problemlos auf andere Produkte ausweichen. Eine aktuelle Studie von Civic Science zeigt genau diesen Mechanismus: Zölle führen nicht zwangsläufig zu steigenden Preisen – letztlich hängt alles von Angebot und Nachfrage ab."

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Wenn die Nachfrage nach Produkten, auf die Zölle erhoben werden, sinkt, führt das in der Regel auch zu fallenden Preisen – was den Inflationsdruck verringert. Zudem sind Zölle keine einseitige Angelegenheit: Erhebt Trump Zölle auf Waren aus China, Europa oder Kanada, reagieren diese Länder oft mit Gegenzöllen auf US-Produkte. Das wiederum dämpft die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen auf beiden Seiten und kann sogar deflationäre Effekte auslösen.

Genau hier liegt das eigentliche Risiko, auf das Anleger achten sollten – nicht die Inflation, sondern die Auswirkungen auf die Profitabilität der Unternehmen.

Wie sich die Situation bisher entwickelt hat

Die Gewinnmargen der US-Unternehmen sind derzeit so hoch wie nie zuvor. Insbesondere die S&P 500-Konzerne verzeichnen Werte, die weit über ihren langfristigen Wachstumstrends liegen.

Gewinne von Nicht-Finanzunternehmen vs. BIP-Wachstumsrate

Dieser Anstieg wurde durch mehrere Faktoren begünstigt: die starke Nachfragesteigerung nach der Pandemie, massive fiskal- und geldpolitische Maßnahmen sowie Störungen in den Lieferketten. Wie die folgende Grafik zeigt, besteht eine enge Korrelation zwischen dem Wirtschaftswachstum und den Unternehmensgewinnen. Historisch gesehen traten größere Abweichungen von dieser Korrelation meist in Phasen wie der Finanzkrise oder der anschließenden wirtschaftlichen Erholung auf.

Unternehmensgewinne vs. Veränderung des BIP

Doch das wirtschaftliche Umfeld verändert sich – und mit ihm drohen mehrere Faktoren, diese hohen Gewinnspannen unter Druck zu setzen.

Ein wesentlicher Treiber der außergewöhnlichen Unternehmensgewinne waren die Konjunkturmaßnahmen während der Pandemie. Milliarden an staatlicher Unterstützung kurbelten die Nachfrage an, während niedrige Zinsen die Finanzierungskosten für Unternehmen senkten. Gleichzeitig konnten viele Firmen von den Lieferkettenproblemen profitieren und gestiegene Kosten ohne großen Widerstand an die Verbraucher weitergeben. Besonders Branchen wie Technologie und Gesundheitswesen stärkten ihre Preissetzungsmacht durch Marktkonsolidierung. Zudem hielten sich die Arbeitskosten lange Zeit unter der Inflationsrate, was den Unternehmen zusätzliche Spielräume verschaffte.

Diese günstigen Bedingungen bestehen nun nicht mehr. Mit der Abkühlung des Wirtschaftswachstums, der Normalisierung der Lieferketten und dem Rückgang der Inflation wird es zunehmend schwieriger, die außergewöhnlich hohen Margen aufrechtzuerhalten.

Umso mehr gilt das, wenn auch noch Zölle ins Spiel kommen.

Zollrisiken für Unternehmensgewinne

Steigende Kosten für Unternehmen – etwa höhere Löhne, Sozialleistungen, Rohstoffpreise oder Energiekosten – müssen in den Verkaufspreis einfließen, damit die Rentabilität erhalten bleibt. Entscheidend ist jedoch, dass Unternehmen höhere Kosten nur dann erfolgreich an die Verbraucher weitergeben können, wenn die Nachfrage das verfügbare Angebot an Waren oder Dienstleistungen übersteigt.

In den Jahren 2020 und 2021 war genau das der Fall: Die Unternehmen konnten den Großteil der inflationsbedingten Preissteigerungen weitergeben, weil die Verbraucher durch staatliche Hilfsprogramme über zusätzliche Kaufkraft verfügten. Doch sobald diese überschüssigen Ersparnisse aufgebraucht sind, lässt die Inflation nach, da die Konsumausgaben sinken. Gleichzeitig geraten die Unternehmensgewinne unter Druck, da es schwieriger wird, gestiegene Kosten an die Kunden weiterzugeben.

Wie bereits gezeigt, führt eine nachlassende Inflation oft auch zu sinkenden Unternehmensgewinnen.

Jährliche Veränderung der Unternehmensgewinne vs. Inflation

Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die Unternehmensgewinne inflationsbereinigt über einen Zweijahresdurchschnitt betrachtet. Als die Inflation 2020 wieder anzog, konnten Unternehmen den Großteil der gestiegenen Kosten an die Verbraucher weitergeben. Heute, da die Inflation aufgrund der nachlassenden Nachfrage zurückgeht, müssen Unternehmen Wege finden, diesen Effekt auszugleichen, um ihre Produkte oder Dienstleistungen weiterhin erfolgreich zu verkaufen.

Ein weiterer Ansatz zur Analyse dieses Zusammenhangs ist der Vergleich zwischen dem Verbraucherpreisindex (VPI) – also den Preisen, die Verbraucher für Waren und Dienstleistungen zahlen – und dem Erzeugerpreisindex (PPI), der die Kosten widerspiegelt, die Unternehmen tragen.

Solange die Inflation steigt und die Nachfrage das Angebot übersteigt, können Unternehmen höhere Produktionskosten an die Verbraucher weiterreichen. Doch wenn die Inflation sinkt und die Nachfrage zurückgeht, wird es für Unternehmen schwieriger, steigende Inputkosten weiterzugeben. In diesem Fall müssen sie entweder ihre Margen reduzieren oder alternative Wege finden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Inflation vs. Spanne von Erzeuger-/Verbraucherpreisinflation

Und genau hier liegt der entscheidende Punkt:

„Unternehmen verursachen keine Inflation. Sie reagieren lediglich auf Veränderungen der Nachfrage und passen ihre Preise sowie das Angebot an, um ihre Rentabilität zu sichern. Wenn die Nachfrage nachlässt, senken sie die Preise, um überschüssiges Angebot zu reduzieren.“

Während Risiken wie hohe Lohnkosten, steigende Kreditkosten, ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum und steuerpolitische Unsicherheiten die Unternehmensgewinne in den kommenden Jahren belasten könnten, wird ein Faktor oft übersehen: das Zollrisiko.

„An den Märkten herrscht die Überzeugung, dass die Aussichten für die USA hervorragend sind, während Europa, das Vereinigte Königreich und China vor wirtschaftlichen Herausforderungen stehen. Das Problem dabei: 41 % der Einnahmen der S&P-500-Unternehmen stammen aus dem Ausland. Sollten Europa in eine Rezession rutschen und sich die Abschwächung in China fortsetzen, hätte das erhebliche negative Auswirkungen auf die Erträge der Unternehmen.“ – Torsten Slok, Apollo Academy

S&P 500 Firmen und ihre Umsätze im Ausland

Eines der größten Risiken, mit denen sich die Trump-Administration bei der Einführung von Zöllen konfrontiert sieht, sind die potenziell negativen Folgen für die Exporte. Zölle sind im Grunde eine zusätzliche Steuer auf importierte Waren, die diese teurer machen. Doch, wie bereits erwähnt, bleiben Zölle nie eine Einbahnstraße – die betroffenen Länder reagieren in der Regel mit eigenen Handelsbarrieren gegen US-Produkte.

Dieser "Wie du mir, so ich dir"-Effekt verteuert nicht nur US-Exporte, sondern trifft sie zusätzlich in einer Zeit, in der der starke US-Dollar ohnehin die Kaufkraft ausländischer Käufer schwächt. Die nachfolgende Grafik zeigt, wie sich frühere Zollmaßnahmen der Trump-Ära auf die Nettogewinnspannen der Unternehmen ausgewirkt haben.

Angesichts des hohen Anteils internationaler Umsätze bei vielen Unternehmen sollten Anleger nicht überrascht sein, wenn steigende Kosten ihre Rentabilität direkt belasten.

Nettomargen von Nicht-Finanzunternehmen

Welche Auswirkungen hat dieses potenzielle Zollrisiko auf die Anleger im Jahr 2025?

Auswirkungen für Investoren

Für Anleger bleibt die entscheidende Frage immer der Zeitpunkt, zu dem wirtschaftliche, politische oder regulatorische Veränderungen ihre Wirkung entfalten. Manche Effekte treten sofort ein – etwa eine Senkung der Körperschaftssteuer. Andere hingegen können sich über einen längeren Zeitraum entwickeln, bevor sie sichtbar werden.

Doch in einem Umfeld, in dem die Gewinnspannen außergewöhnlich hoch sind, das Beschäftigungswachstum nachlässt, die Zollrisiken steigen und sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt, kann es sinnvoll sein, bei bestimmten Marktengagements etwas vorsichtiger zu agieren.

Die folgende Grafik zeigt die langfristige Beziehung zwischen dem Beschäftigungswachstum – also der Quelle von Löhnen und wirtschaftlicher Nachfrage – und der Rentabilität der Unternehmen im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft.

Unternehmensgewinne vs. Beschäftigung

Was bedeutet das nun für Anleger? Ein sinnvoller Schritt wäre, gezielt jene Unternehmen im Portfolio zu beobachten, die einen besonders hohen Anteil ihrer Einnahmen aus dem Ausland erzielen. Diese könnten stärker von Zollrisiken und wirtschaftlichen Entwicklungen in anderen Regionen betroffen sein.

Nachfolgend eine Übersicht namhafter S&P 500-Unternehmen mit einem erheblichen internationalen Umsatzanteil. (Hinweis: Die angegebenen Prozentwerte für Auslandseinnahmen sind Schätzungen auf Basis der verfügbaren Daten aus dem Jahr 2023. Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und andere Bewertungskennzahlen können sich je nach Marktlage und Unternehmensperformance ändern.)

Aktuelle P/S- und P/E-Ratios

Darüber hinaus sollten Anleger eine proaktive und breit diversifizierte Strategie verfolgen. Die folgenden Maßnahmen können helfen, diese Risiken zu minimieren:

  • Fokus auf widerstandsfähige Sektoren: Bestimmte Branchen wie Versorgungsunternehmen, Grundnahrungsmittel und Gesundheitswesen sind aufgrund der stabilen Nachfrage weniger anfällig für Zollrisiken. Eine strategische Allokation in diese Sektoren kann helfen, die Volatilität in stärker betroffenen Bereichen auszugleichen.

  • Gewinnmargen im Blick behalten: Steigende Kosten, nachlassende Nachfrage und Zollrisiken setzen die hohen Margen vieler Unternehmen unter Druck. Anleger sollten prüfen, inwieweit Unternehmen in der Lage sind, ihre Rentabilität unter diesen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Firmen mit effizienten Kostenstrukturen und starker Preissetzungsmacht haben hier einen klaren Vorteil.

  • Absicherung gegen Währungsrisiken: Ein starker US-Dollar kann die negativen Effekte von Zöllen verstärken, da er US-Produkte im Ausland verteuert. Anleger sollten Möglichkeiten zur Absicherung in Betracht ziehen oder Unternehmen ins Visier nehmen, die von einem starken Dollar profitieren.

  • Langfristige Perspektive bewahren: Auch wenn Zölle kurzfristig Unsicherheit verursachen können, sollten Anleger den Fokus auf langfristige Fundamentaldaten richten. Eine disziplinierte Anlagestrategie und die Vermeidung überstürzter Entscheidungen aufgrund kurzfristiger Marktschwankungen können langfristig bessere Ergebnisse liefern.

Ob Zölle tatsächlich die Gewinnspannen der Unternehmen nachhaltig belasten werden, bleibt abzuwarten. Doch die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass dieses Risiko nicht zu unterschätzen ist.

Angesichts der aktuellen Marktdynamik und der sich eintrübenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erscheint das Risiko eines Marktumschwungs, der die Preise wieder stärker an die Bewertungen anpasst, zunehmend realistisch.

Daher halten wir eine vorsichtigere Anlagestrategie für die kommenden Monate für sinnvoll.

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