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EZB vor Stimulus - Führungswechsel dürfte reibungslos über die Bühne gehen

Veröffentlicht am 12.07.2019, 06:48
Aktualisiert 02.09.2020, 08:05

Christine Lagarde könnte nicht nur die Händel voll zu tun haben, wenn sie in diesem Jahr von Mario Draghi das Spitzenamt in der der Europäischen Zentralbank übernimmt, sie könnte sie auch gefesselt vorfinden.

Draghi und seine 24 Kollegen im EZB-Rat haben kein Blatt vor den Mund genommen, als sie über Anfang Juni in Wilna ihre Pläne für einen geldpolitischen Stimulus besprachen.

Es gab dem Protokoll des Treffens nach, eine “breite Übereinstimmung” darüber, dass die erhöhte Unsicherheit bedeute, dass der Rat “bereit und vorbereitet für eine Lockerung der geldpolitischen Ausrichtung sein muss, indem er alle seine zur Verfügung stehenden Instrument in angemessener Weise zum Erreichen des Ziels der Preisstabilität einsetzt”. Das Protokoll war wegen des Sitzungsorts fern vom Hauptsitz der Bank etwas mit etwas mehr Verspätung als üblich erschienen.

Und damit kein Raum für Zweifel bleibt: “Potentielle Maßnahmen unter Erwägung schließen die Möglichkeit einer weiteren Ausdehnung und Stärkung des Richtungsausblicks des Bankrats, die Wiederaufnahme von netto Wertpapierkäufen und Zinssenkungen ein.”

Weitere Maßnahmen

Dieser Blick auf die unmittelbare Zukunft kam zusätzlich zu den Maßnahmen, die auf der Juni-Sitzung beschlossen wurden. Der Rat hat seinen Richtungsausblick für den frühesten Termin für Zinserhöhungen auf Mitte 2020 hinausgeschoben und bestätigte, er werde Gelder aus fälligen Anleihen reinvestieren, um das Niveau der quantitativen Lockerung konstant zu halten und legte die Zinssätze für längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (LRGs) auf sehr entgegenkommende Niveaus fest (wenn auch etwas weniger vorteilhaft als in der letzten Runde).

Das Protokoll enthüllte auch den Einfluss von Philip Lane, dem früheren Chef der irischen Zentralbank, der im Juni seinen Posten als Chefökonom antrat. “Herr Lane” tauchte ein Dutzend mal im Protokoll auf, als er die Konjunktur analysiert, einen Rückgang der Wachstumsprognosen feststellte und sich für das Beibehalten negativer Zinssätze aussprach und für die Juni-Sitzung ein Maßnahmenpaket anregte und so weiter.

Wichtige Rolle

Als Lagarde im November das Ruder als Nicht-Ökonomin ohne Zentralbankerfahrung übernehmen wird, dürfte es klar sein, dass der Chefvolkswirt ein Gewicht bekommen wird, wie er es nicht mehr hatte, seit Otmar Issing die Stelle unter Wim Duisenberg schuf.

In der Tat, als Zentralbanker in aller Welt etwas hilflos und sogar ratlos erscheinen, angesichts anhaltend niedriger Inflation und der geringen Wirkung von geldpolitischem Stimulus, ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass die beiden wichtigsten Zentralbanken der Welt – die Federal Reserve und die EZB – in die Hände von Anwälten liegen, die eher in der Politik als in der Geldpolitik zu Hause sind.

Die Investoren nehmen an, dass angesichts ihrer Bilanz als geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds Lagarde als tobende Taube einsteigen wird, die alles tut, was sie kann (oder was auch immer notwendig ist) um Europas lahmende Konjunktur zu beleben.

IWF Report

Und sollte irgendjemand darüber Zweifel hegen, der Jahresbericht des IWFs zur Eurozone, der wegen eines seltsamen Zufalls ebenfalls am Donnerstag erschien, gab den Stimulusplänen der EZB lautstark volle Unterstützung, angesichts der Risiken durch Brexit, Italien und Handelskonflikte.

Die Eurozone sieht sich “einer längeren Periode blutleeren Wachstums und Inflation” gegenüber, war im IWF Report zu lesen, was es “lebensnotwendig” für die Zentralbank mache, den Geldhahn offen zu lassen und sogar den Stimulus wie geplant weiter auszubauen.

Eine der Hauptsorgen des IWFs ist die Prognose, dass die Inflation bis ins Jahr 2022 weit unter dem EZB-Zielwert von 2% feststecken werde und in diesem Jahr nur 1,3% betragen soll.

Reibungsloser Übergang

Draghi hat offenkundig nicht die Absicht, das Amt als lahme Ente zu verlassen, sondern er wird der Zentralbank bis zur letzten Minute seinen Stempel aufdrücken. Der Markt ist sich fast sicher, dass die EZB den Leitzinssatz (den Einlagenzins) auf der Sitzung vom 25. Juli oder Mitte September absenken wird, obwohl dieser schon jetzt auf -0,4% steht.

Angesichts von Lagardes taubenhafter Haltung sollte der Stabwechsel reibungslos verlaufen. In jedem Fall hat Draghi die Bank darauf festgenagelt, eineinhalb Jahre in die Amtszeit seiner Nachfolgerin hinein die Zinsen nicht zu erhöhen und wird wahrscheinlich die EZB in Richtung einer Wiederaufnahme der Wertpapierkäufe und Zinssenkungen steuern.

Kein Platz für Falken

In diesem Szenario gibt es keine Chance für Bundesbankpräsident Jens Weidmann, einem Falken, der öffentlich mit Draghis Politik des lockeren Geldes gehadert hat, den Spitzenjob zu übernehmen. Wie auch immer das Gefeilsche in den Hinterzimmern ablief – die Gerüchteküche kocht – ist es nicht wahrscheinlich, dass Weidmann jemals eine realistische Chance auf den EZB-Chefposten hatte.

Einer der übersehenen Aspekte der Amtsnachfolge in der EZB ist, wie die stark am Vorbild der Bundesbank ausgerichtete EZB, die auch ursprünglich deren Politik verfolgte, immer weniger unter deutschem Einfluss steht, als deren Geldpolitik immer stärker von der strikten Linie der Bundesbank abkommt.

Internationales Prestige

Die EU-Staatsführer haben internationalem Prestige gegenüber Erfahrung in der Geldpolitik den Vorrang gegeben, als sie Draghis Amtsnachfolgerin auswählten. Als die Rolle von Zentralbankern immer politischer wird, erscheint die frühere Finanzministerin Frankreichs zweifellos eine attraktive Wahl zu sein.

Und natürlich konnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nicht eine weitere Runde von Neubesetzungen vorübergehen lassen, ohne einen Franzosen in einen Spitzenjob in der EU zu befördern. Schließlich ist es fast acht Jahre her, seit Jean-Claude Trichet der EZB-Präsident war.

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