Kein Bärenmarkt, aber: DeepSeek stellt die Rentabilität von KI-Investments infrage

Veröffentlicht am 04.02.2025, 07:14
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DeepSeek wird die Fed nicht zu einer strafferen Geldpolitik zwingen. Es wird weder eine Finanzkrise noch eine Kreditklemme auslösen.

Allerdings könnte DeepSeek durchaus Auswirkungen auf einzelne Unternehmen haben – insbesondere auf Nvidia (NASDAQ:NVDA), deren Aktionäre mögliche Einbußen spüren könnten.

Das chinesische Unternehmen hat mit seinem günstigeren Language Learning Model (LLM) die Entwicklung der künstlichen Intelligenz auf ein neues Level gehoben. Doch während DeepSeek den Status quo in der KI-Welt aufmischt, ist es kein „schwarzer Schwan“ für den Aktienmarkt – vielmehr ein „grauer Schwan“, der sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringt.

Einerseits könnte DeepSeek die Verbreitung von KI beschleunigen und so die erhofften Produktivitätsgewinne schneller realisieren. Andererseits könnte der technologische Fortschritt und seine Auswirkungen auch die Überlegungen der Fed beeinflussen.

Trotzdem sehen wir die aktuell hohe Bewertung des US-Aktienmarktes gelassen. Selbst wenn die Kurs-Gewinn-Verhältnisse der „Glorreichen Sieben“ durch DeepSeek unter Druck geraten, könnten die KGVs der übrigen 493 Aktien im S&P 500 steigen. Grund dafür ist das stabile Gewinnwachstum, das die Bewertungen nach wie vor stützen dürfte.

Die digitale Revolution schreitet weiter voran: DeepSeek, ein chinesisches KI-Labor, hat die Branche aufhorchen lassen, indem es ein LLM entwickelt hat, das Berichten zufolge ChatGPT übertrifft – und das zu einem Bruchteil der Kosten. Die Trainingszeit des Modells ist deutlich kürzer, und es kommt mit günstigeren, weniger leistungsstarken Nvidia-GPUs aus. Zudem ist das Modell als Open-Source verfügbar, was den Zugang und die Verbreitung weiter erleichtert.

Wird DeepSeek einen Bärenmarkt auslösen?

Seit Ende der 1920er Jahre hat der S&P 500 insgesamt 22 Bärenmärkte erlebt. Im gleichen Zeitraum kam es zu 17 Rezessionen. Mit anderen Worten: In den meisten Fällen werden Bärenmärkte von Rezessionen begleitet. Und häufig sind es geldpolitische Straffungen, die sowohl Rezessionen als auch Bärenmärkte auslösen.

DeepSeek wird jedoch nicht der Auslöser für eine solche Entwicklung sein. Es wird weder die Fed dazu bewegen, ihre Geldpolitik zu straffen, noch wird es eine Finanzkrise oder eine Kreditklemme auslösen. Selbst wenn amerikanische KI-Unternehmen aufgrund von DeepSeek ihre Investitionen in KI-Infrastruktur reduzieren sollten, wird dies keine Rezession verursachen. Für Aktionäre von Nvidia könnte dies allerdings einen negativen Wohlstandseffekt mit sich bringen.

Wir sehen DeepSeek als einen „grauen Schwan“ – eine Abwandlung des bekannten Konzepts des „schwarzen Schwans“. Schwarze Schwäne sind völlig unerwartete Ereignisse mit meist negativen Folgen für die Finanzmärkte. Sie sind berüchtigt dafür, Rezessionen und Bärenmärkte auszulösen, doch nicht jedes unerwartete Ereignis führt zwangsläufig zu negativen Konsequenzen. Graue Schwäne hingegen sind ebenfalls überraschende Entwicklungen, können aber sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.

Die negative Seite von DeepSeek liegt darin, dass es das Geschäftsmodell einiger US-Unternehmen ins Wanken bringt. Diese Unternehmen hatten fest damit gerechnet, durch ihren exklusiven Zugang zu Nvidias teuersten und leistungsstärksten Chips die KI-Revolution zu dominieren und davon massiv zu profitieren. Die gute Nachricht: Sie könnten dem Beispiel von DeepSeek folgen und ihre Kosten für KI-Infrastruktur ebenfalls senken.

So könnten zumindest Teile der potenziellen Umsatzeinbußen, die durch den Wettbewerb mit DeepSeek und anderen KI-Startups entstehen, wieder ausgeglichen werden. Darüber hinaus werden viele Unternehmen weiterhin von der KI profitieren, indem sie bestehende Produkte anpassen und KI-gestützte Lösungen entwickeln. Auch der zunehmende Wettbewerb in der KI-Branche bringt Vorteile – nicht zuletzt durch sinkende Kosten für Unternehmen und Verbraucher.

Die digitale Revolution dreht sich letztlich um Datenverarbeitung: Es geht darum, immer größere Datenmengen schneller und kostengünstiger zu verarbeiten. Aus dieser Perspektive ist die KI nicht mehr als ein nächster Evolutionsschritt in diesem Prozess. Doch mit der Fähigkeit, riesige Datenmengen zu analysieren, wächst auch der Bedarf an Experten – etwa aus den Bereichen Recht und Verwaltung –, die diese Informationen in sinnvoll nutzbare Anwendungen umwandeln und so die Produktivität weiter steigern können.

Was genau passiert auf den Märkten?

Wird der aktuelle KI-Hype, der die Bewertungen der „Glorreichen Sieben“ in die Höhe getrieben hat, am Ende doch nur als eine Art DotCom-Blase 2.0 in die Geschichte eingehen?

Einige Anleger fragen sich, ob die negativen Reaktionen auf DeepSeek möglicherweise mit der aktuellen Bewertung des S&P 500 zusammenhängen. Die Sorge, dass der Aktienmarkt überbewertet sein könnte, begleitet uns schon seit mindestens zwei Jahren. Tatsächlich neigen Bewertungsmultiplikatoren dazu, in Zeiten wirtschaftlicher Expansion langsam, wie auf einer Rolltreppe, nach oben zu klettern – während sie in Rezessionen schnell, fast wie mit dem Fahrstuhl, nach unten rauschen.

Die zuletzt gestiegenen Anleiherenditen werfen die Frage auf, ob das zukünftige Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 bei seinem aktuellen Stand von 22 möglicherweise einen Höhepunkt erreicht hat. Das könnte ein Hinweis auf einen bevorstehenden Wendepunkt für US-Aktien sein.

Doch trotz dieser Diskussionen sehen wir die Lage entspannt. Die Bewertung des Marktes hat uns in der Vergangenheit nicht allzu sehr beunruhigt – und das tut sie auch jetzt nicht. Wir gehen davon aus, dass sich das Verhältnis zwischen der erwarteten Ertragsrendite des S&P 500 und der 10-jährigen Treasury-Rendite (aktuell 4,526 %) wieder in Richtung seines historischen Durchschnitts bewegen wird. Dies wäre eine Rückkehr zur Normalität nach einer Phase, in der die Fed über viele Jahre hinweg die Zinsen künstlich niedrig gehalten und Anleihen aufgekauft hat.

Das erwartete starke Gewinnwachstum könnte die aktuellen Bewertungen stützen und auf ein gesundes Niveau bringen. Selbst wenn das KGV der „Glorreichen Sieben“ sinkt, könnte dies durch steigende Bewertungen im Rest des Marktes – dem S&P 493 – ausgeglichen werden.

Bedenken Sie Folgendes:

  • (1) Das Aktienbewertungsmodell der Fed

Zwischen 1985 und 2000 bewegte sich die Forward Earnings Yield des S&P 500 und die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen meist im Gleichschritt. Dieses enge Verhältnis begann sich jedoch bis 2020 deutlich zu verändern – vor allem, weil die Anleiherenditen im Vergleich zur Gewinnrendite der Aktien sanken.

Der Grund dafür lag in der lockeren Geldpolitik der Fed: Niedrige Zinssätze und Maßnahmen wie die quantitative Lockerung trieben die Anleihekurse über Jahre hinweg nach oben, was im Umkehrschluss die Renditen drückte.

Interessanterweise hat sich dieses Bild seit 2022 verändert. Zum ersten Mal seit Jahren liegen die Anleiherenditen wieder auf Augenhöhe mit der Forward Earnings Yield von Aktien. Das deutet darauf hin, dass Aktien im Vergleich zu Anleihen aktuell nicht überbewertet sind, sondern sich eher in einem fairen Bewertungsbereich bewegen.

  • (2) Bewertung versus Earnings

Die Bewertungen an den Finanzmärkten geraten oft unter Druck, wenn eine straffere Geldpolitik der Fed zu Turbulenzen führt und letztlich eine Kreditklemme in der Realwirtschaft auslöst. Dieses Szenario konnte die US-Wirtschaft in der jüngsten Phase geldpolitischer Straffung jedoch weitgehend vermeiden.

Mit der Einführung von DeepSeek stellt sich nun eine zentrale Frage: Werden die enormen Summen, die die „Glorreichen Sieben“ in Rechenzentren, Halbleiterchips und KI-Modelle investieren, tatsächlich die erhofften Renditen liefern? Oder könnte sich der aktuelle KI-Hype, der die Bewertungen dieser Tech-Giganten in die Höhe getrieben hat, als eine Art Dotcom-Blase 2.0 entpuppen?

Auf der anderen Seite könnten die „Glorreichen Sieben“ von sinkenden Kosten profitieren, indem sie KI effizienter für interne Prozesse nutzen. Diese Effizienzgewinne könnten helfen, die hohen Investitionsausgaben abzufedern und die Gewinnmargen zu stabilisieren.

Wir sind der Ansicht, dass das Gewinnwachstum bis zum Ende des Jahrzehnts der wichtigste Treiber für die Aktienmarktrenditen sein wird. Analysten prognostizieren aktuell, dass die Unternehmen im S&P 500 ihre Erträge in den kommenden fünf Jahren um durchschnittlich 17,9 % pro Jahr steigern werden. Auch wenn diese Schätzung im Rahmen der Erwartungen liegt, spiegelt sie ein solides Wachstum wider – insbesondere, da die Bewertungsniveaus niedriger sind als in den Jahren vor der Pandemie. Anleger sind tendenziell bereit, höhere Preise für Aktien zu zahlen, wenn das Gewinnwachstum nachhaltig hoch bleibt.

Die „Glorreichen Sieben“ dürften durch den effizienteren Einsatz von KI weiterhin von Kostensenkungen profitieren, was Verluste durch ihre hohen Investitionsausgaben ausgleichen könnte. Selbst wenn ihre derzeitige Gewinnmarge von 25,5 % leicht zurückgeht, könnte der Rest des S&P 500 von günstigeren KI-Tools und steigender Produktivität profitieren. Das könnte dazu führen, dass sich die kollektive Gewinnmarge der übrigen 493 Unternehmen von aktuell 12,0 % nach oben bewegt. Eine solche Entwicklung könnte den Gesamtmarkt stützen: Selbst wenn die Bewertungen der „Glorreichen Sieben“ sinken, könnte ein Anstieg des Forward-KGVs der übrigen S&P-493-Unternehmen die Marktbewertungen insgesamt stabil halten.

Sollten Unternehmen ihre Kosten schneller senken und die Produktivität der Beschäftigten zügig steigen, hätte die Fed zudem einen zusätzlichen, inflationsdämpfenden Rückenwind – ein Faktor, der in geldpolitischen Entscheidungen künftig stärker berücksichtigt werden könnte.

  • (3) Der Fed-Effekt

Werden sich die Fed-Vertreter Gedanken über die durch DeepSeek ausgelösten Turbulenzen an den Märkten machen? Vielleicht. Sollte es zu einem deutlichen Rückgang der Aktienkurse kommen, könnten sie befürchten, dass der sogenannte Wealth Effect – also der Einfluss des gefühlten Wohlstands auf die Konsumausgaben – nachlässt. Wir halten es zwar für eher unwahrscheinlich, dass dieser Gedanke im Zentrum der Fed-Überlegungen steht, aber ausschließen lässt es sich nicht.

Viel wahrscheinlicher ist, dass die Fed sich dafür interessiert, wie das günstigere KI-Modell von DeepSeek die Verbreitung von Künstlicher Intelligenz in der gesamten Wirtschaft beschleunigen könnte. Wenn Mitarbeiter durch den Einsatz von KI produktiver werden und Unternehmen ihre Kosten schneller senken können, entsteht ein deutlicher deflationärer Druck, den die Fed in ihre geldpolitischen Entscheidungen einbeziehen muss. In diesem Zusammenhang könnten die Währungshüter sogar argumentieren, dass der neutrale Zinssatz – also das Zinsniveau, das weder Wachstum noch Inflation antreibt – niedriger ist als zuvor. Das wiederum könnte sie dazu bewegen, den Leitzins weiter zu senken.

Wir sehen das jedoch etwas anders. Aus unserer Sicht würde ein KI-getriebenes Produktivitätswachstum zwar das reale BIP-Wachstum ankurbeln, die Inflation aber auf einem moderaten Niveau halten. In einem solchen Szenario bestünde aus unserer Sicht kein Anlass, die Zinsen zu senken. Im Gegenteil: Sollte die Fed die Zinsen trotzdem weiter nach unten anpassen, könnte dies das Risiko einer Blasenbildung an den Finanzmärkten erhöhen, insbesondere bei risikoreicheren Anlageklassen.

Die möglichen Szenarien sind derzeit so abgesteckt:

  • Das wahrscheinlichste Szenario ist aus unserer Sicht ein Roaring 2020s-Umfeld, geprägt von robustem Wachstum und moderater Inflation. Wir schätzen die Wahrscheinlichkeit dafür auf 55 %.
  • Eine andere Möglichkeit wäre eine Marktkorrektur ähnlich der späten 1990er Jahre – mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 25 %.
  • Ein stagflationäres Szenario wie in den 1970er Jahren halten wir hingegen für weniger wahrscheinlich (20 %).

Selbst im schlimmsten Fall sehen wir in der DeepSeek-Entwicklung eher einen grauen Schwan – also ein unerwartetes, aber nicht katastrophales Ereignis. Von einem schwarzen Schwan, der die Märkte ins Chaos stürzt, kann aus heutiger Sicht keine Rede sein.

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