Letzten Dienstag gab die nordamerikanische Finanzministerin, Janet Yellen, zu, dass sie mit ihren Einschätzungen zur Inflation und die Implikation erhöhter Preisniveaus danebenlag. Letztes Jahr hatte Yellen vermehrt den inflationären Druck kleingeredet und darauf verwiesen, dass diese Entwicklungen normal und völlig im Rahmen seien. Dies widerrief die Finanzministerin der größten Wirtschaft der Welt und fügte hinzu, dass sich die wirtschaftlichen Schocks auf eine Weise ausgewirkt haben, die sie nicht verstanden hätte.
Für viele reicht diese Aussage aus, um mit der Sache abzuschließen. Unter dem Motto „Irren ist menschlich“ kann dieses kleine Missgeschick beiseitegelegt werden. Man kann es aber auch unter dem Gesichtspunkt „Ne, ne, ne, so einfach ist das nicht“ betrachten. Der Grund dafür ist, dass es hier nicht um eine kleine Panne geht, sondern um ein Problem mit globalen Auswirkungen. Außerdem gibt es das Konzept der Inflation nicht erst seit gestern, sondern Staaten haben seit Jahrhunderten Erfahrungen mit Inflation und den dazugehörigen Effekten zu tun.
Nun ist es aber so, dass die Analyse von Intentionen in den Wissenschaften ein sehr schwieriges Unterfangen. Angewandt wird hierzu die sogenannte Diskursanalyse, welche darauf abzielt, praktisch „zwischen den Zeilen“ zu lesen. In dem Fall von Janet Yellen, ist die perfekte Ausführung der Aussage ein Indiz dafür, dass dieses Statement einstudiert sein könnte und kein Ausdruck eines ehrlichen Eingeständnisses ist. In dem 4-minütigen Interview auf dem TV-Sender CNN gab die Finanzministerin ganz direkt zu, dass sie falschlag, begann danach aber mit einer deskriptiven Auflistung der bekannten Probleme, wie Lieferengpässe und Energiepreise. Schnell wurde dann der Übergang zu den Bürgern hergestellt, deren Belastung Yellen ja wohl sehr gut verstehen könne. Wirklich Substanz oder eine ehrliche Entschuldigung kamen aber nicht. Floskeln dafür viele.
Wenn man nun den Kontext von Yellen miteinbezieht, so erkennt man schnell, dass Yellen eigentlich nicht so die Inflationsgegnerin ist. Bereits in ihrer ersten Amtszeit (1994 – 1997) im Rat der nordamerikanischen Zentralbank, wo sie vom damaligen Präsidenten Bill Clinton nominiert wurde, positionierte sie sich recht schnell gegen den damaligen Zentralbankchef, Alan Greenspan, welcher übrigens zu den Hauptverantwortlichen der Weltwirtschaftskrise gehörte. Greenspan war klar gegen Inflation und seine Zentralbankpolitik war entsprechend ausgelegt. Yellen brachte aber die Ansicht moderater Inflation ins Spiel, da dies besseres Wachstum hervorbringen würde.
Als spätere Vize-Chefin der Zentralbank äußerten sich verschiedene Politiker aus dem Land zu Yellens Inflationseinstellung und sagten, wie der ehemalige Senator Richard Shelby, dass sie eine „Inflationstendenz“ hätte. Nach aggressiven Vorstößen, konnte Yellen den Zentralbankrat, zusammen mit Ratsmitglied Ben Shalom Bernanke, im Jahre 2012 überzeugen, das Inflationsziel auf 2% festzulegen. Damit konnte sie ein lang ersehntes Ziel erreichen. Was man ihr in dem Zusammenhang lassen muss, ist, dass ihr Fokus auf Vollbeschäftigung auch tatsächlich Früchte getragen hat. Die Preislevel hat sie aber komplett aus den Augen verloren.
Eine weitere Sache führt noch dazu, dass ihre Entschuldigung wahrscheinlich nicht ernst gemeint war: ihre persönlichen Beziehungen. Yellen ist eine sehr begehrte Rednerin bei den Finanzinstituten der Wall Street. Dies mögen Banken, Hedgefonds oder Versicherungen sein. Vor ihrer Amtszeit als Finanzministerin hat Yellen in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt $7.26 Millionen durch kurze Reden bei Finanzakteuren, wie Goldman Sachs (NYSE:GS), verdient. Das ist zwar schon fragwürdig genug, da hier sicherlich Interessenkonflikte entstanden sein dürften und dies ein klares Demokratiedefizit darstellt, aber viel beunruhigender ist der Fakt, dass Inflation geraden diesen Akteuren in die Hände spielt.
Durch die expansive Geldpolitik haben die Finanzmärkte in den letzten Jahren massiv zugelegt und das Handelsvolumen ist auf ein gigantisches Maß angewachsen. Milliarden von Dollar wurden somit von gerade diesen strategisch gut positionierten Finanzakteuren in die Tasche gesteckt. Wenn wir an Yellens Verbindungen und Reputation zurückdenken, darf man sich die berechtigte Frage stellen, ob ihr Verhalten nicht durch Interessengruppen beeinflusst wurde. Zumindest aber die Entschuldigung, dass sie die Inflation unterschätzt hat, kauft man ihr mit diesen Hintergrundinformationen wahrscheinlich nicht mehr ab.