In der letzten Woche haben wir darüber gesprochen, wie die Euphorie unter Kleinanlegern nach der Wahl von Präsident Trump spürbar zugenommen hat.
„"Der Markt zeigt sich erstaunlich widerstandsfähig gegenüber negativen Nachrichten – vor allem, weil Kleinanleger weiterhin einsteigen und jeden Rücksetzer als Kaufgelegenheit sehen."
In unseren jüngsten Bull-Bear-Berichten hatten wir diesen Trend bereits thematisiert. Doch ein Blick auf die Stimmung der Privatanleger zeigt, wie bemerkenswert stark ihr Optimismus derzeit ist. Seit der Pandemie waren sie nicht mehr so bullisch eingestellt – und das, obwohl es längst keine staatlichen Konjunkturschecks mehr gibt, die zusätzliches Geld in ihre Taschen spülen.
Es ist absehbar, dass Kleinanleger ihr Engagement in Aktien weiter ausbauen, wenn die Märkte steigen. Je höher die Bewertungen klettern, desto mutiger gehen sie ins Risiko. Oder anders gesagt: "Erfolg schafft Vertrauen."
Ein wesentlicher Faktor dieser Euphorie ist der verstärkte Einsatz von Fremdkapital. Mit wachsender Überzeugung, dass die Kurse weiter steigen, sind viele Anleger bereit, sich Geld zu leihen, um ihre Positionen zu vergrößern. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn man das Vertrauen in steigende Aktienmärkte mit der jährlichen Veränderung des Margin Debt vergleicht.
Die "Fear of Missing Out" (FOMO) ist ein treibender Faktor für Kleinanleger, die Aktienkurse weiter nach oben treiben – aus Angst, eine Chance zu verpassen. Diese Mentalität zeigt sich in ihrer derzeitigen Rekordbeteiligung am Markt und trägt maßgeblich zu den hohen Bewertungen bei.
Howard Marks sagte in einem Bloomberg-Interview im Dezember 2020:
"Die Angst, etwas zu verpassen, hat die Angst vor Verlusten abgelöst. Wenn Anleger bereit sind, Risiken einzugehen und fürchten, den Markt zu verpassen, kaufen sie aggressiv – doch in einem solchen Umfeld gibt es keine Schnäppchen mehr. Genau das sehen wir derzeit. Die US-Notenbank hat mit ihren Nullzinsen dieses Szenario geschaffen. Wir sind wieder an einem Punkt der Unsicherheit angelangt, mit noch niedrigeren erwarteten Renditen als vor einem Jahr und gleichzeitig höheren Asset-Preisen. Wer heute eine attraktive Rendite erzielen will, muss mehr Risiko eingehen. Bei Oaktree setzen wir daher auf einen vorsichtigen Ansatz. Das ist nicht das Umfeld, in dem man bedenkenlos zugreifen sollte."
"Die Renditeaussichten sind überall gering."
Und wie sich herausstellte, hatte Marks recht. Der Marktsturz 2022 hat nicht nur die Gewinne des Vorjahres zunichte gemacht, sondern sogar darüber hinausgehende Verluste verursacht. Genau hier wird der kritische Punkt von Margin Debt und Hebelung deutlich.
Margin Debt zeigt, wie stark der Markt auf Spekulation basiert. Anders gesagt: Margenschulden sind das "Benzin", das die Märkte antreibt – durch Hebelung wird zusätzliche Kaufkraft geschaffen, die die Kurse nach oben treibt. Doch dieser Effekt funktioniert auch in die andere Richtung: Wenn Kreditgeber den Verkauf von Assets erzwingen, um ihre Kreditlinien abzusichern, verstärkt sich der Abwärtstrend erheblich.
Und genau das ist der entscheidende Punkt: Die Auflösung von Margin Debt liegt nicht in der Hand der Anleger. Sie liegt bei den Broker-Dealern, die diese Hebelung erst ermöglichen. Mit anderen Worten: Wenn Sie nicht von sich aus verkaufen, wird es der Broker für Sie tun.
Sobald Kreditgeber befürchten, dass ihre Kredite gefährdet sind, fordern sie entweder zusätzliche Sicherheiten oder sie zwingen zum Verkauf von Vermögenswerten. Das Problem: Nachschussforderungen treten meist gleichzeitig auf – wenn die Preise fallen, betrifft das alle Kreditgeber gleichzeitig.
Margenschulden sind kein Problem – bis sie plötzlich eines werden.
Und wo stehen wir heute?
Margin Debt bestätigt den allgemeinen Überschwang
In letzter Zeit zeigt sich die Euphorie der Kleinanleger besonders deutlich – sie nehmen Leverage auf, die nicht in den Margenstatistiken der Broker-Dealer erfasst werden. Ob durch verstärkten Optionshandel oder den Einsatz gehebelter ETFs – sie haben Wege gefunden, ihr Risiko-Rendite-Profil gezielt zu erhöhen.
Schaut man jedoch speziell auf die Margenverbindlichkeiten – also Kredite, die gegen Sicherheiten in Brokerkonten aufgenommen werden – wird deutlich, dass diese auf einem Rekordniveau liegen.
Wie bereits gezeigt, steigt die jährliche Veränderungsrate der Margenschulden deutlich an. Und solange die Euphorie unter Privatanlegern anhält, gibt es durchaus noch weiteres Potenzial für einen Anstieg.
Werfen Sie einen Blick auf die rote Linie der "freien Kassenbestände". Wie bereits erwähnt, treiben Margenschulden den Markt nach oben, wenn Anleger zusätzliches Fremdkapital nutzen, um ihre Kaufkraft zu erhöhen. In diesem Zusammenhang ist der jüngste Anstieg des Margin Debts wenig überraschend – schließlich geht er mit der zunehmenden Euphorie am Markt einher.
Die Grafik verdeutlicht das Verhältnis zwischen den Barmittelbeständen und der Marktentwicklung. Dabei habe ich die Salden der freien Kassenbestände invertiert, um die Korrelation zwischen steigenden Margenschulden und der Marktentwicklung besser sichtbar zu machen. (Freie Barmittel entsprechen der Differenz zwischen den Margenguthaben und den liquiden Mitteln auf Margenkonten.)
Wie die Grafik zeigt, hat der Markt selbst während größerer Rückschläge – wie der Korrektur von 1987, dem Brexit/Taper Tantrum 2015–2016, dem Zinserhöhungsirrtum 2018 und dem COVID-Einbruch – seinen langfristigen Aufwärtstrend nie gebrochen. Gleichzeitig blieben die freien Kassenbestände stets negativ. Ein Bruch dieses Trends sowie positive freie Kassenbestände waren hingegen markante Kennzeichen der echten Bärenmärkte von 2000 und 2008.
Da die negativen Barbestände nun kurz vor einem neuen Allzeittief stehen, könnte der nächste Abschwung lediglich eine weitere Korrektur sein. Sollte jedoch der langfristige Aufwärtstrend tatsächlich brechen, würde die Auflösung von Margenschulden den Verkaufsdruck erheblich verstärken – und sprichwörtlich Öl ins Feuer gießen.
Wie bereits erwähnt, ist steigende Verschuldung der entscheidende Treibstoff für den Bullenmarkt. Besonders riskant wird dieser Effekt, wenn die Euphorie der Kleinanleger sich nicht nur auf Aktien, sondern auf alle Risikoanlagen ausweitet.
Alle Korrelationen steuern auf Eins zu
Eine alte Börsenweisheit besagt: "Was steigt, muss auch wieder fallen." In Phasen spekulativer Euphorie suchen Anleger gezielt nach Risiken, solange die Preise steigen. Je weiter die Kurse klettern, desto weniger Gedanken machen sich Investoren über die tatsächlichen Risiken – stattdessen werden neue Erklärungen gefunden, warum "dieses Mal alles anders ist."
Doch unabhängig von diesen Begründungen folgt der Markt letztlich einem simplen Prinzip: Angebot und Nachfrage. Aktuell wird die Kursentwicklung in erster Linie davon angetrieben, dass zu viel Kapital – verstärkt durch Hebelung – auf eine begrenzte Anzahl von Anlagewerten trifft.
Dieses inhärente Risiko ist kein neues Phänomen. Besonders kritisch wird es jedoch, wenn sich die Korrelationen zwischen Risikoanlagen extrem angleichen. Genau das beobachten wir derzeit: Die Korrelation zwischen dem S&P 500 und den Schwellenländern sowie internationalen Märkten nähert sich nahezu Eins an. (Zur Einordnung: Ein Wert von 1,00 bedeutet eine perfekte positive Korrelation, während -1,00 eine vollständige negative Korrelation darstellt.)
Es gibt viele Geschichten, die sich um das Thema Bitcoin und Kryptowährungen ranken. Aufgrund seiner Preisvolatilität war Bitcoin jedoch eine effektive "gehebelte" Wette auf steigende Asset-Märkte.
Interessanterweise hat sich die Korrelation zwischen Gold – das oft als Schutz vor Inflation gilt – und den Aktienkursen deutlich verstärkt. Historisch gesehen markiert eine Korrelation von 1,00 zwischen Gold und dem S&P 500 oft einen Höhepunkt für den Goldpreis.
Mit Ausnahme der späten 90er Jahre fiel ein solcher Höchststand der Korrelation auch meist mit den Hochpunkten der Finanzmärkte zusammen. Der Grund: In spekulativen Marktphasen treiben Anleger die Preise aller Vermögenswerte gleichzeitig in die Höhe, wodurch die Vorteile der Portfoliodiversifizierung zunehmend verloren gehen. Doch sobald die Märkte einbrechen und die Hebelwirkung aufgelöst wird, passiert das Gegenteil – dann werden alle Anlageklassen gleichzeitig abgestoßen.
Fazit
Die naheliegende Reaktion auf diese Analyse wäre vermutlich: "Aber Lance, der Margin Debt ist doch kaum höher als 2021!" – doch es gibt wesentliche Unterschiede zwischen damals und heute.
Fehlende Konjunkturpakete, keine Nullzinsen mehr und das Ende der monatlichen 120-Milliarden-Dollar-Quantitativen Lockerung sind nur einige der Faktoren, die das aktuelle Marktumfeld grundlegend verändern. Dennoch gibt es auffällige Parallelen: Der Anstieg der negativen Kassenbestände und die extremen Abweichungen vom langfristigen Mittelwert zeigen, dass spekulative Exzesse weiterhin eine Rolle spielen.
Bedeutet diese Situation, dass die Märkte kurz vor einer bedeutenden Korrektur stehen? Nein.
Sie zeigt lediglich, dass die Hebelung hoch, die Korrelationen zwischen Anlageklassen stark und die Bullenstimmung überschwänglich sind. Die Voraussetzungen für eine Trendumkehr sind also gegeben – doch es fehlt ein auslösender Faktor.
Kurzfristig wirkt dieser Überschwang geradezu ansteckend: Je weiter der Markt steigt, desto risikofreudiger werden die Anleger. Doch genau hier liegt die Gefahr von Margenschulden. Sobald ein unerwartetes Ereignis eintritt, kann es zu einer panikartigen Liquidierung von Positionen kommen. Da die Nachschusspflichten von der Höhe der Sicherheiten abhängen, führen erzwungene Verkäufe zu einem Wertverlust dieser Sicherheiten. Das wiederum löst neue Nachschussforderungen aus – und verstärkt die Abwärtsdynamik in einer sich selbst verstärkenden Spirale.
Weder die Höhe der Margenverschuldung noch die Bewertungen sind zuverlässige Indikatoren, um den Markt präzise zu timen. Aber sie sind wertvolle Hinweise auf spekulative Übertreibungen.
Auch wenn es aktuell so wirkt, als könnte der Markt einfach nicht fallen, lohnt es sich, an die Worte von Warren Buffett zu erinnern:
"Mit dem Markt ist es wie mit dem Sex – am schönsten ist es kurz vor dem Ende."
Und im Moment fühlt sich der Markt außergewöhnlich gut an.