Tauchen wir mal etwas in die Ansätze der Makroökonomie ein. Während in den Breitenmedien nur zwei Metriken diskutiert werden (Inflation und Leitzins), wissen Ökonomen natürlich, dass man für eine solide Analyse der Weltwirtschaft ein paar Werkzeuge mehr braucht. Wirtschaftswachstum kann verschiedene Motoren haben. Zum einen, und das wenden Schwellenländer oft an, ist eine export-orientierte Wachstumsstrategie die Basis für Kapitalakkumulation durch Exporte von Basis- und einfachen Produktionsgütern. Eine andere Strategie setzt auf die Expansion des Kreditsystems, welches Investitionen finanziert. Andere Systeme basieren auf einer stärkeren Orientierung am Kapitalmarkt, verglichen mit den Investitionen in die Realwirtschaft. Zu guter Letzt gibt es Systeme, die auf den Haushaltskonsum setzen.
Gerade in den USA war der Fokus vor allem auf den letzten beiden Systemansätzen. Deutschlands Wirtschaftswachstum setzte sich eher durch höher-technologisierte Exporte und Haushaltskonsum zusammen. Südeuropäische Staaten basieren eher auf bankenfinanziertem Wachstum. In jedem Fall spielt Haushaltskonsum eine zentrale Rolle in allen finanzialisierten Wachstumskonzepten. Das war nicht immer so, denn gerade im 19. und 20. Jahrhundert wuchsen Wirtschaftsregionen hauptsächlich durch die Prominenz der produktiven Investitionen, die hauptsächlich durch Banken finanziert wurden. Es ist ein traditionelles Modell, in dem Kreditgeber Kapital für die Entwicklung physischer Kapazitäten bereitstellten. Das Problem: Bis diese Investitionen profitabel werden, vergeht Zeit und eine Erfolgsgarantie gibt es dafür auch nicht.
Mit der Entwicklung der Finanztechnologien wandten sich immer mehr Unternehmen – auch solche, die wirklich physische Geschäftsbereiche abdecken – dem Kapitalmarkt zu, um höhere und schnellere Gewinne zu erzielen. Natürlich gibt es auch in diesem Wachstumsmodell keine Garantie für den Erfolg, aber durch die Geschwindigkeit der eintrudelnden Gewinne und Verluste, können letztere eben schneller ausgeglichen werden. Vielleicht kennen Sie es ja: Man will gerade eine Aktie kaufen, die fundamental solide ist, aber in den letzten Jahren eine moderate Performance hinlegte, und kurz vor der Platzierung der Order liebäugelt man mit einer Aktie, die weniger etabliert ist, aber mehr Rendite verspricht.
Nun dieses Denken hat dazu geführt, dass immer mehr Unternehmen in den letzten Jahrzehnten auf konsumfördernde Strategien umstiegen. Man schaffte sich seine Nachfrage praktisch selber, indem die Marketing-Budgets stiegen und die Forschungsbudgets sanken. Auch die Geldpolitik spielte mit, denn um den Bullen-Run aufrecht zu erhalten wurden seit 20 Jahren immer mehr Kaufreize gesetzt. Heute stehen wir aber vor der Situation, dass diese Preisblase bei den Wertanlagen anfängt Luft zu verlieren. Monetäre Nachfragereize können wegen der Inflation nicht mehr gesetzt werden und so taumelten die Aktien letztes Jahr eben in den Seilen.
Zum Glück haben wir bislang einen recht kontrollierten und sauberen Rückgang am Kapitalmarkt erlebt. Zwar ist noch nicht vollends klar, ob wir über den Berg sind, aber dies gibt uns schonmal bisschen mehr Zeit, über eine Umstellung nachzudenken. Damit keine langjährige Rezession folgt, muss die Angebotsseite besser bedient werden. Mehr Infrastrukturprojekte, feste Budgets für Forschung, Richtlinien zur Balance zwischen Kapital- und Produktivinvestments und natürlich angepasste Arbeitnehmergesetze. Eine bessere Unterstützung der Realwirtschaft wird hier essenziell sein, um wirklich strukturelle Probleme zu vermeiden und wieder in einen Wachstumszyklus überzugehen. Die einseitige Abhängigkeit von kontinuierlichem Konsum hat am Ende dazu geführt, dass wir das makroökonomische Gleichgewicht gebrochen haben. Gefährlich wird es dann aber, wenn nun die Produktionsseite bedient wird, die Nachfrage dann aber schon so weit abgefallen ist, dass wir in eine Deflationsspirale fallen – auch bekannt als Rezession. Es gilt also hier fiskalpolitische Gesetzesänderungen auf nationaler Ebene durchzusetzen.
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