Vor über einem Jahrhundert verfolgte der Abgeordnete und spätere US-Präsident William McKinley eine aggressive Zollpolitik, um die amerikanische Industrie zu schützen und die Abhängigkeit von ausländischen Importen zu verringern. Mit dem McKinley Tariff Act von 1890 hob er die Einfuhrzölle auf durchschnittlich 50 % an – eines der höchsten Niveaus in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
Die Idee dahinter war simpel: Wenn ausländische Waren teurer werden, würden Amerikaner verstärkt heimische Produkte kaufen, was die Wirtschaft ankurbeln sollte.
Doch die Realität war komplizierter. Statt die Handelsposition der USA zu stärken, führten die Zölle zu Vergeltungsmaßnahmen anderer Länder. Die Preise stiegen – vor allem für die Mittelschicht und Geringverdiener – und der Widerstand in der Bevölkerung wuchs. Bei den Zwischenwahlen von 1890 machten die Wähler ihrem Unmut Luft: McKinley verlor seinen Sitz, und die Demokraten übernahmen die Mehrheit im Repräsentantenhaus.
Einige Republikaner glaubten damals sogar, dass der wirtschaftliche Druck Kanada dazu bringen könnte, sich den USA anzuschließen. Doch das Gegenteil trat ein: Die kanadischen Nationalisten reagierten mit Widerstand gegen das, was sie als wirtschaftliche Erpressung betrachteten. Statt sich den USA anzunähern, vertiefte Kanada seine Beziehungen zum Britischen Empire – und verstärkte damit genau die Handelsbarrieren, die die USA eigentlich abbauen wollten.
Zölle, Handelsdefizite und Verbrauchervertrauen
Springen wir in die Gegenwart, und wir sehen einige verblüffend ähnliche Entwicklungen – angefangen mit dem wachsenden Nationalstolz in Kanada. Die konfrontative Rhetorik von Präsident Donald Trump hat dort deutliche Reaktionen ausgelöst: Während des "4 Nations Face-Off" im Eishockey wurde die US-Nationalhymne ausgebuht, und eine aktuelle Umfrage zeigt, dass der kanadische Nationalstolz seit Dezember 2024 um 10 Prozentpunkte gestiegen ist.
Trump hat Zölle zu einem zentralen Element seiner Wirtschaftsstrategie gemacht und argumentiert, sie würden Arbeitsplätze in die USA zurückholen und das Handelsdefizit senken. Doch genau wie schon zu McKinleys Zeiten zeigt die Geschichte, dass Zölle selten das gewünschte Ergebnis liefern. Statt Defizite zu verringern, vergrößern sie diese oft sogar. Der Grund dafür ist simpel: Höhere Zölle bremsen den Handel auf beiden Seiten – sowohl Importe als auch Exporte gehen zurück.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Laut dem Peterson Institute for International Economics (PIIE) haben Länder mit hohen Zöllen tendenziell größere Handelsdefizite, nicht kleinere. Zwar können bestimmte Branchen kurzfristig profitieren, doch gleichzeitig steigen die Kosten für amerikanische Verbraucher und Unternehmen. Das dämpft die Konsumausgaben und kann das Vertrauen in die Wirtschaft schwächen.
Genau das erleben wir derzeit. Das Verbrauchervertrauen ist rückläufig, und der Index des Conference Board ist im Februar um sieben Punkte gefallen – der stärkste Rückgang seit August 2021.
Investoren verfolgen diese Entwicklung genau: Bei den jüngsten Telefonkonferenzen zu den Unternehmensergebnissen fiel der Begriff "Zölle" in 191 Gesprächen von S&P 500-Unternehmen – ein neuer Höchstwert. Das ist sogar häufiger als in den Jahren 2018 und 2019, als Trump erstmals Zölle auf chinesische Waren verhängte.
Der PC- und Druckerhersteller HP Inc (NYSE:HPQ). warnte seine Aktionäre in der Telefonkonferenz letzte Woche, dass die "aktuellen US-Zollerhöhungen gegenüber China" die Rentabilität in diesem Jahr belasten könnten.
Wie Investoren Zölle betrachten sollten
Ich sage oft, dass es auf die Politik ankommt, nicht auf die politischen Parteien. Dennoch gibt es drei Dinge, die bei der Bewertung von Zöllen zu beachten sind:
1. Zölle sind eine Steuer - und Steuern erhöhen die Kosten
Es spielt keine Rolle, wer die Zölle anfangs zahlt – ob ausländische Exporteure oder US-Importeure –, am Ende tragen die amerikanischen Verbraucher die zusätzlichen Kosten. Die Erfahrung zeigt, dass Zölle die Preise für Waren in die Höhe treiben und damit langfristig das Wirtschaftswachstum bremsen können.
Das war schon 1890 der Fall. Im Oktober desselben Jahres, kurz nach Inkrafttreten des McKinley Tariff Act, berichtete die New York Times, dass Unternehmen in zahlreichen Branchen die Preise für Verbraucher anpassten. Betroffen waren unter anderem Herren- und Damenbekleidung, Lebensmittel, Weißblechprodukte, Uhren und Bücher.
Heute gibt es ähnliche Sorgen: Unternehmen warnen bereits vor Preissteigerungen in verschiedensten Bereichen – von Elektronik bis hin zu Autos.
2. Volatilität im Handel schadet dem Vertrauen der Unternehmen
Wenn Zölle unvorhersehbar eingeführt oder erhöht werden, halten sich Unternehmen mit langfristigen Investitionen zurück. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass Neueinstellungen gebremst, Projekte aufgeschoben und alternative Strategien entwickelt werden – sei es durch eine Verlagerung der Lieferketten weg von China oder eine stärkere Fokussierung auf Automatisierung anstelle neuer Arbeitsplätze.
Anleger sollten besonders jene Sektoren im Blick behalten, die am stärksten von den Zöllen betroffen sind – darunter die Automobilindustrie, das verarbeitende Gewerbe und der Energiesektor. Dort prüfen Unternehmen verstärkt Fusionen und Übernahmen (M&A), um sich gegen die Risiken eines unsicheren Handelsumfelds abzusichern.
3. Globale Handelsbeziehungen sind wichtig
Mit Importen im Wert von 413 Mrd. USD und Exporten von 349 Mrd. USD im Jahr 2024 bleibt Kanada der größte Handelspartner der USA. Besonders im Energiesektor sind die Vereinigten Staaten stark auf kanadische Lieferungen angewiesen – darunter Rohöl, Erdgas und Strom.
Doch eine aggressive Handelspolitik könnte unbeabsichtigte Folgen haben: Wie schon nach dem McKinley-Zoll könnten Kanada und andere wichtige Partner beginnen, sich nach neuen Absatzmärkten umzusehen. Tatsächlich fordern mehrere kanadische Politiker inzwischen den Ausbau von Pipelines zu Exportterminals an der Küste, um die Abhängigkeit vom US-Markt zu verringern. Und wenn sich einmal neue Handelsrouten etabliert haben, lassen sie sich nur schwer wieder zurückdrehen.
Investieren ohne Vorurteile
Die Lehre daraus ist nicht, dass Zölle per se schlecht sind – und es geht auch nicht darum, Präsident Trump zu kritisieren. Entscheidend ist, dass wir als Investoren unabhängig denken und politische Maßnahmen nicht nur an ihren Zielen, sondern vor allem an ihren tatsächlichen Auswirkungen messen. Die Geschichte zeigt immer wieder, dass Zölle oft unbeabsichtigte Folgen haben – und die Parallelen zur McKinley-Ära sind heute unübersehbar.
Märkte gedeihen in einem Umfeld der Stabilität, doch Zölle sorgen für Unsicherheit. Kurzfristig können sie zwar einzelnen Branchen zugutekommen, doch auf lange Sicht bedeuten sie oft höhere Kosten für Verbraucher und ein gedämpftes Wirtschaftswachstum. Interessanterweise erkannte das auch William McKinley selbst: Einen Tag vor seiner Ermordung im Jahr 1901 distanzierte er sich von seiner einst harten Zollpolitik und sprach sich stattdessen für gegenseitige Handelsabkommen aus. Ein Sinneswandel, der eine Lektion in wirtschaftlichem Pragmatismus ist.
Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich – und kluge Investoren wissen, wann es Zeit ist, genau hinzuhören.