Als die beiden wichtigsten und am stärksten beobachteten Zentralbanken der Welt—die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-amerikanische Federal Reserve—jetzt ziemlich offen über Zinssenkungen reden, sind die Kurse an den globalen als auch den regionalen Märkten in Vorwegnahme hochgeschossen. In der Tat machen häufig auch die banalsten Kommentare von Fed-Vertretern Schlagzeilen und schicken die Märkte sofort in die eine oder andere Richtung.
Die gängige Ansicht ist seit langem, dass Zinssenkungen gut für die Aktienkurse sind. Aber stimmt das tatsächlich? Hat eine Zinssenkung der Fed positive Folgen auf die Märkte, nach einer Phase steigender Zinssätze? Ein Blick auf die Kursentwicklung der letzten 30 Jahre in zeitlicher Nähe zu Zinssenkungen sagt und dreierlei Dinge:
1. Von 1989 bis einschließlich 2007 ging jeder einzelnen Zinssenkung eine starke Kursentwicklung am Aktienmarkt voraus, sobald der Zinsschritt durch die Fed signalisiert wurde. Im Durchschnitt gewann der S&P 500 vor der tatsächlichen Senkung 3,5% an Wert. Das ist fast das Fünffache der durchschnittlichen Monatsentwicklung des Index von 0,74%.
Natürlich reflektiert dies die Tatsache, dass eine Zinssenkung keine Überraschung ist. Die Fed will keine Volatilität schaffen, indem sie die Märkte überrascht, sodass sie tiefere Zinsen lang vor der eigentlichen Absenkung signalisiert. In der Tat ist ein Monat vor der Fed-Sitzung der perfekte Zeitpunkt den Zinsschritt bekanntzumachen und wie sich in der Kursentwicklung zeigt—begreifen die Investoren offensichtlich die Fingerzeige und preisen die tieferen Zinsen schon lange ein, bevor sie tatsächlich kommen.
Wir sehen derzeit genau so eine Situation. Letzte Woche sagte Powell, die Fed werde "angemessen handeln" und signalisierte damit, dass die Zinsen wahrscheinlich nach unten gehen werden. Derzeit sagt der Durchschnitt der Schätzungen, dass es eine 69 prozentige Chance auf eine Zinssenkung der Fed auf ihrer Sitzung im Juli gibt, während die Wahrscheinlichkeit dafür am Markt vor noch einem Monat bei lediglich 20% gesehen wurde.
Auch wenn die nächste Sitzung für den 19. Juni angesetzt ist, wird die zu früh für eine endgültige Entscheidung zu den Zinsen angesehen, besonders da die Fed nicht die Zeit hatte, ein solches Ereignis angemessen zu kommunizieren, wie sie es bevorzugt. Dennoch, die Sichtweise am Markt ist, dass wir die erste Zinssenkung der Fed in mehr als einem Jahrzehnt, seit dem 16. Dezember 2008 sehen könnten.
2. Zinssenkungen helfen fallende Märkte auf kurze Sicht zu stabilisieren. In 1998, 2001 und 2007, entwickelte sich der S&P 500 in den drei Monaten vor der Zinssenkung negativ. Die Andeutung einer Zinssenkung und deren Umsetzung bedeutete, dass die Monate rund um den Zinsschritt positiv für den Index waren und dieser auch dazu beitrug, die Turbulenzen an den Märkten zu glätten.
3. Zinssenkungen sind allerdings kein Wundermittel für eine lahmende Konjunktur. Das zeigt sich in der Marktentwicklung drei Monate und sogar ein Jahr später, dass die tieferen Zinsen nicht notwendigerweise die Aktienkurse auf längere Sicht beleben können. In 2001 und 2007 konnten tiefere Zinsen nicht die folgenden Markteinbrüche verhindern. Es ist unmöglich zu sagen, ob das Absenken der Zinssätze die Kursrückgänge zumindest geringer ausfallen ließ, aber es konnte sie klar nicht verhindern. Auf längere Sicht garantieren Zinssenkungen keine starke Börsenentwicklung.
Die Wahrscheinlichkeit einer US-Zinssenkung im Juli steigt. Der Markt hat schon begonnen sie einzupreisen. Weitere Hinweise werden starke Kurschancen in den Juli hinein schaffen.
Dennoch ist wie immer Vorsicht angebracht. Die außerordentlich niedrigen Zinssätze, die wir über das vergangene Jahrzehnt hin gesehen haben sind ökonomisches Neuland für das eine historische Makroperspektive wenig richtungsweisend ist.
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