Die USA sind der weltweit führende Exporteur von Dienstleistungen und der Dienstleistungssektor ist der wichtigste Wachstumstreiber der amerikanischen Wirtschaft. Das ist grundsätzlich eine große Stärke – in einem globalen Handelskonflikt kann sie sich allerdings auch als verwundbare Schwachstelle erweisen.
Ein zentrales Risiko für den US-Dienstleistungssektor besteht darin, dass höhere Zölle in der Regel zu einem Rückgang des internationalen Handels führen. In gewisser Weise kann das sogar als Vorteil gesehen werden, da die USA bei Industriegütern ein hohes Handelsdefizit aufweisen. Was dabei jedoch häufig übersehen wird: Bei Dienstleistungen haben die USA einen deutlichen Handelsüberschuss – und gerade dieser Bereich ist für die US-Wirtschaft besonders bedeutsam.
„In den meisten Fällen lösen Zölle die Probleme im Zusammenhang mit Handelsdefiziten nicht – sie führen lediglich dazu, dass weniger Handel stattfindet. Es wird weniger importiert und weniger exportiert, aber das Gesamthandelsdefizit verändert sich meist kaum“, erklärt Brad Setser, Senior Fellow beim Council on Foreign Relations und früherer Beamter im Finanzministerium sowie im Büro des US-Handelsbeauftragten unter der Regierung Biden.
Vor diesem Hintergrund gerät der amerikanische Dienstleistungssektor in einem globalen Handelskrieg schnell ins Visier. Die Zahlen sprechen für sich: Die USA verzeichnen regelmäßig einen deutlichen Handelsüberschuss im Dienstleistungsbereich – im Februar lag der Nettoexport bei rund 24 Mrd. USD.
Dieser Exporterfolg war stets eine wichtige Stütze für den US-Dienstleistungssektor – und damit für den mit Abstand bedeutendsten Wachstumsmotor der amerikanischen Wirtschaft. In einem globalen Handelskonflikt kann sich diese Stärke jedoch schnell ins Gegenteil verkehren: Sie wird zur potenziellen Schwachstelle. Und das bleibt international nicht unbemerkt – gerade in einer Phase, in der viele Regierungen weltweit darüber nachdenken, wie sie auf die US-Zollerhöhungen reagieren könnten.
„Die Europäische Union ist ein Nettoimporteur von US-Dienstleistungen – eine Position, die der EU recht viel Munition verschafft“, erklärt Tobias Gehrke, Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations.
„Der einzige Hebel, den die Europäer haben, sind letztlich die Dienstleistungen“, sagt Mujtaba Rahman, Managing Director für Europa bei der Eurasia Group, einer politischen Beratungsfirma. „Diese Situation wird eskalieren, bevor es zu einer Deeskalation kommt.“
Ein weiteres Risiko für den US-Dienstleistungssektor zeigt sich in der jüngsten Verlangsamung des Wachstums – und das noch ganz ohne die Folgen eines globalen Handelskriegs. Der ISM-Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen, ein stimmungsbasierter Frühindikator, schwächte sich im März spürbar ab und erreichte den niedrigsten Wert seit Juni 2024. Mit einem Stand von 50,8 liegt der Index nur knapp über der neutralen Schwelle von 50 – ein Signal dafür, dass der Sektor sich bereits am Rand einer Stagnation bewegt. Sollte der Gegenwind durch den weltweiten Handelskonflikt zunehmen, könnte das Bild noch düsterer werden.
Trotz der großen Aufmerksamkeit, die dem verarbeitenden Gewerbe in den USA zuteilwird – und trotz der Bemühungen des Weißen Hauses, diesen Sektor wiederzubeleben – bleibt die amerikanische Wirtschaft in hohem Maße vom Dienstleistungssektor abhängig. Anders ausgedrückt: Die Entwicklung im Dienstleistungsbereich wird entscheidend dafür sein, wie hoch das Rezessionsrisiko tatsächlich ist und wie tief ein möglicher Abschwung in den kommenden Monaten ausfallen könnte.