von Wolfgang Müller
Bei der letzten Sitzung der Fed war es soweit: Die US -Notenbank kündigte an die ultralaxe Geldpolitik zu beenden und die Märkte nicht weiter mit Geld zu fluten, aber bis zu einer Zinsanhebung ist es doch noch ein Stück des Weges. Was betont Fedchef Jerome Powell stets mantraartig bereits im ersten Satz seines Statements? Der Auftrag der Fed sei „Maximum Employment and Price Stability“. Aber es gibt Weiteres, worauf die Notenbank ein besonderes Augenmerk legt: der Konsum.
Fed: Wirtschafts- und Geldpolitik gehen Hand in Hand
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz und wurde nicht erst im Dezember 2018 deutlich, als die Märkte aufgrund eines Kommunikationsgaus von Jerome Powell um 19,78 Prozent in die Tiefe rauschten. Powell verkündete vor dem Eintritt in einen Bärenmarkt umgehend eine 180 Grad-Wende in der Zinspolitik und es wurde klar: Die Fed achtet auch auf den Aktienmarkt!
Schließlich liegt da nicht nur das Kapital der oberen ein bis zehn Prozent der Amerikaner, da diese im Besitz der großen Aktienmehrheit sind, auch der Mittelstand profitiert vom Wohlergehen des Aktienmarktes. Über die 401 (K)-Aktiensparpläne zur Altersvorsorge und vor allen Dingen über die Ausschüttungen der Dividenden, mit denen die Pensionsfonds für Millionen Amerikaner die Rentenzahlungen leisten. Nicht umsonst werden in kaum einer Krise die Dividendenzahlungen gesenkt, es gibt sogar Unternehmen, die über Jahrzehnte hinweg ununterbrochen die Dividende angehoben haben. Aber es gibt noch etwas, auf das der Staat und die Notenbank ein großes Augenmerk legen. Es ist der Konsum mit seinem 70 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten. Schwächelt der Verbraucher, geht es rasch in Richtung Rezession.
Das Konsumentenvertrauen ist der Alarmgeber
An dieser Übersicht (siehe unten) ist sehr schön erkennbar, Einbrüche der Konjunktur und des Verbrauchervertrauens laufen parallel, weil in dieser Phase Teile des Konsums einbrechen und dies das Bruttoinlandsprodukt sofort in den Minusbereich zieht. Daher ist dieser Indikator ein wichtiges Signal für die Wächter über die Wirtschaft. Was aber gleichzeitig bedeutet, dass es in Phasen der Rezession in der USA stets darum geht, den Konsum anzukurbeln. Früher geschah dies mit der üblichen Zinssenkungspolitik, seit Corona ist dieses Schwert stumpf geworden. In den letzten Monaten hat das US-Verbrauchervertrauen arg gelitten, die Zuversicht der Amerikaner ist gesunken. Ist es ein Grund dafür, warum der Chef der US-Notenbank Fed vor einer noch unvollständigen Erholung warnt?
Am faktischen Konsum der Amerikaner kann es nicht liegen.
Die US-Einzelhandelsumsätze, der Retter des GDP
An dieser Grafik sieht man am deutlichsten, warum die US-Wirtschaft trotz des großen Einbruchs in Q2 des Vorjahres mit nur minus 3,5 Prozent aus dem Krisenjahr herauskam. Es waren die Einzelhandelsumsätze (Retail Sales), die nach April 2020 gewaltig angezogen hatten, als Folge einer koordinierten Politik von Staat und Notenbank, die alles Bisherige verblassen ließ:
Woher das Geld in der Krise?
Es war schon auffällig, wie schnell die Regierung von Donald Trump im März 2020 ein Rettungspaket für die Konjunktur als auch für den US-Verbraucher geschnürt hatte.
Das große Hilfspaket mit zwei Billionen Dollar, weit mehr als jenes während der Finanzkrise 2008 mit 700 Milliarden Dollar. Darunter Schecks in Höhe von 1200 Dollar für die US-Bürger – und es sollte nicht das letzte Paket und nicht das letzte Helikoptergeld sein. Zudem gab es eine Arbeitslosenunterstützung in einem Ausmaß, den es noch nie in der Geschichte der USA gegeben hatte. In einigen Bundesländern erreichte die „Stütze“ über 4500 Dollar monatlich, insgesamt bekamen Millionen Arbeitnehmer (ein Viertel aller Arbeitslosen) mehr Geld, als sie durch ihre reguläre Beschäftigung erhalten hatten. Mit Folgen, die noch heute zu spüren sind.
Und wofür waren diese vielen Milliarden Dollar an Hilfsgeldern gedacht? Zur Stützung des US-Konsums, Donald Trump hatte gewiss nicht seine soziale Ader entdeckt. Durch das staatliche Füllhorn war die US-Sparrate auf sensationelle 19 Prozent gestiegen, auch ein Grund dafür, warum in der Nachholphase und der Entsparung die Lieferketten fast zum Bersten gebracht worden sind.
Was hat dies mit der Fed zu tun?
Die US-Notenbank Fed hatte die staatlichen Rettungspakete mit der flankierenden Maßnahme der Anleihekäufe begleitet, Quantitative Easing, 120 Milliarden Dollar monatlich, 40 Milliarden davon für Papiere aus dem Immobilienbereich. Die Renditen fielen auf historische Tiefststände. Die Zinslast der Hauseigentümer ebenso, für den gestiegen Wert der Immobilien konnte man sich höher beleihen. Der Konsum florierte.
Auch wenn die Anleihekäufe indirekt über die Banken den Aktienmarkt antrieben, es wurde auch das Zinsniveau in absolute Tiefen gedrückt. Die maßgebliche zehnjährige US-Staatsanleihe fiel im August 2020 auf ihr Allzeittief von 0,52 Prozent.
Hier der Chart mit den langfristigen Hypothekenzinsen:
Da so ziemliche alle Verbraucherkredite an die Benchmark der 10-jährigen US-Treasuries gekoppelt sind, sanken überall die Belastungen für die Bürger, es wurde Kapital für den Konsum frei. Vergessen wir nicht: Die Staatsschulden der USA liegen bei knapp unter 30 Billionen Dollar, die Gesamtverschuldung der USA aber schon über 80 Billionen Dollar. Da belastet jedes Zehntel Zinsanstieg mit Milliardensummen zusätzlich, speziell den hoch verschuldeten US-Verbraucher.
Das war der praktische Teil der Arbeit der US-Notenbank Fed in der Corona-Krise.
Aber die Geldhüter versuchen auch in ihrer Kommunikation die Konsumenten bei Laune zu halten. Die Fed bemüht sich stets in ihren Statements gezielt Optimismus zu verbreiten, der uralten Regel folgend: Wirtschaft ist zu mindestens 50 Prozent Psychologie. Ein Notenbankchef, der mit sorgenschwangerem Gesicht vor Inflation und Wirtschaftsabschwung warnte, würde zuerst das Vertrauen der Verbraucher „zerlegen“ und umgehend einen Einbruch des Konsums mit den gerade dargelegten Folgen für die Gesamtwirtschaft verursachen. Die Ursache für die ein oder andere „Notlüge“ des Chair der Fed.
Fazit
Staat und Notenbank haben im Coronajahr eine gewaltige Blase aufgepumpt, zunächst die US-Regierung, die Regierungen der Bundesstaaten und manche Kommunen, die den beschäftigungslosen Arbeitnehmer mit nie dagewesener Arbeitslosenunterstützung versorgt haben. Mit der Folge, dass sich viele der Profiteure auch aktuell noch zieren einen Job anzunehmen, in dem sie weniger verdienen als durch die erhaltene staatliche Fürsorge. Die Job Openings (offenen Stellen) sind dafür der ständige Beweis. Die Notenbank hat mit ihren Anleihekäufen/Käufen von Mortgage Backed Securities sowohl die Aktienhausse befeuert als auch die Überhitzung des Immobilienmarktes verursacht. Und sogar jetzt kauft die Fed noch für Milliarden die hypothekenbesicherten Anleihen. Denn auch hier darf es keinen raschen Wertverlust und auch keine höheren Zinsen geben.
Ergo, worüber machen sich Staat und Notenbanken stets besondere Gedanken? It’s Consumption Stupid, im Land der unbegrenzten Kreditkarten.
Fed-Chef Powell führt bei seinen Begründungen für die Geldpolitik immer den Arbeitsmarkt und die Vollbeschäftigung ins Felde. Klar können nur Menschen in Arbeit, Konsum und Wirtschaft auf hohem Niveau halten. Dumm ist nur, dass der Staat mit seiner überbordenden Fürsorge eine Situation geschaffen hat, die die US-Arbeitnehmer in eine Position ungewohnter Stärke versetzt hat. Bei einer aktuellen Umfrage haben Unternehmer als vordringlichstes Problem nicht Inflation und Lieferengpässe kommuniziert, sondern die Sorge, nicht ausreichend Arbeitskräfte rekrutieren zu können. Verkehrte Welt in den USA – und da wäre sie, die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale.